Marvel und seine Comicsuperheldenfilme stecken in der Krise, allen voran Sonys Spider-Man-Universum. Schon Venom war trotz des schön fahrig agierenden Tom Hardy nur mittelmäßig, die Einspielergebnisse mit jedem der drei Teile schlechter. Dazwischen: die Total-Ausfälle “Morbius” mit Jared Leto als Vampirfledermaus und “Madame Web” mit Dakota Johnson. Und nun: “Kraven The Hunter”, verkörpert von Aaron Taylor-Johnson (der junge John Lennon in “Nowhere Boy”).
Im Comic pendelt der Sohn des russischen Crimelords und Drogenbarons Nikolai Kravinoff (Russel Crowe) zwischen Antiheld und Bösewicht. Ein “apex predator” mit riesigem Ego, so schnell wie eine Raubkatze, so stark wie ein Bär, so scharfsichtig wie ein Luchs. In seinem Filmdebüt wird Kraven zum Tier- und Naturfreund, der nur Fieslinge vom Kaliber seines Vaters jagt. In der Vorlage ist Kraven mit Schnauzbart, Leopardenleggings und Löwenmähnenweste super camp. Derart schrille Figuren passen zum “Suicide Squad” oder in Taika Waititis “Thor”-Kosmos – als Hauptfigur in einem Einzelfilm ist das zu viel und deshalb hier radikal geglättet. So oder so beeindruckt Taylor-Johnson mit sexy Physis und enormer Fitness im Action-Einsatz.
Seine Barfuß-Hatz durch London und die brutale Eröffnungssequenz in einem russischen Gefängnis sind Höhepunkte des Radaus, der mit Crowe, Fred Hechinger als Halbbruder Dmitri, dem ambivalenten Bösewicht Aleksei Sytsevich alias Rhino (Alessandro Nivola), dem mysteriösen Foreigner (Christopher Abbott) und der Anwältin und Voodoo-Priesterin Calypso (Ariana DeBose) interessante Nebenfiguren zu bieten hat. Leider bleiben die allesamt blass. Wo der Film punktet, sind die Rated-R-Momente. J. C. Chandor (“Margin Call”) hat gut daran getan, Kraven als Brutalo in einer brutalen Welt zu inszenieren. Trotz teils schluderiger Effekte gelingt “Kraven The Hunter” immerhin eines: Er langweilt über zwei Stunden nicht.