Le Butcherettes – “bi/Mental”
Teri Gender Bender hat sich in ihrem Schlafzimmer eingeschlossen, als sie die ersten Songs für das vierte Le Butcherettes-Album “bi/Mental” schreibt. Die Frontfrau der mexikanischen Garage-Punks – bürgerlicher Name Teresa Suárez Cosío – erholt sich zu der Zeit von den Verletzungen aus einem brutalen Kampf mit ihrer Mutter, bei der sie damals wohnt. Die hat eine bipolare Störung und Cosío hält es zu Hause nicht mehr aus. Mit “bi/Mental” verarbeitet sie nun den Bruch mit ihrer Mutter und deren zerstörerischer, psychischer Erkrankung. Dementsprechend düster und klaustrophobisch drängen die ersten Töne des Openers “spider/WAVES” aus den Boxen, das zwischen Desert-Rock und industrieller Abwärtsspirale die Abgründe des Geistes erforscht. In dem hoffnungsvollen “strong/ENOUGH” adressiert Cosío die tragische Beziehung zu ihrer Mutter so direkt, dass es die Kehle zuschnürt: “My heart is headed out the door/ Don’t need your abuse no more/ Won’t take your disrespect/ I’m smart enough, grown enough”. Anarchische Punk-Anthems früherer Alben finden hier nicht statt. Cosío vertont ihren neuen Lebensabschnitt vielmehr mit synthetischen Rockballaden wie “la/SANDÍA”. “bi/MENTAL” ist ihr Befreiungsschlag und musikalische Evolution zugleich.
Album-Stream: Le Butcherettes – “bi/Mental”
Ian Brown – “Ripples”
Auf ein neues The Stone Roses-Album sollten Fans der Britpop-Band dem aktuellen Stand nach wohl nicht mehr hoffen. Als kleines Trostpflaster legt Frontmann Ian Brown mit “Ripples” sein erstes Soloalbum seit zehn Jahren vor. Schon im leichtfüßigen Opener “First World Problems gesteht er: “I’m a lazy writer”. Genau diese Faulheit macht Brown auf “Ripples” zur Attitüde, denn zurückgelehnter als im Verlauf der zehn Songs kann man Britpop kaum spielen, ohne zu langweilen. Mit Wah-Wah-Gitarre und entspanntem Rhythmus liefert Brown in “From Chaos To Harmony” den perfekten Soundtrack für einen Spaziergang am See. Danach lädt der Titelsong dank seines mitreißenden Grooves zu einem lockeren Spätsommernachtstanz ein. Somit trotzt Brown der derzeit grassierenden Kältewelle auf die selbe Art, mit der er seine Songs schreibt: stressfrei und tiefenentspannt.
Album-Stream: Ian Brown – “Ripples”
Guided By Voices – “Zeppelin Over China”
Robert Pollard wird mit seiner LoFi-Band Guided By Voices auch fast 40 Jahre nach ihrer Gründung einfach nicht müde. Auf “Zeppelin Over China” lässt der 61-Jährige wieder herrlich knarzende Riffs aus den Amps dröhnen und feiert die Einfachheit des Songwritings. Es braucht manchmal eben nicht mehr als eine Schicht aus rohen Gitarren, die gegen den Strich gebürstet werden. “Good Morning Sir” gibt gleich zu Beginn die Marschrichtung vor und rumpelt als ungeschliffener Indierock-Song über eine buckelige Schlagzeug-Piste. Die hohen Töne von Pollard sitzen da auch nicht so ganz, was den Sound dieser Band einfach so unverschämt ehrlich macht. “Carapace” knallt mit einer unermüdlichen Cowbell durch, wozu der Frontmann in unverständliches Mumbo-Jumbo verfällt. Spielfreude steht stets vor dem Feinschliff, was auf jeder Sekunde der 32 (!) Tracks hörbar ist. Ermüdungserscheinungen bleiben im Verlauf der Platte zwar nicht aus, die Formel lässt eben nur einen Sound zwischen Garage, Punk und Grunge zu. Songs wie “Lurk Of The Worm” lockern das etwa mit spacigen Soli und Prog-Einschüben immer wieder auf. “Zeppelin Over China” bleibt ein beeindruckendes Spätwerk mit enormem Ideenreichtum.
Album-Stream: Guided By Voices – “Zeppelin Over China”
Spielbergs – “This Is Not The End”
Dass Spielbergs rotzigen Indierock können, hatten die Newcomer bereits mit ihrer EP “Distant Star” bewiesen. Mit “We Are All Going To Die” und dem Titelstück haben es sogar zwei Songs auf das Debütalbum “This Is Not The End” geschafft. Allein dadurch macht die Band deutlich, dass sie ihrem vom Noiserock beeinflussten Sound auch auf Albumlänge treu bleibt. Doch trotz der fuzzigen Gitarren in Tracks wie “Five On It” und weiterhin prominenten Querverweisen in Richtung Japandroids präsentieren Spielbergs auf “This Is Not The End” eine bislang ungeahnte, melancholische Seite. So entpuppt sich “Sleeper” als zurückhaltende Ballade, in der Mads Bakliens Stimme über einer vorsichtigen Akustikgitarre schwebt. Im Hintergrund unterstützen sphärische Synthesizer die nachdenkliche Atmosphäre. Experimente dieser Art stehen der Band gut zu Gesicht und lockern “This Is Not The End” in genau den richtigen Momenten auf.
Album-Stream: Spielbergs – “This Is Not The End”
Unsere aktuelle Platte der Woche, “The Language Of Injury” von Ithaca, und alle weiteren Neuerscheinungen der Woche findet ihr in unserer Übersicht.