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Benefizkonzert mit Deep Cuts

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Vergangenen Freitag wurde im kalifornischen Inglewood die vierte Ausgabe des Metallica-Benefiz-Konzerts “The Helping Hands” ausgetragen. Die Setlist des Abends spiegelt dabei wider, was Frontmann James Hetfield vor Kurzem im Podcast “The Metallica Report” zu Protokoll gab: Metallica wolle “keine Band sein, die nur ihre größten Hits spielt”. Aufgeteilt in ein (größtenteils) akustisches und ein elektrisches Set, boten Metallica also nicht nur Hits wie “Master Of Puppets” und “Nothing Else Matters” dar, sondern auch Deep Cuts und unerwartete Cover-Songs.

Den “Reload”-Song “Low Man’s Lyric” spielte die Band zum ersten Mal seit 26 Jahren live, “The Unforgiven II” seit 9. Im Akustik-Teil coverten sie zudem den Diamond-Head-Song “Helpless” und den Bachman-Turner-Overdrive-Song “Away From Home”. Für den “Kill ’em All”-Titel “Hit The Lights” bekamen sie Unterstützung von Pearl Jam-Bassist Jeff Ament.

2018 fand das Konzert zum ersten Mal statt, seitdem sammelt die Band alle zwei Jahre Spenden für ihre eigens gegründete All Within My Hands-Organisation. Ergänzend zum Konzert wurde eine Auktion eingerichtet, die noch bis Anfang Januar geöffnet ist.

Erste Hälfte – akustisch

1. “Low Man’s Lyric”
2. “Helpless”
3. “Away From Home”
4. “If Darkness Had A Son”
5. “Nothing Else Matters”

Zweite Hälfte – elektrisch

1. “Orion”
2. “The Shortest Straw”
3. “Until It Sleeps”
4. “Screaming Suicide”
5. “The Unforgiven II”
6. “Fuel”
7. “Hit The Lights”
8. “Master Of Puppets”

»Mehr als eine Catchphrase«

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Offensichtlich wurde Limp Bizkits 1999 Hit „Nookie“ die letzten 25 Jahre völlig falsch interpretiert, denn Fred Durst hat in dem Song eine tiefere Botschaft versteckt. Der 54-Jährige klärt in einem neuen Interview mit Onlinemagazin Dazed auf: „Das lustige ist, niemand achtet auf die eigentliche Geschichte in ‚Nookie‘, alle achten nur auf die Catchphrase.“

Durst, der sich für die neue Horrorkomödie „Y2K“ in einer Gastrolle in sein jüngeres Ich versetzt, lässt hinter die Fassaden des krassen Nu-Metal-Frontmanns blinzeln und erklärt weiter: „Das erste Mal, dass ich mit jemandem intim war, ist erst später gewesen und deshalb war ich Hals über Kopf verliebt, ich war dieser Typ“.

Fred Durst und die Liebe

Durst spricht ganz offen weiter über seine damalige Gefühlswelt: „Ich war eine verletzliche Person und ich hätte niemals geglaubt, dass das überhaupt passiert. Deshalb habe ich mich in diese Person verliebt, die dann auch mit anderen geschlafen hat und alle haben mich gefragt ‚Fred, du bist so sauer, warum verlässt du sie nicht?‘ und ich antwortete ‚weil wir Liebe gemacht haben‘. Dafür habe ich dann einfach eine lustigere, andere Wortwahl gefunden: I did it all for the nookie.“ Was dabei eine deutlich informellere Bezeichnung für Geschlechtsverkehr ist, die nicht gerade vor Romantik sprüht. Für Durst hat es aber trotzdem die gleiche Bedeutung: „Ich habe es damals für die Liebe getan und genau das tue ich auch heute noch.“

Damit war jedenfalls der Titel für den Song gefunden, der für die Band auch alles andere als eine schnelle Nummer wurde und ihr stattdessen eine Grammy- und zwei VMA-Nominierungen einbrachte.

Wann man Fred Durst in “Y2K” auf den deutschen Kinoleinwänden sehen kann, steht leider noch nicht fest. Auf der Bühne dafür aber schon, denn Limp Bizkit kommen im Rahmen ihrer “Looserville”-Tour im März für vier Konzerte nach Deutschland. Bis auf Leipzig gibt es für alle Städte noch Karten. An einem neuen Album arbeitet die Band anscheinend ebenfalls.

 

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VISIONS empfiehlt: Limp Bizkit

19.03.2025 Hamburg – Barclays Arena
22.03.2025 Leipzig – QUARTERBACK Immobilien ARENA (ausverkauft)
25.03.2025 Dortmund – Westfalenhalle
31.03.2025 Frankfurt – Festhalle

Erste Show als Nudgedragons seit 2010

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Kim Thayil, Matt Cameron und Ben Shepherd von Soundgarden haben sich am 14. Dezember für einen Auftritt in der Showbox in Seattle zum ersten Mal seit ihrem Chris-Cornell-Tribute-Konzert 2019 und ihrem Auftritt zu Ehren von Alice in Chains 2020 wiedervereinigt – allerdings unter ihrem Alter Ego Nudedragons. Bereits 2010 nutzen sie das Anagramm ihres eigentlichen Bandnamens für die erste Show nach ihrer Reunion 2010. Auch das Konzert fand damals in der Venue in Seattle statt.

Dieses Mal ging es aber weniger um eine längerfristige Wiedervereinigung der Grunge-Ikonen, sondern um den guten Zweck. Die verbleibenden Mitglieder von Soundgarden wurden von Sängerin Shaina Shepherd beim 13. jährlichen SMooCH-Konzert begleitet, das dem Fonds für unentgeltliche Pflege des Kinderkrankenhauses von Seattle zugutekommt. Bei den letzten beiden Liedern der rund 25-minütigen Show war auch Duff McKagan von Guns N’ Roses mit dabei.

Als Nudgedragons spielten Soundgarden die Songs “Hunted Down” (1987), “Outshined” (1991), “Flower” (1989) und “Beyond The Wheel” (1988) mit Shepherd als erratische Sängerin. Für “Kickstand” (1994) und das MC5-Cover “Kick Out The Jams” kam schließlich McKagan als Gitarrist und Co-Sänger auf die Bühne.

Seit Chris Cornells Tod gelten Soundgarden als aufgelöst, Updates gab es zuletzt aber immer wieder wegen eines Nachlassstreits mit Cornells Witwe Vicky, der sich auf ausgelassene Tantiemenzahlungen und die letzten Aufnahmen des Sängers bezog. Der Streit sollte ursprünglich im Frühjahr 2023 beigelegt worden sein, sodass ein letztes Album Songs der Band mit Cornell veröffentlicht werden könne. Aufgrund weiterer Unstimmigkeiten wurde die Veröffentlichung jedoch auf unbestimmte Zeit verzögert – das letzte Update diesbezüglich ist mittlerweile über ein Jahr her.

Derweil ist Soundgarden-Gitarrist Kim Thayil mit der Supergroup 3rd Secret aktiv und Drummer Matt Cameron hat mit Pearl Jam erst dieses Jahr ein neues Album veröffentlicht.

»Wir werden in Ruhe entscheiden«

Vidar, wie ist die Lage in Stavanger?

Vidar Landa: Ziemlich gut, wir haben hier gerade die letzte Show der diesjährigen Tour gespielt, ein Heimspiel ist immer etwas Besonderes. Viele Freunde sind dabei, unsere Familien. Ich habe in meinem Elternhaus übernachtet und sitze in diesem Moment in meinem alten Kinderzimmer.

Was ist das für ein Gefühl?

Ein bisschen merkwürdig, mir kommt hier alles so klein vor.

Du bist mittlerweile selbst Vater eines Sohnes. Wie macht sich der Nachwuchs?

Oh, der macht sich großartig, er ist jetzt bald anderthalb Jahre alt. Ein eigenes Kind zu haben, ist natürlich ein großer Einschnitt, man ahnt ja kaum, was da auf einen zukommt. Ich wünschte nur, er wäre nachts nicht so quirlig, ich würde gern mal wieder ein bisschen mehr Schlaf bekommen.

Stichwort Nachwuchs, wie sieht es da bei euren Konzerten aus? Das Kvelertak-Debüt hat bald 15 Jahre auf dem Buckel, vier weitere Alben sind dazu gekommen. Wie hat sich das Publikum entwickelt?

Das ist tatsächlich interessant zu beobachten. Ich habe das Gefühl, noch vor zwei Jahren waren es hauptsächlich Typen in ihren 40ern und 50ern, die zu unseren Konzerten kamen. Plötzlich stehen jetzt jede Menge Kids in den ersten Reihen. Das ist schön zu sehen.

Wie fällt euer Fazit der Tour aus?

Es war ein Riesenspaß. Im Zuge der Veröffentlichung von “Endling” haben wir nur eine Handvoll großer Shows in Norwegen gespielt, diesmal sind wir auch in kleineren Städten aufgetreten. Von Donnerstag bis Sonntag haben wir Konzerte gespielt, anschließend konnte man sich ein wenig erholen und auftanken. Das macht alles sehr viel entspannter.

Die Vorzeichen der Tour waren weniger entspannt, euer Gitarrist Bjarte Lund Rolland hat die Band verlassen.

Ja, das war verrückt, wobei das wohl auch ein langer Prozess war. Das ist alles noch recht frisch, im Grunde genommen kann ich gar nicht so viel mehr dazu sagen. Wir hatten den Abschluss der “Endling”-Tour absolviert, wobei wir auch noch ein Jahr so hätten weitermachen können, aber es gab da keine konkreten Pläne. Es hat auch alles Spaß gemacht, gleichzeitig war es wirklich nicht einfach, aus der Covid-Zeit zurückzukommen. Alles hatte sich verändert. Die Band, die Welt, unsere Privatleben … ob nun mit oder ohne Bjarte – wir haben schlicht einen Punkt erreicht, da ein Break nötig ist, um die Dinge mit etwas Abstand zu betrachten. Bevor wir uns dem nächsten Album oder was auch immer widmen, müssen wir schauen: Was wollen wir tun, wer wollen wir als Band sein?

Hatte sich das angekündigt?

Wir haben schon einige Umbesetzungen hinter uns, manchmal bekommt man erst nach Jahren so richtig mit, dass da vielleicht etwas falsch läuft oder sich jemand nicht mehr richtig wohlfühlt. So schwerwiegend es auch sein mag, es ist dennoch das Beste, wenn man dann getrennter Wege geht. Einerseits weiß man nicht so recht, wie es weitergeht, wenn man mitten drinsteckt. Gleichzeitig war es gut, erstmal auf Tour zu gehen. So ein Besetzungswechsel ist immer traurig, gleichzeitig kann er auch für einen Energieschub sorgen. Wir versuchen das Hier und Jetzt zu genießen. Es ist ein solches Privileg, all das jetzt schon so lange machen zu können. Das wollten wir einfach abfeiern, eine gute Zeit haben, bevor wir uns zurückziehen und in Ruhe entscheiden, wie es weitergeht.

Im Februar 2025 tourt ihr das nächste Mal, zusammen mit Urne und Mantar. Ihr habt unmissverständlich mitgeteilt, dass es danach eine Weile dauern würde, bis sich erneut die Gelegenheit ergibt, Kvelertak live zu sehen.

Dazu wäre es wahrscheinlich so oder so gekommen. Seit 15 Jahren ist die Band unser Fulltime-Job, wir sind abhängig voneinander, im kreativen Bereich, aber auch was das Wirtschaftliche angeht. Wir sind zusammen erwachsen geworden, wir haben so viel erlebt, aber wir haben es in den Interviews rund um “Endling” ja auch schon klargemacht: Es wird irgendwann schwierig, die Zeiten werden unruhig, die Arbeitsatmosphäre war zuletzt ganz schön haarig. Wir müssen jetzt schauen, wie wir es zukünftig besser hinbekommen als in den vergangenen Jahren.

Nach außen hat man nicht viel davon mitbekommen. Ihr habt überzeugende Platten veröffentlicht, die Kvelertak-Shows waren schweißtreibend.

Ich denke, das war immer schon charakteristisch für uns, diese Kraft des Kollektivs. Als ich Vater wurde, habe ich ein paar Shows ausgesetzt. Ich weiß noch, wie erleichtert ich war, dass sie auch ohne mich klarkommen. Natürlich brauchen sie mich auf eine gewisse Art, aber diese Energie funktionierte auch ohne mich. Die Band war immer schon mehr als die Summe ihrer einzelnen Teile.

»Wir müssen jetzt schauen, wie wir es zukünftig besser hinbekommen als in den vergangenen Jahren.«

Was bedeutet es rein spielerisch? Diese Wand aus drei Gitarren war immer eines der Markenzeichen von Kvelertak.

Maciek und ich haben die Gitarrenparts aufgeteilt, bei der Setlist konzentrieren wir uns zum Teil mehr auf solche Songs, die mit zwei Gitarren am besten umzusetzen sind. Wir haben versucht, uns keinen großen Kopf zu machen. Die ersten Shows war es noch etwas komisch, aber dann funktionierte es immer besser. Zudem machte das Publikum immer schon einen großen Teil der Show aus, es fühlte sich von je her wie ein weiteres Bandmitglied an. Es war nie ein “wir hier oben, ihr da unten”, aus dem Miteinander ergab sich von Anfang an diese besondere Energie. Das war auch jetzt nicht anders.

Wenn du Bjartes Ausstieg mit dem von Erlend vergleichst – was sind die Unterschiede?

Das war ungleich schwieriger. Wir kamen von der Tour mit Metallica, die weitere Planung stand bereits. Wir hatten schon mit der Arbeit am nächsten Album begonnen, neue Songs geschrieben. Das Timing war einfach schlecht. Irgendwie haben wir es trotzdem weiter durchgezogen und am Ende mit “Splid” ein Kvelertak-Album veröffentlicht, auf das ich immer noch sehr stolz bin. Der ganze Prozess war jedoch hart. Und als wir dachten, dass wir uns durchgekämpft hätten, kam die Pandemie. Wie gesagt, kein gutes Timing. Heute ist die gesamte Situation nochmal anders. Ich habe einen Sohn, Ivar hat zwei Kinder, da haben sich die privaten Prioritäten spürbar verschoben. Das sind Faktoren, die wir in Zukunft noch stärker bedenken müssen.

Was dich betrifft, gibt es bereits konkrete Projekte abseits von Kvelertak. Unter dem Namen King Hüsky hast du kürzlich deine Debütsingle als Solist veröffentlicht. Zunächst mal die Frage: Warum das Ganze nicht im Kontext der Beachheads?

Ich habe schon immer viel geschrieben. Bei Beachheads ist es jedoch immer auch eine Zeitfrage. Wann kommt der Sänger mit einem Text um die Ecke? Wann haben alle Zeit, damit wir proben können? Das ist auch alles okay so. Dieses Soloprojekt habe ich nicht gestartet, weil es mir keinen Spaß mehr macht, in Bands zu spielen. Im Gegenteil, es ergab sich einfach. Irgendwann hatte ich 15 Songs zusammen und dachte, wie es wohl wäre, wenn ich die jetzt aufnehme. Ich hatte keinen Bock darauf, dass alles ewig in der Schublade liegt. So viele Musiker schreiben Songs, machen nichts daraus und reden davon, irgendwann mal eine Soloplatte zu machen. Ich wollte keiner von den Typen werden, die mit 60 reumütig auf ihre nie veröffentlichten Songs blicken.

Wie würdest du den Sound von King Hüsky beschreiben?

Ich habe wohl so ein bisschen meinen eigenen Stil gefunden, alles ist etwas textlastiger, die Musik kommt nochmal aus einer etwas anderen Richtung. Die Tatsache, dass es so ein abwechslungsreiches Album geworden ist, hat mir großen Spaß gemacht. Im Gegensatz zu Beachheads liegt die Betonung noch mehr auf Pop als solches, auf klassischem Indiepop, den ich schon immer sehr mochte. “Running”, die erste Single, würde ich als Power Pop bezeichnen. Ich finde die Musik um einiges direkter. Sie kommt aus meinem Innern, das bin ich allein, das ist meiner Fantasie entsprungen. Bei Beachheads geht es oft um andere Bands, an denen man sich orientiert, wenn es um einen bestimmten Sound geht. Bei King Hüsky ist das nicht der Fall, das ist alles sehr organisch entstanden, meine Ideen, ganz direkt und ehrlich.

Im Mai 2025 erscheint das Album. Wie sieht es mit Tourplänen aus?

Da gibt es schon ein paar Ideen, das Feedback auf die erste Single war sehr positiv. Ich hatte gar nicht so viel erwartet, es ist ja erstmal nur ein Song. Aber es gibt jetzt schon Anfragen von großen Festivals in Norwegen, da tut sich also einiges, auch wenn es noch nicht konkret durchgeplant ist. Ich hoffe, dass etwas geht, gleichzeitig gibt es keinen Druck, keinen organisatorischen Zwang, das mit so und so vielen Leuten abstimmen zu müssen. Wenn ich für mich entscheide zu touren, dann kann ich es einfach machen. Das ginge im einfachsten Fall sogar akustisch – genau dieser Freiraum fühlt sich super an. Für mich handelt es sich nicht um Musik, die ich den Leuten irgendwie aufdrücken möchte. Wenn du mit einer Rockband spielst und laut und hart genug bist, dann kriegst du einen Laden immer irgendwie in den Griff. Das hier ist etwas anderes, die Leute müssen es schon mögen und wirklich wollen. Wenn ich auf irgendetwas keine Lust habe, dann auf einen Club, in dem die Leute miteinander quatschen, während ich im Hintergrund vor mich hinklampfe. Wir werden sehen. Ich bin sehr gespannt, was alles passiert.

Wie geht es mit den Beachheads weiter?

Das letzte Album ist noch nicht so lange her, im vergangenen Jahr sind wir in Norwegen getourt. Es gibt schon eine Menge neues Material, da wird auf jeden Fall etwas passieren. Anfang 2025 steht erst einmal die Kvelertak-Tour an. Wir spielen in einigen Venues zum ersten Mal, in Hamburg geht es zurück in die Große Freiheit. Ich freue mich schon sehr drauf. Es ist immer ein schönes Gefühl, den Tourzyklus für ein Album zu beschließen, ob nun eine neue Platte ansteht oder eben eine Pause.

Die letzte Kvelertak-Show ist am 28. Februar in München. Mit welchem Gefühl wirst du am 1. März aufwachen?

Zunächst einmal werde ich erleichtert sein, eine Weile frei zu haben und nicht an die Band denken zu müssen. Ums nochmal klar zu sagen: Wir haben mit Kvelertak schon so viel durchgemacht. Wir kennen diese Situationen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es nach einer gewissen Zeit gut sein wird, ausgeruht und entspannt über die kommenden Dinge zu sprechen, um herauszufinden, was wir in Zukunft wollen – individuell und als Gruppe.

Schlauchboot, Hiebe, Wiederwahl

4. Februar: Das saß

Bei der 66. Grammy-Verleihung räumen vor allem Bands mit Frauenanteil ab. Paramore etwa erhalten als erste Band mit einer Sängerin überhaupt den Preis für das beste Rockalbum, während die Supergroup Boygenius für die beste Rock-Performance, den besten Rocksong und das beste Alternative-Album gekürt wird. In Rahmen der Veranstaltung findet Boygenius-Mitglied Phoebe Bridgers deutliche Worte für Neil Portnow, der 2018 in die Kritik geraten war, nachdem er gesagt hatte, dass Frauen sich einfach mehr anstrengen sollten, wenn sie auch Musikpreise gewinnen wollen: “Ich weiß, dass du noch nicht tot bist”, so Bridgers an den ehemaligen Grammy-Chef gerichtet, “aber wenn du es bist, verrotte in Pisse.”


30. Juni: Mehr als akzeptabel

Als Idles beim Glastonbury-Festival spielen, wird zum Pro-Immigrationssong “Danny Nedelko” im Publikum ein aufblasbares Boot mit als Migranten verkleideten Attrappen “zu Wasser gelassen”.  Hinter der Aktion steckt der Streetart-Künstler Banksy, der damit die Einwanderungspolitik von Ex-Premierminister Rishi Sunak kritisieren will. Später taucht das Schlauchboot auch beim Set von Rapperin Little Simz auf. Der britische Außenminister James Cleverly nennt die Aktion im Nachgang “abscheulich und inakzeptabel.” Banksy reagiert: “Das echte Boot, das ich finanziere, die MV Louise Michel, rettete […] 17 unbegleitete Kinder aus dem zentralen Mittelmeer. Zur Strafe haben es die italienischen Behörden in Gewahrsam genommen – was ich für abscheulich und inakzeptabel halte.”


26. Juli: Es wird gut

Gojira sind Teil der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele in Paris. Die Metal-Band aus Ondres in Aquitanien spielt das Kampflied “Ah! Ça ira”, das zu Zeiten der Französischen Revolution geschrieben wurde. Dabei unterstützt sie die französisch-schweizerische Opernsängerin Marina Viotti. Die kurze Show ist spektakulär: Als Kulisse dient die mittelalterliche Conciergerie, ein ehemaliges Gefängnis, dazu gibt es Feuerwerk und eine Schauspielerin tritt als enthauptete Marie Antoinette auf. Viotti fährt gegenüber der Band auf einem Boot auf der Seine vorüber. Schwer zu glauben, aber wahr: Damit sind Gojira die erste Metal-Band, die die Olympischen Spiele miteröffnet. Das darf Schule machen.


27. August: Definitely!

Oasis geben ihre Reunion bekannt. Nach 15 Jahren Bruderzwist haben sich Noel und Liam Gallagher offenbar vertragen: “Die Waffen sind verstummt”, so das Statement. “Die Sterne haben sich ausgerichtet. Das große Warten ist vorbei. Kommt und seht selbst.” Auf den Ankündigungspostern sind zunächst nur die Brüder zu sehen, Gerüchten zufolge sollen aber auch Gründungsgitarrist Paul “Bonehead” Arthurs, Gem Archer, Andy Bell und Zak Starkey dabei sein. Die Tour startet am 4. Juli 2025 in Cardiff und führt die Band im Laufe des Jahres um die ganze Welt. Darauf folgt eine für News-Outlets wahre Wonne an Meldungen, unter anderem zu teuren Tickets und einem möglichen neuen Album. 2025 wird unterhaltsam, allein schon wegen Oasis.

 

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05. September: Wiederbelebung

Emily Armstrong tritt erstmals als Linkin Park-Sängerin auf. Die neu formierte Band spielt eine live gestreamte Show im Studio 30 auf dem Gelände der Warner Studios in LA, im Publikum befinden sich nur geladene Mitglieder des offiziellen Fanclubs. Mit dem Erscheinen von Armstrong zu Beginn der zweiten Strophe der Comeback-Single “The Emptiness Machine” bewahrheiten sich Gerüchte, die aufgekommen waren, weil sich einige Wochen im Vorfeld unter anderem Orgy-Frontmann Jay Gordon in einem Interview verplappert hatte. Weil Armstrong, zuvor bei der Band Dead Sara aktiv, offenbar Verbindungen zur Sekte Scientology und Sexualstraftäter Danny Masterson hat, läuft das Internet ebenso auf Hochtemperatur wie rund um die Oasis-Reunion. Dem Erfolg des neuen Albums “From Zero” tut das keinen Abbruch: Weltweit erobert es die Charts, während die angekündigten Konzerte blitzschnell ausverkaufen.


13. September: Unrühmlich

Während eines Auftritts in Boston boxt Jane’s Addiction-Sänger Perry Farrell Gitarrist Dave Navarro auf offener Bühne. Farrell ist offensichtlich alkoholisiert, die Show und die restliche Tour der Alternative-Rock-Veteranen werden abgebrochen. Das Trara in der Folge ist groß: Farrell entschuldigt sich, seine Frau Etty versucht den Vorfall zu erklären. Der Rest der Band gibt sich zerknirscht, es meldet sich ein Gitarrentechniker mit unschönen Details, wie es hinter der Bühne weiterging. Martyn LeNoble, Gitarrist von Farrells anderer Band Porno For Pyros, bezeichnet den Sänger in einem Statement als den schlimmsten Frontmann, mit dem er je gearbeitet hat, und Etty Farrell als furchtbare Person. Was dabei leider in den Hintergrund gerät: die guten bis sehr guten neuen Songs “Imminent Redemption” und “True Love”.


13. Oktober: So long and thanks

NOFX spielen ihr letztes Konzert. Rund zwei Stunden spielen Fat Mike, Eric Melvin, El Hefe und Smelly in Los Angeles, mit dabei bei der historischen Begebenheit sind Wegbegleiter wie Tim Armstrong (Rancid), Nate Albert (ehemals The Mighty Mighty Bosstones), Brett Gurewitz, Jay Bentley (beide Bad Religion), Dexter Holland (The Offspring), Chris Shiflett (Foo Fighters) und Fletcher Dragge (Pennywise). Seit 2023 war die Abschiedstour von NOFX gelaufen und hat 73 Shows umfasst, rund 16.000 Besucher:innen sehen sich den finalen Auftritt live an. Mit dem endet eine 41-jährige Punk-Erfolgsgeschichte mit legendären Songs und Alben, die nicht nur für den VISIONS-Kosmos prägend sind, auch was künstlerische Unabhängigkeit betrifft. NOFX haben immer nach ihren eigenen Regeln gespielt hat, waren nie auf einem Major-Label und haben mit Fat Wreck Chords den Weg für viele weitere Bands geebnet.


05. November: 2016 again

Donald Trump wird zum zweiten Mal zum US-Präsidenten gewählt, die Bestürzung unter Bands und Musiker:innen ist groß. Jack White fasst zusammen, was man in den kommenden Jahren im Gedächtnis behalten sollte: “Die Amerikaner haben einen bekannten, offensichtlichen Faschisten gewählt, und jetzt wird Amerika bekommen, was immer dieser Möchtegerndiktator von nun an verordnen will. Wir wissen alle, wozu er fähig ist: Project 2025, Abschiebungen, landesweites Abtreibungsverbot, Aufhebung seiner eigenen Amtszeitbeschränkung, Unterstützung für Putin und seinen Krieg, Schließung des Bildungsministeriums, Verschärfung des Klimawandels, Einschränkung der Rechte von LGBTQ.” Mit Galgenhumor versuchen es die Donots: “Zumindest sind die nächsten vier Jahre Kopfschütteln über den orangen Maulwurf gutes Satire-Futter und beste getriebene Subkultur-Musik gesichert. Putting punk back into punk.”

 

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Jahresrückblick 2024
Schönheit in der Dunkelheit

Inhalt

  1. Die Momente des Jahres 2024 – Schlauchboot, Hiebe, Wiederwahl
  2. Jahresrückblick 2024: Britpop – Alte Penner, neue Stimmen
  3. Jahresrückblick 2024: Comebacks – Fünf sind wieder da
  4. Deal, Gibbons, Gordon – In der Haltung vereint
  5. Jahresrückblick 2024: Bandsplits – Fünf sind nicht mehr
  6. Jahresrückblick 2024: Steve Albini – Der Gamechanger
  7. Jahresrückblick 2024: Neulinge – Fünf für '25
  8. Die 50 Alben des Jahres 2024 – Harte Musik für harte Zeiten
  9. Fontaines D.C. im Interview – Gespenstisch, beinahe erschreckend
  10. Jahresrückblick 2024: Blinddate – »Jack White zeigt uns allen, wo wir stehen«
  11. Jahresrückblick 2024: By Its Cover – Fontaines D.C. - »Romance«

Alte Penner, neue Stimmen

Kann ein Handschlag eine popkulturelle Bewegung stoppen? Er kann. 30. Juli 1997, Labour-Kandidat Tony Blair hat mit seinem Konzept von “New Labour” (Sozialdemokratie plus Neoliberalismus) die Wahl gewonnen und wird als britischer Premierminister eingeführt. Nach 18 Jahren Tory-Regierung, die meisten davon unter der lähmenden Regentschaft der “Iron Lady” Margaret Thatcher. Die Insel atmet auf, man lässt frische Luft hinein. Etwa in Person des im Sommer 1997 größten Pop-Songwriters, Gitarristen und Teilzeitsängers des Königreichs: Noel Gallagher ist einer der Gäste bei Blairs Einführung. Als Stellvertreter für “Cool Britannia”, wie Marketingleute die Britpop-Bewegung nennen, die seit 1994 die britische und zu gewissen Teilen auch die kontinentaleuropäische Rockwelt dominiert. Es kommt zum fatalen Handschlag zwischen der großen Politik und Britpop: Der neue Premierminister lächelt selig, Gallagher spöttisch, im Hintergrund schaut Alan McGee, Boss des Labels Creation, skeptisch, vielleicht ahnend, was da kommen wird. Die anderen Gäste wundern sich, dass dieser Gallagher aus Manchester entgegen dem Protokoll keine Krawatte trägt.

Wenige Jahre später steht Blair bedingungs­los an der Seite des US-Präsidenten George W. Bush und führt das Königreich in widersinnige Kriege, als gelte es, den ramponierten Ruf der alten Imperialmacht zu untermauern. Und Oasis? Veröffentlichen ein Album mit dem Titel “Standing On The Shoulder Of Giants”, mit Songs wie “I Can See A Liar”, “Put Yer Money Where Yer Mouth Is” und “Fuckin’ In The Bushes” – sowie “Little James”, das Liam Gallagher für seinen kleinen Sohn schreibt. Cool Britannia und New Labour? Alles Lüge! Am 30. Juli 1997 wird Britpop zu Grabe getragen. Doch wie das mit Musikgenres und popkulturellen Trends nun einmal ist: Sie kommen wieder. Mal als Zombies, mal sehr lebendig. Oft als Mischung aus beidem. 2024 traf es Britpop.

Dawn of the dead

Der Zombie-Faktor? Nehmen wir Blur. Die spielen 2024 beim Coachella-Festival und treffen dort, anders als in London oder Tokio, auf ein gelangweiltes, wenig verständnisvolles und schon gar nicht textsicheres Publikum. Woraufhin Sänger Damon Albarn genervt von der Bühne plärrt: “Ihr werdet uns nie wieder sehen, also könnt ihr genauso gut mitsingen!” Als wenn es daran läge. Gitarrist Graham Coxon hält später in einem Interview über den Trip in die südkalifornische Wüste beinahe beleidigt fest: “Da dauert es 14 Stunden, bis man da ist, und dann spielt man vor Leuten, denen man scheißegal ist. Die schauen einen an, als wollten sie sagen: Wer ist dieser alte Penner?”

Was für alte Penner Blur sind, belegt auch die Banddokumentation “To The End”, die im Herbst in ausgewählten Kinos läuft. Zu sehen sind Wohlstandsherren Mitte 50, die ausgesorgt haben und sich doch noch einmal aufraffen, um die Band zurück auf die Bühne zu bringen und ein neues Album aufzunehmen. Die Platte “The Ballad Of Darren” ist toll. Dem Film hilft das wenig. Vor allem, weil er in sehr vielen Einstellungen Albarn und Bassist Alex James als zwei Dandys wie aus einer Werbung für eine Altersvorsorge zeigte. Mit Wampen, Wollpullis, Wollmützen und Kaffeebechern am Meer, in das sie am Ende natürlich hineinspringen. Wer diese Szenen sieht, hat Verständnis dafür, dass junge Leute aus Kalifornien nicht unbedingt ausflippen, wenn diese Typen vom “Death Of A Party” singen oder eine “Popscene” beschreiben, wie sie vor 30 Jahren existiert hat. Was man aber auch sagen muss: Für nostalgisch getrimmte Hörer ist das 2024 veröffentlichte Konzertalbum “Live At Wembley Stadium” ein großes Vergnügen. Und Blur bleiben eine tolle Band. Sie sollten nur nicht mehr in der Wüste spielen und Dokus über sich drehen lassen.

Die Blur-Shows im altehrwürdigen Londoner Stadion dürften einer der Gründe sein, warum oben in Manchester zwei Brüder endlich wieder zusammenfinden: 2024 entscheiden sich die Gallaghers, 2025 als Oasis zurückzukommen. Das Jahr über haben sie nicht viel mehr gemacht, als eine Fotosession über sich ergehen zu lassen und ein paar Social-Media-Beiträge abzusetzen.

Plus: Es erscheint Liam Gallaghers Album mit Stone-Roses-Gitarrist John Squire, eine Platte, die zweifellos ihre Längen, mit “Mars To Liverpool” aber auch einen der besten Songs des Jahres an Bord hat. Wie hoch die Fallhöhe für Oasis im kommenden Jahr sein wird, zeigen ein paar Randereignisse mitten aus dem Reunionrausch. Ende November melden Oasis für einen Montagmorgen eine “große Ankündigung” an – “big for Oasis fans!” Ein neuer Song? Ein Album gar? Am Ende geht es um die Verlosung von zwei (!) Tickets. Das Credo im Netz: die schlimmste Ankündigung aller Zeiten.

Zuvor hat es für die Band und ihr Management bereits Ärger gegeben, weil sie sich nicht im Vorfeld gegen die Preisgestaltung des Kartenverkäufers Ticketmaster gestellt haben: Schien es über Jahre so gewesen zu sein, als würden sich die Fans bei den virtuellen Prügeleien um Tickets so ziemlich alles bieten lassen, gibt es im Fall Oasis veritablen Ärger. Die Methode des “dynamic pricings” wird als das entlarvt, was sie ist: Ein neoliberaler Weg, Leute zu schröpfen, die etwas haben wollen, das sehr nachgefragt ist. Dass die Hotel- und Airbnb-Kurse in den Städten, in denen Oasis 2025 spielen werden, direkt nach der Ankündigung des Tourplans in abstruser Weise durch die Decke gehen und einige Hotels bestehende Buchungen stornieren, um die Zimmer zu deutlichen höheren Raten neu zu vergeben, sorgt für extremen Frust. Und ruft Verbraucherschützer und Politiker auf den Plan, die fordern, ein solches Vorgehen müsse verboten werden. Natürlich wird dieser Ärger längst verflogen sein, wenn Oasis 2025 “Champagne Supernova” spielen. Aber die Gallaghers werden zuletzt schon gemerkt haben, dass ihnen der Wind, den sie gerne selbst ins Internet blasen, auch mal ins Gesicht wehen kann.

Spätberufen auf der Eins

Weg von den Britpop-Untoten, hin zu den erstaunlich vitalen Silberlocken: Einige Veteranen der klassischen Britpop-Jahre werden 2024 dafür belohnt, sich im Laufe des Jahrzehnts nicht zerfleischt zu haben, am Ball geblieben zu sein. Mit der Folge, eine überaus loyale Fanbasis aufgebaut zu haben. Eine Community, die 2024 dafür sorgt, dass gleich mehrere Bands mit ihren Alben hohe Platzierungen und sogar den Nummer-eins-Spot in den britischen Charts belegen. Das ist im Zeitalter des Streamings keine so große Sache mehr, wie es Mitte der 90er der Fall gewesen war. Bemerkenswert sind die kommerziellen Erfolge der Veteranen dennoch. Im September etwa stehen Shed Seven aus York mit “Liquid Gold” ganz oben, einem Album mit von einem Orchester unterstützten Neueinspielungen älterer Songs. So eins haben James aus Manchester bereits erfolgreich 2023 erledigt; 2024 erreichen sie mit den neuen Songs ihres Albums “Yummy” Platz eins der UK-Charts. Nicht ganz so hoch hinaus geht es für Kula Shaker, aber das neue Album “Natural Magick” führt auch die Psych-Britpopper in die hohen Chartpositionen, die sie Ende der 90er mit ihren ersten beiden Platten erreicht haben. Auch die melodieverliebten Cast aus Liverpool finden 2024 mit dem Album “Love Is The Call” zurück in die Erfolgsspur.

Man darf davon ausgehen, dass diese alten Britpop-Recken mit ihren neuen Platten zuverlässig ein älteres Publikum versorgten. Es gab 2024 aber auch deutlichen Spuren von Britpop im Sound der aktuell angesagtesten Bands der Indie- und Alternative-Szene. Die Newcomer Brigitte Calls Me Baby aus Chicago zum Beispiel zeigten auf ihrem Debütalbum “The Future Is Our Way Out”, wie The Smiths 2024 vielleicht klingen würden, wenn das mit Morrissey alles ein bisschen anders laufen würde. Sänger und Songwriter Wes Leavins bedient das dafür nötige Pathos und vermittelt Botschaften wie “I Wanna Die In The Suburbs” oder “You Are Only Made Of Dreams”, während seine Band bei “Eddie My Love” den Jingle-Jangle des Britpop mit dem Sound der 60er-Beatband The Shadows zusammenbringt.

Dass Britpop auch in der Top-Etage des Pop eine Rolle spielt, zeigen einige Stücke des Albums, das der Superproduzent Jack Antonoff in den wenigen Wochen der jüngeren Zeit, in denen er nicht mit der Arbeit für Taylor Swift beschäftigt war, mit den Bleachers aufgenommen hat. Antonoff ist generell ein begnadeter Genre-Plünderer; Songs wie “Woke Up Today” erinnern an die Beatles und ihre vielen Wiedergänger aus der großen Zeit des Britpop.

Fontaines D.C. sind seit jeher dafür bekannt, pro Album mindestens einen Song mit Britpop-Verweis rauszuhauen. Auf Romance übertreffen sie sich in dieser Hinsicht selbst: “Favourite”, letzter Song der Platte, ist ein perfekter Jingle-Jangle-Britpopsong, der die Frühlingsgefühle der mittleren 90er zurückholt. Eine Falle, denn im Song singt Grian Chatten von der Traurigkeit einer Rückkehr. Vom fahlen Beigeschmack der Nostalgie. Fontaines D.C. docken Britpop-Elemente an ihren Post-Punk an. High Vis aus London lassen Britpop in ihre Post-Core-DNA einfließen. Bei manchem Song ihres dritten Albums “Guided Tour” wirkt es, als wären die Stone Roses als Punkband auferstanden, mit einem Sänger, der deutlich lauter zu Werke geht, als es seinerzeit bei Ian Brown der Fall war. The Last Dinner Party, eine der Aufsteigerbands des Jahres, entwerfen in Songs wie “The Feminine Urge” einen dringend notwendigen weiblichen Gegenentwurf zur Britpop-typischen “Lad-Culture” mit Bier und Fußball – und verweisen mit ihrem Sound auch auf von Frauen geprägte Britpop-Bands wie Catatonia mit Sängerin Cerys Matthews oder Kenickie.

Universal Britpop

Nun ist es zwar interessant, aber nicht superungewöhnlich, dass ein bestimmter Stil aus einer bestimmten Zeit auch die aktuelle Musik beeinflusst. Was 2024 aber wirklich überrascht: Wie aus Britpop ein Modewort für Modern Pop wird. Eine Marke. Eine Einstellung. Eine Lebenshaltung. Etwas, das weit über die Musik hinaus geht. Und zwar eben nicht nur für Jungs, die gerne Fußball gucken und Bier trinken. Sondern auch für junge Frauen aus Schwarzen Communitys.

A.G. Cook ist ein englischer Produzent innovativer Dance-Musik, darüber hinaus ein Einflussgeber und Möglichmacher einer neuen Szene, die sehr stark den progressiven Modern Pop beeinflusst. Unter dem großen Dachnamen Hyperpop lassen sich Acts und Songs zusammenfassen, die sich alle Freiheiten nehmen und keinerlei Grenzen akzeptieren. Weder in der Musik noch in der Identität, wobei diese wiederum fluide und virtuell sein kann. Hyperpop ist beides: Pop und eine Karikatur von Pop. Die Selbstironie ist in dieses Genre per Werkseinstellung mit eingebaut, wird von den Acts aber sehr schnell an- und wieder ausgestellt. Mit dieser Haltung ist Hyperpop wie gemacht für das Hyper-Netzwerk Tiktok, diesem Dschungel aus Filmchen, Selbstdarstellungen und Verweisen.

Cook ist einer der Menschen, die das alles verstehen. Er arbeitete mit der Produzentin Sophie zusammen, bis zu ihrem Tod 2021 einer der Stars der Szene, produzierte für Beyoncé. Er war zudem kreativer Direktor für Charli XCX, der es 2024 mit ihrem Album “Brat” gelang, nicht nur diesen Begriff groß zu machen, sondern damit auch den Lifestyle von Millionen von Menschen zu verändern. Mit seinen eigenen Alben verfolgt Cook den Anspruch, die großen Symbole und Marken zu vertonen. Jene der Gegenwart, wie auf dem Album “Apple”. Oder jene der Zukunft wie “7G”, dem Mobilfunknetz der 7. Generation, mit dem es, wie Zukunftsforscher glauben, möglich sein wird, jederzeit virtuelle Welten zu betreten.

Cooks Album für 2024 trägt den Titel “Britpop”. Nicht, weil die Musik so klingt: Cook bleibt seinem verspielten und verrutschen Electro-Sound treu. Sondern weil er als Künstler darüber nachgedacht hat, warum der Einfluss britischer Musik so groß ist, auch in den USA. Ausgehend von der Beatlemania und der damit verbundenen “British Invasion” von Beatbands in den 60ern wie den Kinks und Rolling Stones, Zombies und Hollies, Small Faces und The Who, Dave Clark Five und der Spencer Davis Group. Alles Bands, die auch den originären Britpop-Stil beeinflusst haben. In einem Interview beschreibt A.G. Cook Britpop als “lustiges Zeitgeistphänomen”, das in der Tradition von “Underground-Künstlern steht, die mit universellen Symbolen spielen”. Daher hat er für das Artwork des Albums und der Videos den Union Jack pink und grün gefärbt – als handele es sich um eine Flagge aus einem anderen Paralleluniversum. Um ein Symbol, das Gemeinschaft, Kreativität und Identität feiert, ohne die historische Schuld mit sich zu tragen, die beim Union Jack naturgemäß mitschwingt.

Die Attraktivität eines Dachbegriffs

Als Künstler sei er immer auf der Suche nach solchen Symbolen, sagt er. Und er ist da längst nicht der einzige: Dass Britpop 2024 zu einer Referenz geworden ist, auf die sich weltweit auch junge Leute sich einigen können, die nie etwas von Bands wie Sleeper, Ocean Colour Scene oder Menswear gehört haben, liegt für Cook an der “Zersplitterung der Popkultur seit dem Aufkommen des Internets”. In den 90ern konnte man sich eine der Wochenzeitschriften holen und sich sicher sein, die versammelten Band der Britpop-Bewegung in diesem Heft zu finden. Irgendwas gab es immer zu berichten, über Suede, die Boo Radleys oder Supergrass. Das Lesen und Herumtragen des Magazins zeigten zudem: Ich bin einer von euch. “Wenn man es aber wie heute mit einem aufgebrochenen Mainstream zu hat”, sagt Cook, “und jeder in Subkulturen existiert, werden alle Begriffe und Symbole, die einem dabei helfen, sich an etwas Universelles zu klammern, sehr attraktiv.” Britpop ist also eine Klammer. Eine freiwillig gezimmerte Schublade. Um untereinander und mit den Fans in Dialog zu treten. Aus der Not einer zerfledderten Welt heraus nimmt sich die junge Generation ein Genre von früher. Um es neu zu deuten. Sich unter diesem Dach zu versammeln.

An dieser Stelle unterscheidet sich das Britpop-Revival im Modern Pop vom originären Britpop der 90er. Letzterer wurde hauptsächlich geprägt von Jungsbands, auf deren CDs der Sticker “buy British” stand und die angefeuert wurden von den wöchentlich erscheinenden Musikmagazinen, die keinen Hehl daraus machten, dass sie auf den gerne mies gelaunten US-Alternative-Rock keinen Bock mehr hatten, stattdessen wieder Gruppen aus London und Birmingham, aus Carlisle, Dublin, Dundee, Humberside abfeiern wollten. Verbunden mit der unmissverständlichen Botschaft: “Yanks go home!” Noch 1992 wurde Morrissey medial dafür vernichtet, dass er beim von der Band Madness organisierten Madstock-Festival mit einem Union Jack um die Hüften auf der Bühne herumgeturnt war. Nur wenige Monate später war die Flagge allgegenwärtig: auf Magazincovern, auf Noel Gallaghers Gitarre, wenn es darum ging, Suede zur besten Band Welt zu erklären. Was dabei immer eine Rolle spielte: Nationalismus, Chauvinismus.

Das ist 2024 anders. Es wirkt, als hätten sich ausgerechnet die Marginalisierten die Symbole zurückerkämpft. Ein paar Beispiele: Nia Archives, eine 24 Jahre alte Schwarze Breakbeat-Künstlerin, trägt auf dem Cover ihres Debütalbums “Silence Is Loud” einen schillernden Union Jack auf den Zähnen. Modern-Pop-Superstar Dua Lipa sagt, sie habe sich bei der Arbeit an ihrem 2024er-Album “Radical Optimism” mit der Geschichte des Britpop beschäftigt und dabei erkannt, dass es ihr helfen könnte, den Pessimismus zu verdrängen: Britpop sei “selbstbewusst optimistisch” gewesen: “Diese Einstellung habe ich in meine Aufnahmesessions mitgenommen.”

Die Songwriterin Rachel Chinouriri zeigt auf dem Cover ihres von Indierock beeinflussten Albums “What A Devastating Turn Of Events” eine Szenerie wie aus dem Booklet des Blur-Albums “Parklife” – eine Sozialbausiedlung, beschmückt mit der englischen Flagge, dem Sankt-Georgs-Kreuz. Der erste Song der Platte heißt “Garden Of Eden”, als wäre dieses kleinbürgerliche englische Idyll für eine Künstlerin wie Chinouriri tatsächlich das Paradies – und nicht die potenzielle Hölle. “Für Schwarze und People of Colour ist diese Flagge nichts, worauf man stolz sein könnte”, sagt sie in einem Interview mit der englischen Zeitung Guardian. Weshalb ihr Umfeld ihr auch davon abriet, die Fahnen auf ihrem Albumcover zu zeigen, zumal das Georgskreuz von rechtsradikalen Gruppen wie der English Defense League vereinnahmt wird. Doch gerade deshalb bestand Chinouriri darauf. Ausgehend von der Erfahrung, ihre britische Identität in einer Zeit wiederentdeckt zu haben, als sie sich während eines Aufenthalts in Los Angeles einsam gefühlt hatte. Der Song “The Hills” erzählt von diesen Gefühlen – und klingt passenderweise wie eine clevere Kombination aus US-Indierock und Britpop. Die Flagge zu verwenden, sei für sie wie eine “Feier, sich dieses Symbol zurückzunehmen – verbunden mit der Botschaft: ‘Ihr könnt mich nicht loswerden’.”

Auf diese Art kehrt Britpop zu seinem Ausgangspunkt zurück. Zur Idee eines neuen Verhältnisses zwischen Pop, Rock und Politik. Einer Vorstellung von Musik als Mittel, um eine gute Zeit zu haben. Selbstbewusst im Leben zu stehen. Eigene Welten zu erschaffen. Mit großer Fresse zu behaupten, dazuzugehören. Mehr noch: das Beste zu sein, was diesem Land, ach, dieser Welt passieren konnte. Auch ohne Ausbildung an einer Privatschule oder Studium an einer Eliteuni. Die ganz jungen Gallaghers haben so gedacht. Und aus dieser Haltung heraus einer der besten Rockbands aller Zeiten gegründet. Es ist fantastisch, dass Britpop 2024 zu dieser Grundhaltung zurückgekehrt ist. Mit dem Erfolg der Alten, das auch. Aber dazu mit ganz anderen Klängen. Die gute Nachricht am Ende: Bei der Einführung des neuen Labour-Premiers Keith Starmer ist kein Popstar weit und breit zu sehen.


Jahresrückblick 2024
Schönheit in der Dunkelheit

Inhalt

  1. Die Momente des Jahres 2024 – Schlauchboot, Hiebe, Wiederwahl
  2. Jahresrückblick 2024: Britpop – Alte Penner, neue Stimmen
  3. Jahresrückblick 2024: Comebacks – Fünf sind wieder da
  4. Deal, Gibbons, Gordon – In der Haltung vereint
  5. Jahresrückblick 2024: Bandsplits – Fünf sind nicht mehr
  6. Jahresrückblick 2024: Steve Albini – Der Gamechanger
  7. Jahresrückblick 2024: Neulinge – Fünf für '25
  8. Die 50 Alben des Jahres 2024 – Harte Musik für harte Zeiten
  9. Fontaines D.C. im Interview – Gespenstisch, beinahe erschreckend
  10. Jahresrückblick 2024: Blinddate – »Jack White zeigt uns allen, wo wir stehen«
  11. Jahresrückblick 2024: By Its Cover – Fontaines D.C. - »Romance«

Fünf sind wieder da

Sex Pistols

Wer bei der vierten Reunion der Sex Pistols nur schnelles Geld wittert, liegt erstmal falsch: die Punklegenden tun sich zunächst im Juni mit Ex-Gallows-Sänger Frank Carter zusammen, um zwei ausverkaufte Benefizshows in der Londoner Bush Hall zu spielen. Damit wollen sie unter anderem die Zukunft des Venue bewahren. Weil das offenbar gut ankommt, folgt ein Festivalauftritt in Italien und eine UK-Tour. Nur “Sex Pistols” darf sich das Ganze nicht mehr schimpfen. “Frank Carter and Paul Cook, Steve Jones, Glen Matlock of the Sex Pistols” steht auch bei ihren kommenden zwei Deutschlandkonzerten – den ersten seit 1996 – auf dem Tourplakat. Warum, weiß wohl John Lydon am besten, der als einziges Gründungsmitglied nicht Teil der Reunion sein wird und zuletzt wohl am meisten Kontakt mit seinen Ex-Kollegen wegen eines verlorenen Rechtstreits über Songrechte hatte.


Babyshambles

Nach mehreren Entzugsversuchen hat Pete, pardon: Peter Doherty die Kurve gekriegt und ist nun annährend clean. Zumindest vom Heroin lässt er die Finger und konnte sich deswegen auch wieder mit den Libertines zusammenraufen. Ergebnis: ein sehr solides viertes Album. Nun soll es offenbar auch wieder mit der Band weitergehen, die er 2003 gegründet hat, als er bei den Libertines rausgeflogen ist. Im August steht er bei einer Soloshow überraschend mit den Ex-Babyshambles Drew McConnell (Bass) und Adam Ficek (Drums) auf der Bühne. Dass das wohl keine einmalige Sache war, deutet Ficek später selbst an und spricht von einer “Neuinterpretation” der Indie-Antihelden im kommenden Jahr. Einen Nachfolger vom bislang letzten Album “Sequel To The Prequel” (2013) wollte aber noch niemand offiziell bestätigen.


The Jesus Lizard

Für Konzerte haben sich die ursprünglich 1999 aufgelösten Noiserock-Ikonen schon zwischen 2009 und 2010 sowie immer wieder ab 2017 zusammengetan. Mit “Rack”, ihrem ersten Album seit 26 Jahren, machen The Jesus Lizard dieses Jahr ihre vorläufige Rückkehr perfekt, die erste Tour in Großbritannien und Irland seit 16 Jahren findet 2025 statt. Der Terminkalender soll aber wohl noch voller werden. Damit stehen die unbestrittenen Genre-Taktgeber exemplarisch für eine Art Revival der 90er-Noise-Szene, denn auch God Bullies um “Father” Mike Hard und Big’n haben neue Alben veröffentlicht. Bei ihnen sind sogar 30 beziehungsweise 28 Jahre seit der bislang letzten richtigen Platte vergangen. Kaum zu glauben: An keinem der Alben wirkte Steve Albini direkt mit, sein Stil prägt sie trotzdem.


The Bobby Lees

2022 veröffentlichten die Bobby Lees noch ein Album, auf dem Rock’n’Roll und Punk diabolischer denn je wirkten. Ende 2023 gingen die Lichter für die Band aus Woodstock, New York überraschend aus. Grund: finanzielle Unsicherheit durch das aktuelle Streamingsystem. Mit “Es ist verrückt, dass Leute heutzutage drei bis fünf US-Dollar für einen Kaffee ausgeben, aber nicht bereit sind, den gleichen Betrag für ein Album zu bezahlen”, kündigen sie ihre vorerst letzten Shows an. Dank Hollywood-Star, Muskelprotz und Szene-Musik-Connaisseur Jason Momoa können die Bobby Lees ihre Zwangspause aber bereits dieses Jahr beenden: Für die zweite Staffel der Serie “On The Roam” über Momoas Suche nach Kunst, Abenteuer und Freundschaft, begleitet und finanziert er ein neues Album der Band. Die neuen Episoden und das Album sollen 2025 erscheinen.

 

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Mclusky

Schon seit 2014 – neun Jahre nach ihrer Auflösung – treten die grantigen Noise-Weirdos aus Wales wieder unregelmäßig auf. 2023 gab es mit gleich vier Singles ihre erste neue Musik seit 19 Jahren. Wohl nur als ersten Vorgeschmack auf ein viertes Album, das 2025 über Mike Pattons Label Ipecac erscheinen soll. Das wäre dann ihr erstes seit 2004. Vorgeschmack? Fehlanzeige. Typisch sarkastisch heißt es zur Ankündigung lediglich: “Mclusky waren eine Band zwischen 1999 und 2005, und jetzt sind sie wieder eine Band. Ich weiß, umwerfend. […] Mclusky glauben fest daran, dass alle DJs Franzosen sein sollten.” Wie es aussieht, meinen es die Waliser um Andy Falkous aber ernst: Dieses Jahr tourten sie wieder durch Australien und die USA. Ursprünglich hatten Mclusky Pläne, ein weiteres Album mit Steve Albini aufzunehmen. Sein Tod kam ihnen zuvor.

 

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Jahresrückblick 2024
Schönheit in der Dunkelheit

Inhalt

  1. Die Momente des Jahres 2024 – Schlauchboot, Hiebe, Wiederwahl
  2. Jahresrückblick 2024: Britpop – Alte Penner, neue Stimmen
  3. Jahresrückblick 2024: Comebacks – Fünf sind wieder da
  4. Deal, Gibbons, Gordon – In der Haltung vereint
  5. Jahresrückblick 2024: Bandsplits – Fünf sind nicht mehr
  6. Jahresrückblick 2024: Steve Albini – Der Gamechanger
  7. Jahresrückblick 2024: Neulinge – Fünf für '25
  8. Die 50 Alben des Jahres 2024 – Harte Musik für harte Zeiten
  9. Fontaines D.C. im Interview – Gespenstisch, beinahe erschreckend
  10. Jahresrückblick 2024: Blinddate – »Jack White zeigt uns allen, wo wir stehen«
  11. Jahresrückblick 2024: By Its Cover – Fontaines D.C. - »Romance«

In der Haltung vereint

Auch Musik

In einem Youtube-Video kann man zwei jugendlichen Trap-Fans dabei zusehen, wie sie Kim Gordons Song “Bye Bye” zum ersten Mal hören. Die Jungs rasten vor Begeisterung aus, können kaum fassen, dass die Musik wie ein Track von Playboi Carti oder Ken Carson klingt. Nicht wirklich genauso, schließlich sind Gordons stilistische Handschrift und vor allem ihr Gesang unverkennbar – aber die fragmentierten, schlingernden Trap-Beats von “Bye Bye” hatte Produzent Justin Raisen (Charli XCX, Drake, Lil Yachty) tatsächlich zuerst Carti zugedacht und dann als zu abgefahren für den Atlanta-Rapper befunden. Genau richtig allerdings für Gordons zweites Soloalbum “The Collective”. Schon bei ihrer ersten Soloplatte “No Home Record” (2019) hatte Gordon mit Raisen gearbeitet, nur zu zweit, ohne weitere Beteiligte. Sie habe keine Lust mehr auf quälende Abstimmungen mit Bandmitgliedern, so Gordon in einem Interview, den Mythos von Sonic Youth ein für alle mal an den Nagel hängend.

Sowohl “No Home Record” als auch “The Collective” entstanden in Los Angeles, bewusst weit weg von New York City mit seinen Verflechtungen und Konnotationen. Und natürlich ist es ein Statement, ein Album, das zudem am Weltfrauentag erscheint, mit einem Track namens “Bye Bye” zu eröffnen. Der Text besteht aus Aufzählungen von Dingen, wie sie auch in Trap-Raps vorkommen, nur dass Gordon kein Konsumopfer ist, das sich nach Designerstücken von Balenciaga oder Rick Owens verzehrt. Im Gegenteil, sie will all den Kram nicht mehr, den uns der Kapitalismus als unverzichtbar suggeriert: “Hoodie, toothpaste, brush, foundation, contact solution, mascara, lip mask, eye mask – bye bye”. Auch in den anderen Songs bringt sie mit reduzierter Cut-up-Lyrik aktuelle Themen auf den Punkt. In “I’m A Man” schlüpft Gordon in die Rolle eines sich selbst bemit­leidenden Incels, der sich zu kurz gekommen fühlt, während das kraftvolle “Psychedelic Orgasm” weibliche Sexualität feiert.

Gordon, 1953 in Rochester, New York geboren, könnte sich auf ihren Lorbeeren ausruhen, die sie sich als Mitbegründerin, Bassistin, Gitarristin und Sängerin von Sonic Youth verdient hat. Sie gilt als Verkörperung von Coolness schlechthin, als feministische Musikerinnen-Identifikationsfigur. Dabei wollte sie nie ein Rockstar sein, kam über Umwege zur Musik. Gordon selbst sieht sich als Künstlerin und Performerin, die als eine Sache von vielen auch Musik macht. Nach ihrem Studium schrieb sie zunächst für Kunstmagazine und begann Instrumente mit demselben Interesse spielen zu lernen, wie man sich auch andere künstlerische Fertigkeiten aneignet. Ihre Rolle bei Sonic Youth sei konzeptuell gewesen, eine Choreografie, so Gordon in ihrer Autobiografie “Girl In A Band” – also das Gegenteil des rockmusikalischen Ideals einer Band. Es ist dieser übergreifende, antirockistische Ansatz, die Arbeit als bildende Künstlern, Modedesignerin, Autorin, Produzentin und gelegentliche Filmemacherin, die Gordons Musik so kühn macht – und manch Soloaufnahme ihrer früheren Bandkollegen im Vergleich konventionell erscheinen lässt.

Gordon nimmt sich Zeit, unterwirft sich keinem Veröffentlichungsdiktat: Nach dem vorläufigen Ende von Sonic Youth 2011 dauerte es ganze acht Jahre, bis sie ihr erstes Soloalbum in Angriff nahm, und auch dazu musste sie von Raisen überredet werden. Befreit von Bandstrukturen, im produktiven Tandem mit Raisen, konzentriert sich Gordon kompromisslos auf ihre avantgardistische Seite und betritt unerschrocken neues Terrain. Auf “The Collective” kombiniert sie experimentelle, lauernd-verzerrte Gitarrensounds mit dystopischem Noise, verknüpft 80er-Industrial mit Dub und Hyperpop zum scheinbaren Chaos. Aber das Album hat ein Programm, verfolgt einen Plan. Die Beats der ersten Hälfte zersplittern gegen Ende immer mehr, um sich im letzten Song “Dream Dollar” zischend aufzulösen. Trotz seiner Sperrigkeit ist der Sound vielschichtig und warm, gewachsen aus der unerschöpflichen Kreativität einer mutigen und visionären Künstlerin.

Innovative Innerlichkeit

Auch Beth Gibbons gehört zu einer stilprägenden Band: den TripHop-Pionieren Portishead. Auch sie hält sich mit Soloveröffentlichungen ziemlich zurück. Das war es aber schon in puncto Gemeinsamkeiten mit Gordon, eine der augenfälligsten Unterschiede zur US-Kollegin ist Gibbons’ so stille wie konsequente Medienverweigerung. Sie gibt schon lange keine Interviews mehr, äußert sich selbst nur schriftlich wie im Info zum neuen Album. Es existieren aus TV-Sendungen der 90er ein paar Aufnahmen, die ihre Schüchternheit und ihr Unwohlsein bei öffentlichem Sprechen peinvoll spürbar machen. Die Britin will weder über sich noch ihre Musik reden, auch über “Lives Outgrown” lässt sie ihren Produzent James Ford sprechen. Aus den Interviews mit Ford erfährt man unter anderem, dass Gibbons und ihr musikalischer Partner Lee Harris (ehemals Talk Talk) auf keinen Fall einen Loop- und Sample-dominierten Sound wie Portishead erzielen, sondern elektronisch wirkende Klänge mit akustischen Instrumenten herstellen wollten. Dass Gibbons immer neue Instrumente ins Studio mitbrachte, unter anderem Blockflöten und unzählige Gitarren. Dass sie vorschlug, Ford solle die Klaviertasten mit Löffeln anschlagen, und dass alle drei auf dem Boden herumkriechen sollten, um bestimmte Atemgeräusche zu erzeugen. Und dass nach Fords Empfinden das Album eigentlich schon ein Jahr früher fertig gewesen sei. Es ist Gibbons’ Perfektionismus geschuldet, dass immer wieder Neujustierungen und -aufnahmen vorgenommen werden mussten, weshalb die Platte erst im Mai 2024 erscheinen konnte.

Man kann nur darüber spekulieren, ob sich Gibbons von Ford verstanden fühlt, oder ob sie in Kauf nimmt, was er sagt, nur um selbst nicht das Wort ergreifen zu müssen. Letztlich sollte gelten, dass ein Kunstwerk für sich selbst stehen muss und keine Erklärungen und Auslegungen braucht. Aber dass “Lives Outgrown” ein so außergewöhnliches, bei aller Innerlichkeit innovatives Album geworden ist, auf das sich in 2024 so viele Kritiker:innen und Fans einigen konnten, hängt natürlich damit zusammen, dass seine Urheberin eine so enigmatische, verletzliche, für den Popbetrieb kaum taugliche Person ist – und das ist als Kompliment gemeint.

2002 veröffentlichte Gibbons mit Paul Webb alias Rustin Man (ebenfalls einstmals bei Talk Talk) das Album “Out Of Season”, ein in Jazz, Blues und Folk schwelgendes Werk, das modische Zeiterscheinungen mit Grandezza ignorierte. Danach komponierte Gibbons Filmmusik, und machte nach der (hoffentlich nur bislang) letzten Portishead-Platte “Third” 2008 erst wieder 2014 wieder von sich reden, als sie mit dem Nationalen Symphonieorchester des Polnischen Rundfunks unter der Leitung von Krzysztof Penderecki die 3. Sinfonie des Komponisten Henryk Mikołaj Górecki aufnahm. Bis zu ihrem eigentlichen ersten Soloalbum sollten weitere zehn Jahre vergehen. Zehn Jahre, in denen sich Gibbons körperlichen und emotionalen Veränderungen ausgesetzt sah. “Lives Outgrown” handelt in weiten Teilen von Mutterschaft, Menopause und Vergänglichkeit, also Themen, die im Popkontext nur selten verhandelt werden, im Leben einer knapp 60-Jährigen jedoch allgegenwärtig sind – und Gibbons stellt sich ihnen. Die Texte sind berührend und erschütternd, Gibbons’ Gesang wie eh und je suchend und zerbrechlich, das unausweichliche Ende stets mitdenkend oder wie in “Burden Of Life” sogar erwartend. Dass sie trotz ihrer Bartleby’schen “Ich möchte lieber nicht”-Verweigerungshaltung von den Fans geliebt wird und große Erfolge feiern kann, ist eine der schönsten Erkenntnisse des Musikjahrs 2024.

Zwischen Experiment und Stiltreue

Es sei ihr nie in den Sinn gekommen, eine Soloplatte aufzunehmen, sagt Kim Deal in Interviews zu ihrer, ja, Soloplatte “Nobody Loves You More”, die Ende November erschienen ist. Sie könne sich auch nicht vorstellen, dass es Leute gebe, die zu einem Soloauftritt von ihr gehen würden – obwohl ihr die Dandy Warhols schon 1997 den Song “Cool As Kim Deal” widmeten. Kimberley Ann Deal, 1961 in Dayton, Ohio geboren, hat ihr gesamtes Erwachsenenleben in Bands gespielt und immer im Bandkontext gedacht. Zu den Pixies kam sie 1986 über eine Zeitungsanzeige, die Black Francis/Frank Black und Joey Santiago geschaltet hatten, weil sie für ihre frisch gegründete Band jemanden am Bass suchten. Mit ihrem charakteristischen Laut-leise-Sound, den sägenden Gitarren und eingängigen Melodien werden die Pixies bald zur prototypischen Indie-, respektive Alternative-Band, Songs wie “Where Is My Mind?” oder “Monkey Gone To Heaven” sind Klassiker. Dass Kurt Cobain verkündete, dass ausgerechnet das von Deal geschriebene “Gigantic” sein Lieblingssong sei und er sich wünschte, sie würde mehr Songs für die Pixies schreiben (dürfen), erregte Frank Blacks Zorn – ohnehin gilt Black als despotischer Bandleader, der seinen Mitmusiker:innen nur wenig Raum zur Entfaltung zugesteht.

Deal, mit ihrer subalternen Rolle als Bassistin unzufrieden, gründete 1988 als Nebenprojekt zu den Pixies eine wahre Indie-Supergroup: die Breeders, in der Ursprungsformation aus Kim Deal, Tanya Donelly von den Throwing Muses und Britt Walford von Slint bestehend, bringen 1990 das von Steve Albini produzierte Debüt “Pod” heraus, drei Jahre später folgt das Meisterwerk “Last Splash”. Inzwischen hat Donnelly die Breeders verlassen, Josephine Wiggs und Kim Zwillingsschwester Kelley steigen ein, der alte Kumpel Jim McPherson übernimmt das Schlagzeug. Dass die Breeders trotz großartiger Songs nie so groß wurden wie die Pixies, lag neben internen Reibereien hauptsächlich an Suff und Heroin, wie Kim Deal freimütig zugibt. Nach dem Erfolg mit “Last Splash” ziehen sich die Deals für lange Zeit zurück, um clean zu werden und ihre kranken Eltern zu pflegen. Neue Breeders-Platten erscheinen erst wieder ab den frühen 2000er Jahren. Dazwischen und danach gründet Kim Deal das Projekt The Amps mit personellen Überschneidungen zu den Breeders, produziert Guided By Voices, veröffentlicht solo ein paar Singles und kehrt sogar zu den wiedervereinten Pixies zurück, die sie aber 2013 endgültig verlässt.

Die Breeders sind auf Courtney Barnetts zweitem Album “Tell Me How You Really Feel” (2018) zu hören, gehen ab 2023 mit “Last Splash” auf Jubiläumstour. Ab Anfang 2024 kursieren Gerüchte, dass es ein Soloalbum von Kim Deal geben könnte, im Juni erscheint der Song “Coast” – und im August bestätigt Deal die baldige Veröffentlichung des Albums. Auch wenn “Nobody Loves You More” als Soloalbum firmiert, ist es dennoch voller Deal-typischer Kooperationen: Ayse Hassan und Fay Milton von Savages sind dabei, fast alle Breeders, produziert wird die Platte teilweise noch von Albini, der während der Aufnahmen überraschend stirbt. Vergänglichkeit, Krankheit und Tod sind bestimmende Themen auf “Nobody Loves You More”, einige Songs wie “Wish I Was” existierten in ihren Urformen schon seit zehn bis 20 Jahren, entstanden in der Zeit, als Deal ihre demente Mutter pflegte. Das anrührende “Are You Mine?” geht auf einen Moment zurück, als die Mutter ihre Tochter nicht erkannte, “Summerland” bezieht sich auf lang zurückliegende Familienurlaube, “Coast” entstand 2020 nach der Hochzeit eines Freundes, der Ursprung des Songs läge aber noch viel weiter zurück, so Deal.

Musikalisch erlaubt sie sich mehr Experimente als in ihren Bandgefügen – obwohl sie ja bewusst nicht alles allein gemacht hat. In einigen Songs erklingt die von Deal so geliebte Ukulele, ein Instrument, das wegen Wiggs harscher Abneigung niemals bei den Breeders eingesetzt werden darf, eine Marching Band spielt auf, in “Are You Mine?” hört man eine Pedal-Steel-Gitarre. Songs wie “Big Ben Beat” und “Disobedience” sind dagegen durchaus auf einer Breeders-Platte vorstellbar, wurden sogar schon live von den Breeders gespielt: “Disobedience” passt perfekt zwischen “Cannonball” und “Divine Hammer”, befindet Deal selbst. Das Changieren zwischen Referenzen zum Lebenswerk und ungewöhnlichen Klang- und Stilexperimenten macht den Charme von “Nobody Loves You More” aus – Deal wird die geliebte Bandkonstellation wohl nie aufgeben, aber sie kann sicher sein, dass sehr viele Menschen ihre Solokonzerte besuchen werden.

Lässt sich aufgrund dieser drei sehr unterschiedlichen Alben von drei sehr unterschiedlichen Künstlerinnen ein Fazit ziehen oder ein Rezept für gelungene Werke erstellen? Das wohl nicht, aber ein paar Erkenntnisse kann man mitnehmen: zum Beispiel, dass es dem kreativen Output sehr entgegenkommt, wenn man sich selbst nicht allzu wichtig nimmt. Das eigene Schaffen nicht zu sehr glorifiziert. Und es vollbringt, altgediente Strukturen hinter sich zu lassen, etwa die Bands, in denen man sich einst Ruf und Ruhm erspielte. Diese Haltungen scheinen Beth Gibbons, Kim Deal und Kim Gordon zu einen. Drei Musikerinnen, die zu stilprägenden Kultbands gehörten und erst nach langen Pausen, in denen andere Dinge dringender waren als das nächste Album, zum Musikmachen zurückkehrten.

Darüber hinaus zeigen die Platten von Deal, Gibbons und Gordon, wie wichtig es ist, der eigenen Erfahrung zu vertrauen, sprich: einen eigenen Stil zu entwickeln und sich dafür Zeit zu nehmen. Angefangenes auch mal liegen zu lassen, wie Deal, oder vermeintlich Abgeschlossenes noch mal zu überprüfen, selbst wenn man seinen Mitstreitern damit auf die Nerven fällt wie Gibbons. Nicht einverstanden sein wie Gordon. Keine Scheu vor Themen haben, die scheinbar nicht ins coole Popgeschäft passen wie Wechseljahre, todkranke Angehörige oder schlichtweg Selbstzweifel. Und – dazu kommt man möglicherweise erst an einem späteren Zeitpunkt im Leben – sich die passenden Leute auszusuchen, mit denen man arbeiten möchte. Das sind im Falle Gordons tendenziell Jüngere wie Produzent Justin Raisen und ihre eigene Tochter Coco, die das Video zu “Banging On The Freeway” drehte, einem neuen Song von der Deluxe-Ausgabe von “The Collective”. Auch Gibbons gibt ihre Songs in die Hände eines jüngeren Produzenten, während Deal in gewohnter Manier alte und neue Freund:innen um sich schart. Und der vielleicht wichtigste Schluss: zur eigenen Eigentümlichkeit stehen.


Jahresrückblick 2024
Schönheit in der Dunkelheit

Inhalt

  1. Die Momente des Jahres 2024 – Schlauchboot, Hiebe, Wiederwahl
  2. Jahresrückblick 2024: Britpop – Alte Penner, neue Stimmen
  3. Jahresrückblick 2024: Comebacks – Fünf sind wieder da
  4. Deal, Gibbons, Gordon – In der Haltung vereint
  5. Jahresrückblick 2024: Bandsplits – Fünf sind nicht mehr
  6. Jahresrückblick 2024: Steve Albini – Der Gamechanger
  7. Jahresrückblick 2024: Neulinge – Fünf für '25
  8. Die 50 Alben des Jahres 2024 – Harte Musik für harte Zeiten
  9. Fontaines D.C. im Interview – Gespenstisch, beinahe erschreckend
  10. Jahresrückblick 2024: Blinddate – »Jack White zeigt uns allen, wo wir stehen«
  11. Jahresrückblick 2024: By Its Cover – Fontaines D.C. - »Romance«

Fünf sind nicht mehr

Sum 41

Bereits im Mai 2023 verkünden Sum 41 ihre Auflösung. Ein letztes Album soll es 2024 geben und eine ausgiebige Abschiedstour. Als Begründung gibt Frontmann Deryck Whibley in Interviews zu “Heaven :x: Hell” an, dass seine Kreativität für die Band nachlasse. Zuvor hat er jahrelang gesundheitliche Probleme und bekämpft erfolgreich seine Alkoholsucht. Außerdem beschuldigt er in seiner diesjährigen Autobiografie “Walking Disaster” den ehemaligen Bandmanager Greig Noiri des sexuellen Missbrauchs. Bis ins Frühjahr 2025 wird die Band noch in Nordamerika auftreten, doch hierzulande war es das: Ihre letzten Konzerte in Deutschland spielen sie im November. Auf der Habenseite stehen nach fast 30 Jahren Karriere acht Alben, darunter die Bestseller “All Killer No Filler” (2001), “Does This Look Infected?” (2002) und “Chuck” (2004).


Metz

Die Meldung, dass Metz die berüchtigte “Pause auf unbestimmte Zeit” einlegen, kommt nicht ein Jahr vor ihrer Tour 2024, sondern einen Monat. Der Schock ist entsprechend groß, nicht nur aus Reihen von Idles, The Dirty Nil oder Gilla-Band, auch bei VISIONS, wo ihr diesjähriges Album “Up On Gravity Hill” in Ausgabe 373 den Soundcheck toppt. Im Interview ein paar Seiten weiter spricht Bandkopf Alex Edkins noch von einem Neuanfang, aber auch davon, wie sehr es ihn belastet, für Touren von seiner Familie getrennt zu sein: “Es zerreißt einen. Ich bin einfach ständig im Zwiespalt.” Die Shows in Berlin und Hamburg sind eine Noiserock-Machtdemonstration, ihrem Statement zufolge werden sich Metz nun auf ihre Familien und neue Unternehmungen konzentrieren. Bei Edkins wären das sein Soloprojekt Weird Nightmare und seine Arbeit als Soundtrack-Komponist.


Refused

Dass Refused sich auflösen, deutet sich seit März an. Ihr letztes Konzert in ihrer Heimat Schweden müssen die Hardcore-Legenden allerdings absagen, weil Frontmann Dennis Lyxzén einen Herzinfarkt erleidet. Ab September heißt es “Refused Are Fucking Dead… And This Time They Really Mean It” auf einem Poster für Konzerttermine 2025 in Nordamerika, später wird die Band für einige Festivals in Europa bestätigt. Die Ankündigung einer regulären Europatour steht aber noch aus. Genauso unklar ist, ob noch mal neue Musik erscheint. Falls nicht, wäre die letzte Refused-Veröffentlichung die EP “The Malignant Fire” von 2020. Anfang November erscheint eine “The Shape Of Punk To Come”-Reissue mit einer Bonusplatte, auf der Bands wie Quicksand, Brutus, Touché Amoré und sogar Snapcase Songs des Klassikers covern.


Off!

Bei der Supergroup um Hardcore-Legende Keith Morris (Circle Jerks, Black Flag) geht die Auflösung mit der Veröffentlichung ihres lange erwarteten Spielfilms “Free LSD” einher: Ihre letzte Show spielen Off! am 26. Juli im Belasco in Los Angeles mit Surfbort im Vorprogramm, danach führen der 69-jährige Morris und Gitarrist Dimitri Coats “Free LSD” aber noch bis Anfang August in verschiedenen kalifornischen Kinos auf und geben anschließend Panels. Das letzte Off!-Album, ebenfalls “Free LSD” betitelt und der Soundtrack zum Film, ist da schon fast zwei Jahre alt. Wenig später erscheinen Film und Album im Boxset mit vier bislang unveröffentlichten Songs aus den Albumsessions. Von Morris weiß man, dass er derzeit mit den Circle Jerks am ersten Album seit “Oddities, Abnormalities And Curiosities” (1995) arbeitet.


Japandroids

Jedes Ende einer beliebten Band aus dem VISIONS-Kosmos ist traurig, bei Japandroids tut es besonders weh, weil das kanadische Duo mit seinem letzten Album “Fate & Alcohol” nicht touren wird. Ein geplantes Interview mit VISIONS sagt Drummer und Sänger David Prowse ab, zuvor hat es nur wenige Pressegespräche gegeben. Das letzte Mal getroffen haben sollen sich er und Sänger und Gitarrist Brian King im März für finale “Fate & Alcohol”-Aufnahmen, Geschäftliches und das Albumcover-Fotoshooting. Sie haben sich auseinandergelebt, persönlich, musikalisch und auch räumlich: Prowse lebt in Vancouver, King seit einiger Zeit in Ann Arbor, Michigan, wo seine Frau an der Uni arbeitet. Die letzte Japandroids-Show hat damit bereits 2018 stattgefunden, als Abschluss der Tour zum Album “Near To The Wild Heart Of Life” aus dem Jahr davor.


Jahresrückblick 2024
Schönheit in der Dunkelheit

Inhalt

  1. Die Momente des Jahres 2024 – Schlauchboot, Hiebe, Wiederwahl
  2. Jahresrückblick 2024: Britpop – Alte Penner, neue Stimmen
  3. Jahresrückblick 2024: Comebacks – Fünf sind wieder da
  4. Deal, Gibbons, Gordon – In der Haltung vereint
  5. Jahresrückblick 2024: Bandsplits – Fünf sind nicht mehr
  6. Jahresrückblick 2024: Steve Albini – Der Gamechanger
  7. Jahresrückblick 2024: Neulinge – Fünf für '25
  8. Die 50 Alben des Jahres 2024 – Harte Musik für harte Zeiten
  9. Fontaines D.C. im Interview – Gespenstisch, beinahe erschreckend
  10. Jahresrückblick 2024: Blinddate – »Jack White zeigt uns allen, wo wir stehen«
  11. Jahresrückblick 2024: By Its Cover – Fontaines D.C. - »Romance«

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