Der erste große Temperatursturz des Jahres geht auch an Köln nicht spurlos vorbei: Während die Stadt gerade noch so um die ersten Schneeflocken drumherum kommt, kriecht die Kälte in jede Ritze vor und um die Essigfabrik. Kaum verwunderlich also, dass die Mitarbeiter:innen der Abendkasse versuchen sich mit einem Heizlüfter auf Betriebstemperatur zu halten und sich Henry Cox, Frontmann von Boston Manor, sicherheitshalber in ein Thermoshirt für seinen Auftritt in der fast ausverkauften ehemaligen Sprit- und Weinessig-Produktionshalle schmeißt. Ein Fehler, wie Cox nach wenigen Songs bemerkt: “Ich verbrühe verdammt nochmal.”
Vermutlich hatte sich Cox zuvor bei der Temperatur des Saals während des 45-minütigen Shoegaze-Spektakels des Openers Newmoon inspirieren lassen. Die Band aus Antwerpen spielt eingängige Songs, die beim richtigen Publikum bestimmt Anklang gefunden hätten – einen Haufen Mittzwanziger, die sich gerade auf Moshpits und Mitsing-Refrains vorbereiten wollen, kann die Band dagegen kaum mitreißen. Es bleibt beim freundlichen Kopfnicken.
Die eher unpassende Supportwahl wirkt sich anschließend nicht auf den Hauptact aus: Textsicher grölen die rund 1.200 Besucher:innen jeden der 16 Songs von vorne bis hinten mit, schon nach knapp der Hälfte des einläutenden “Floodlights On The Square” schwingt sich auch schon die erste Crowdsurferin in die Luft. Auf die obligatorische Frage, wer im Raum die Band zuvor bereits live gesehen hat, meldet sich prompt ein Großteil der Leute, also sortiert Cox weiter aus: “Wer hat uns schon vor der Pandemie gesehen?”, bringt nur noch knapp ein Drittel der Stimmen hervor, die Jubelrufe auf die Frage “Wer hat uns schon gesehen, als wir noch Skinny Jeans getragen haben?”, lassen sich anschließend an einer Hand abzählen. Denn richtig, die Tage, an denen Boston Manor noch lupenreinen Pop-Punk gespielt haben, sind seit etwa acht Jahren gezählt. Mittlerweile steht Post-Hardcore mit einer guten Schippe Emo und Grunge auf der Tagesordnung. Ihre neue musikalische Ausrichtung hat die Band aus Blackpool mit ihren beiden Alben “Datura” und “Sundiver” weiter verfestigt.
“Zugaben sind beschissen, hier sind unsere letzten beiden Songs. Gebt nochmal alles”, quittiert Cox, bevor er mit “Passenger” und “Foxglove” den Abend nach rund 70 Minuten beenden will. Und tatsächlich, ein kurzes “Tschüss” später, verlässt die Band nach den beiden Songs die Bühne. Zurück bleiben durchweg zufriedene Gesichter – zumindest bis zum Anblick der Garderobenschlange, die sich einmal halb um den Außenbereich der Essigfabrik spannt. Hätten sie mal ein Thermoshirt angezogen.