Jeff Tweedy – “Warm”
Jeff Tweedys neue Platte “Warm” versprüht schon nach den ersten Tönen wohlige Herbstgefühle – Kaminfeuer, ein heißer Tee und eine warme Decke empfehlen sich. Bewaffnet mit Slide-Gitarre und dem imaginären Cowboyhut auf dem Kopf, beschwört der Wilco-Sänger Retro-Beatles-Vibes wie in “Let’s Go Rain” herauf, gibt sich verständnisvoll in “I Know What It’s Like” oder lässt seinem schrägen Humor mit “Some Birds” freien Lauf. Seine markante Stimme und die stets auf das Wesentliche reduzierten Arrangements halten “Warm” zusammen. Die Attitüde, die Tweedy dabei an den Tag legt, erinnert in ihrer Entspanntheit an das Spätwerk von Johnny Cash. Die dort vorherrschende Melancholie weicht hier allerdings einem vorsichtigen Optimismus.
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BillyBio – “Feed The Fire”
Auf seinem Solo-Debüt “Feed The Fire” befreit der Biohazard-Frontmann Billy Graziadei seinen inneren Krawallbruder. In straffen 37 Minuten lässt das testosterongeladene Energiebündel keinen Stein auf dem anderen und mäht mit wütendem New-York-Hardcore alles nieder, was ihm in die Quere kommt. “A new generation and it’s kicking ass/ Fuck the world and the upper class” donnert es in “Generation Z” aus BillyBios kratzbürstigem Organ – und damit steht auch gleich fest, unter welchem Motto sein Einstand als Solokünstler steht. Noch deutlicher wird das in den zerstörerischen Brechern “Freedom’s Never Free” und dem Titelsong “Feed The Fire”, die so langsam die Frage aufkommen lassen, welche Aufputschmittel dem Mann nur dieses unermüdliche Feuer verleihen. Doch nur mit brachialem NYHC ist es auf “Feed The Fire” nicht getan: “Sick And Tired” und “Sodality” warten mit Heavy-Metal-Gitarrenriffs auf, in “Untruth” dagegen finden sich zu Beginn sogar einige Rap-Parts. Einen krassen stilistischen Schnitt liefern die beiden Interludes “Remedy” und “Trepidation”, die mal mit zarter Frauenstimme und mal mit dystopisch wirkenden Synthie-Sounds aufwarten. “No Apologies, No Regrets”: BillyBio macht, was er will – und bereut dabei rein gar nichts.
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Wire Love – “Leave The Bones”
Als “Perfect Machine” zeigt sich “Leave The Bones”, das Debütalbum von Wire Love. Hinter der neuen Post-Hardcore-Maschinerie stecken allerdings keine Unbekannten: dieselben Musiker hatten bis zu ihrer Auflösung im vergangenen Jahr schon unter dem Namen Orbit The Earth für atmosphärische Instrumental-Stürme gesorgt. In eine dementsprechend ähnliche Kerbe schlägt auch der Sound ihrer neuen Band. Produziert haben die fünf Münsteraner mit “Leave The Bones” neun Songs, die sich zwischen Hardcore-Gesang, melodischen Post-Rock-Instrumentals und Mathcore-Parts bewegen. Schon der Opener “Symmetry” zeigt sich als widerspenstiges Sound-Ungewitter, das direkt ihre härtere Seiten betont. Auf deutlich düsteren Pfaden wandelt dagegen “Shadow”, der sich wie ein nebulöser Schatten in dunkler Nacht durch die unheimlichen, verlassenen Wälder schlängelt und hinter jedem Baum eine neue Bedrohung erwartet. In “Movement” wird diese innewohnende Unruhe nochmal verstärkt und durch anarchisches Post-Hardcore-Getrümmer und schräge Mathcore-Parts auf ein neues Level gehoben. Der über sechseinhalb Minuten lange Schluss “Bones” rundet das Ganze aber nicht wie erwartet ab, sondern etabliert eine ganz neue Sichtweise auf Wire Love: Langsam und sanft gewinnt der Song an Fahrt, aus Gebrüll wird gefühlvoller Gesang und das sonst so energetische Instrumental plätschert plötzlich in melancholischer Manier dahin.
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Cave In – “Live At Roadburn 2018”
Das bislang letzte Cave In-Album “White Silence” hat mittlerweile sieben Jahre auf dem Buckel und neues Material ist auf kurze Sicht erst einmal unwahrscheinlich. Darüber können sich Fans der Alternative-Prog-Metaller jetzt mit “Live At Roadburn 2018” hinwegtrösten. Zu Ehren ihres im März verstorbenen Bassisten und Sängers Caleb Scofield hatte die Band bei der diesjährigen Ausgabe des Roadburn Festivals ein intimes Akustikset gespielt. Der Mitschnitt beinhaltet reduzierte Version der bandeigenen Songs, die beim Auftritt gespielten Cover von Neil Young und Townes Van Zandt fehlen allerdings. Dank der spärlichen Instrumentierung und dem gut hörbaren Publikum, baut “Live At Roaburn 2018” bereits beim ersten Track eine dichte Atmosphäre auf, die bis zum Schluss erhalten bleibt. Damit machen Cave In definitiv Lust auf ihre anstehende Show in Berlin und ihre Rückkehr zum Roadburn.
Album-Stream: Cave In – “Live At Roadburn 2018”
Unsere aktuelle Platte der Woche, “The Grand Delusion” von The Intersphere, und alle weiteren Neuerscheinungen der Woche findet ihr in unserer Übersicht.