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Alice in Chains – »Alice in Chains«

Als Alice In Chains 1995 ihr selbstbetiteltes Album veröffentlichten – oft als “Tripod” bezeichnet – befindet sich die Band in einer Phase des langsamen Zerfalls. Layne Staley, einst eine charismatische und kraftvolle Stimme des Grunge, zieht sich zunehmend aus der Öffentlichkeit zurück. Sein Drogenkonsum isoliert ihn von seinen Bandkollegen, die Studioaufnahmen werden zur Zerreißprobe, und das Album entsteht unter massiver Anspannung untereinander. Der Sound von “Tripod” spiegelt diese düstere Stimmung wider: schwere, dröhnende Gitarrenriffs, verzerrte Bässe und Staleys gebrochene, klagende Stimme zeichnen ein Bild der Erschöpfung und Selbstzerstörung.

Auf dem Cover des Albums dominiert ein dreibeiniger Hund, fotografiert von Rocky Schenck. Die grobkörnige, mit einem starken Gelbstich versehene Aufnahme verstärkt den Eindruck von Härte und Unmittelbarkeit. Ursprünglich entstehen mehrere Fotos des Hundes – einige inszeniert, andere in verschiedenen Umgebungen –, doch Layne Staley und Jerry Cantrell entscheiden sich bewusst für eine Version, die Schenck als Vorschau via Fax sendet: rau, verzerrt und fern jeder ästhetischen Verfeinerung. Diese Wahl erinnert an die DIY-Ästhetik von Punk-Fanzines, die mit einfachen Mitteln, aber viel Ausdruckskraft produziert werden. Das Cover wirkt dadurch nicht wie eine sorgfältig komponierte Fotografie, sondern wie ein Fragment aus einer düsteren, verstörenden Realität.

Die versehrte Existenz steht im Zentrum des Albums. Songs wie “God Am” greifen das Gefühl auf, in einer Welt voller Leid zu leben und keine Antworten zu bekommen. Staley fragt darin: “Dear God, how have you been then? I’m not fine, fuck pretending”. Die Zeilen klingen wie ein resigniertes Gespräch mit einer höheren Macht, die untätig zusieht, während Schmerz und Grausamkeit geschehen. Der dreibeinige Hund auf dem Cover könnte genau das verkörpern: ein stiller Zeuge von etwas, das nicht rückgängig gemacht werden kann. “Frogs” ist ein anderes Beispiel, ein düsterer, hypnotischer Song, in dem Staleys Stimme zwischen Gleichgültigkeit und tiefer Melancholie schwankt. Die Zeile “Fate, date – Expiration date” steht emblematisch für das gesamte Album und das baldige Ausscheiden von Staley aus der Band.

Ein Blick in die Kunstgeschichte zeigt Parallelen zu den Arbeiten von Artur Żmijewski. Seine Videoarbeit “Realism” (2017) zeigt Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen in alltäglichen Handlungen – beim Anziehen, beim Sport. Doch die grobkörnige Schwarz-Weiß-Ästhetik verleiht den Bildern eine ungeschönte Direktheit, die an das Cover von “Tripod” erinnert. Der Fokus liegt auf dem Fehlen – die Abwesenheit eines Körperteils wird nicht kaschiert, sondern zum zentralen Blickfang. In beiden Fällen geht es nicht um Mitleid, sondern um eine stille Beobachtung von Körpern, die sich an veränderte Bedingungen angepasst haben.

 

Der Neurowissenschaftler Robert Sapolsky denkt in einer seiner bekannt gewordenen Vorlesungen über medialisiertes Leid und die Empathiefähigkeit des Menschen nach. Er thematisiert, wie stark wir auf Bilder von verletzten Tieren reagieren. Auch wenn es sich nur um eine fotografische Darstellung handelt, spüren wir fast körperlich den Schmerz des Tieres – eine Form von Phantomschmerz, der sich auf den Betrachtenden überträgt. Das Cover von “Tripod” spielt genau mit dieser Reaktion: Es zwingt uns, den Mangel zu sehen, ihn zu fühlen und uns mit dem Unbehagen auseinanderzusetzen, das er auslöst.

Man könnte den dreibeinigen Hund als ein Symbol für Alice In Chains selbst verstehen. Gezeichnet von exzessivem Drogenkonsum, zerbrochenen Beziehungen und einer düsteren Selbstwahrnehmung, bewegt sich die Band 1995 auf einem schmalen Grat zwischen Überleben und Zusammenbruch. Sie funktionieren noch – aber es fehlt etwas, das nicht mehr zurückzuholen ist. Das Cover von “Tripod” bleibt eines der eindringlichsten Albumcover der 90er, weil es diese emotionale und körperliche Versehrtheit so unmittelbar transportiert. Es ist nicht dramatisch inszeniert, nicht überästhetisiert, sondern schlicht, roh und auf eine beunruhigende Weise real. So wie das Album selbst hinterlässt es ein Gefühl von Schwere – und eine Spur von Phantomschmerz, die noch lange nachwirkt.

Zweiwöchiges Koma nach Hirnblutung

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Dave Kings Ehefrau und Violinistin bei Flogging Molly, Bridget Regan, teilt ein Update zum Gesundheitszustand ihres Ehemanns und Bandkollegen: Am 24. Januar hat King demnach eine lebensbedrohliche Hirnblutung erlitten, musste sich daraufhin zwei Operationen unterziehen und wurde in ein zweiwöchiges Koma versetzt: “Am 28. Februar wurde er erneut operiert, und ich bin jetzt zuversichtlich, dass wir die Sache überstanden haben”, so Regan weiter.

Sämtliche Pläne von Flogging Molly auf Eis

Trotz allem scheint King positiv auf die Zukunft zu schauen: “Er tritt jetzt in die nächste Phase seiner Genesung ein und wünscht sich nichts sehnlicher, als wieder Musik zu machen. Der Weg, der vor uns liegt, ist ungewiss, aber wir werden – wie immer – die Dinge beim Schopf packen und hoffen, euch alle in naher Zukunft zu sehen”, schließt Regan ihr Statement zu der Zukunft der Band.

 

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Anfang Februar hatten Flogging Molly jegliche Tourpläne abgesagt und auf eine damals nicht näher definierte Erkrankung von King hingewiesen. Von der Konzertabsage sind auch einige Auftritte in Deutschland betroffen: Etwa bei den Zwillingsfestivals Hurricane und Southside sowie beim Ruhrpott Rodeo sollten Flogging Molly eigentlich spielen.

Die Taufe der Rockgötter

Es gab schon ein paar Versuche, die superlative Rock-Band Led Zeppelin in Filmform zu dokumentieren. 1976 etwa der vergeigte, schon bei Veröffentlichung angestaubte und vor allem ziemlich öde Konzertfilm “The Song Remains The Same”. Die über fünfstündige DVD-Box von 2003 hatte sich zudem daran gemacht, Led Zeppelin als Live-Band aus diversen Perspektiven und Jahren zu konzertieren. Oder die vierteilige, vierstündige Miniserie “In The Light” von 2008 sowie die zu kurze, inoffizielle Doku “Making Of A Supergroup” aus dem gleichen Jahr. “Becoming Led Zeppelin” ist jetzt endlich das wahre Ding. Zwei Stunden, die anhand von Archivmaterial, Fotos, Live-Aufnahmen und aktuellen Interviews mit Robert Plant, Jimmy Page und John Paul Jones vom Zeitraum erzählen, in dem die jungen Männer von Amateur- zu Session-Musikern und dann zu Superstars wurden, um nach dem Debütalbum von 1968 mit “II” 1969 ein Ausrufezeichen zu pflanzen. Es ist noch die Zeit, die weitgehend ohne Skandale auskommt.

Die Machart von “Becoming Led Zeppelin” ist denkbar konventionell. Stimmen und Musik aus dem Off über zeitgenössisches Foto- und Filmmaterial vom Nachkriegsengland über Präsident Nixon und Bürgerbewegungen bis zur Mondlandung. Trotzdem gelingt es Regisseur Bernhard MacMahon (gerühmt für sein Debüt “American Epic”, 2017, über die US-Roots-Music) herauszuarbeiten, was Led Zeppelin so besonders gemacht hat: vier musikalisch breit aufgestellte Typen, von denen zwei bereits allerhand Studioerfahrung hatten und einer – Page – eine große Vision verfolgte, die er Dank des Talents seiner Mitstreiter umsetzen konnte. Gut aufgelegt und mit wachem Geist erzählen die drei überlebenden, in Würde gealterten Musiker von damals. Leider nur separat. Eine Zusammenführung von Page, Plant und Jones wäre ein echtes Highlight gewesen.

Ausführlich ist die immer wieder erstaunliche, krasse, abgründige, inspirierende, revolutionäre Geschichte der Band längst in Mick Walls Biografie “When Giants Walked The Earth” festgehalten worden, oder eben der inoffiziellen Aufarbeitung “Hammer Of The Gods” von Stephen Davis von 1985. Hier gibt es bewegte Bilder und laute Töne dazu. Aufbereitet ist der Film nämlich auch fürs das IMAX-Format. Die ausführlichen Live-Szenen in voller Lautstärke auf der extragroßen Leinwand fangen das Dokument vergangener Zeiten am besten ein. Die größte Kostbarkeit von “Becoming Led Zeppelin” ist jedoch ein bisher unveröffentlichtes Interview mit Schlagzeuger John Bonham, der freundlich aus dem Off erzählt. Es ist auch so kostbar, weil Bonham (gestorben 1980) fast nie Interviews gegeben hat. Allein das sorgt für Gänsehaut. Die, der guten Art.

9 / 12

Assoziatives Kopfkino

Nachdem Turbostaat im Januar 2024 gleich zwei ausverkaufte Konzerte im Wiesbadener Kesselhaus gespielt haben, sind die Husumer diesmal im größeren Schlachthof. Und das ganz und gar unprätentiös: Frontmann Jan Windmeier klärt zunächst darüber auf, dass man das im Januar erschienene achte Album “Alter Zorn” zunächst in voller Länge darbieten möchte, ehe man mit einigen älteren Songs in der Erinnerungskiste wühlen wird.

Turbostaat, Schlachthof Wiesbaden (Foto: Quentin Appleby)
Unprätentiös und eng beieinander: Turbostaat im Schlachthof Wiesbaden (Foto: Quentin Appleby)

Gesagt, getan: Mit “Affenstrasse” starten Turbostaat eine 45-minütige Reise, auf der sie mit herausragender Selbstsicherheit immer wieder das Tempo ändern und harte Momente mit melodischen Passagen konterkarieren. “Scheissauge” sorgt an dritter Stelle mit einem kleinen Singalong des Publikums für den ersten eingängigen Moment, und auch wenn Windmeier den gesungenen Refrain von “Isolationen” nicht ganz meistert, ist der karge Post-Punk ein klares Highlight unter den zwölf neuen, allesamt fantastischen Songs.

Nach der Hälfte von “Alter Zorn” sagt Windmeier an, dass man nun die Schallplatte umdrehen und mit der B-Seite fortfahren wird. Es sind lockere Momente wie diese, die zeigen, dass Turbostaat nach mittlerweile 26 Jahren Bandgeschichte ihren Platz in der Musiklandschaft gefunden und sich eine treue Fangemeinde erspielt haben, die sich an einem Samstagabend eine Dreiviertelstunde gerne geduldet, bevor die geliebten älteren Songs auf sie losgelassen werden.

Turbostaat, Schlachthof Wiesbaden (Foto: Quentin Appleby)
Konzentriert: Turbostaat-Texter Marten Ebsen (Foto: Quentin Appleby)

Die zweite Hälfte von “Alter Zorn” bietet mit “33 Tage” und “Den annern sin Uhl” weitere Highlights, ehe “Jedermannsend” die erste Konzerthälfte scheppernd beendet. Während in diesem ersten Teil die Musik und die metaphorischen Zeilen assoziatives Kopfkino auslösen, sorgt das nun aufgetaute Publikum dafür, dass bei den folgenden elf Songs die teils gedrückte Stimmung steigt. “Alles bleibt konfus” und “Harm Rochel” werden frenetisch gefeiert, während letzterem und “Vormann Leiss” fliegen einzelne Bierbecher umher und “Sohnemann Heinz” sorgt für einen einzelnen Crowdsurfer.

Den lautesten Moment gibt es dagegen wie gewohnt am Ende von “Insel” mit seinem “Husum, verdammt!”-Ausbrecher. Dass die Musik heute so kraftvoll klingt, liegt auch am hervorragenden Sound, der den Gesang in den Fokus stellt, aber auch immer wieder instrumentale Passagen hervorhebt. Das minimalistische und nur aus ein paar Verstärkern, einem Backdrop sowie ein paar Lampen bestehende Bühnenbild und die Lichtshow ordnen sich passend der Musik unter.

Turbostaat, Schlachthof Wiesbaden (Foto: Quentin Appleby)
Ist das da “Alter Zorn” im Gesicht von Jan Windmeier (Foto: Quentin Appleby)

Das gilt auch für die Bühnenbesetzung von Turbostaat. Die fünf Mitglieder musizieren eng beieinander, viele Interaktionen untereinander verdeutlichen den kollektiven Zusammenhalt. Der “Alles ist besser als der Tod”-Ausbruch in “Ruperts Grün” dürfte sich auch drei Jahre, nachdem die Band aufgrund eines Herzinfarkts mehrere Konzerte absagen musste, noch extrem kathartisch für das Quintett anzufühlen. Gute Typen, die mit ihrer dunkelgraue Bilder malenden Musik der Zerrissenheit und Unsicherheit dieser momentan so komplizierten Welt etwas entgegensetzen.

Musik für Millennials

Als Bloc Party im Frühjahr 2005 gleich mit ihrem Debütalbum auf Platz 3 der UK-Charts landen, bekommt das auch ein gewisser Liam Gallagher mit. Der Oasis-Sänger ist da schon seit mindestens zehn Jahren bekannt dafür, seine unbestechliche Meinung über die unterschiedlichsten Kollegen kundzutun, am liebsten ungefragt. Wer einen gewissen Erfolg hat, dem wird diese Ehre automatisch zuteil, und wer gerne fantasievolle Beleidigungen liest, kommt dabei meistens auf seine Kosten. “Die Leute fragen mich: Sind sie die neuen Oasis? Die neuen Blur? Oder das nächste große Ding?”, sagt Gallagher, nur um dann sein wohlüberlegtes Urteil nachzuschieben: “I couldn’t give a fuck, I don’t like them.” Einen Grund dafür führt er dankenswerter Weise auch noch an. Bloc Party würde ihn an eine “Band aus ‘University Challenge'” erinnern, der langlebigen englischen Quizshow, in der man Wissen und Allgemeinbildung unter Beweis stellt, indem man knifflige Fragen aus einer ganzen Reihe unterschiedlicher Bereiche beantwortet. Die Bemerkung impliziert natürlich, dass Bloc Party zu hirnig für Rockmusik sind, eine habituell anti-intellektuelle Auffassung, die obendrein auf Schulhofniveau daherkommt.

Aber Schulhofniveau kann Kele Okereke auch, also gallaghert er zurück. “Ja, schon witzig der Spruch”, lässt der Bloc-Party-Sänger ausrichten. “Er wäre vermutlich noch witziger, wenn er ihn nicht vor ein paar Jahren schon wörtlich so gebracht hätte, um Travis zu beschreiben. Was nebenbei wohl ziemlich viel über den Zustand seines Gehirns aussagt.” Oasis sei für ihn “die Band, die Dummheit modisch gemacht hat”, meint Okereke, und ihr Beharren auf der eigenen Blödheit, nun ja, blöd. “Die Vorstellung, dass die eigenen Ambitionen nicht weiter zu reichen haben als bis zu Fußball und Bier, irritiert mich”, sagt er. “Das ist so, als könnte man nur dann ein authentisches Mitglied der Arbeiterklasse sein, wenn man möglichst unbeleckt von den hochtraben den Anwandlungen von Bildung bleibt. Eine Idee, die es anscheinend auch nur in diesem Land gibt.”

Von Oasis kommt danach nicht mehr viel, aber als die Band ein paar Jahre später nach einem eskalierten Backstage-Bruderzwist kurzfristig einen Festivalauftritt absagt, stellt sich Okereke genüsslich auf die Hauptbühne. “Tja, ich schätze, jetzt sind wir die Headliner”, grinst er und spielt ironisch die ersten Akkorde von “Supersonic” an. “Und ich widme diesen Song all denjenigen, die diese Inzest-Zwillinge ernsthaft sehen wollten.”

Das Puzzle komplettieren

Diese schöne Anekdote zeigt nicht nur, dass es manchmal befreiend sein kann, professionellen Großmäulern Paroli zu bieten, sie verrät auch einiges über die angesagte Newcomer-Band, die da plötzlich (außer im Hause Gallagher) überall gefeiert wird. Okereke ist durchaus Mitglied der Arbeiterschicht und kann als Kind nigerianischer Einwanderereltern in Liverpool sicherlich nicht auf Anhieb bei “University Challenge” kandidieren. Auf die Uni geht er trotzdem, und zwar um Englische Literatur zu studieren, vermutlich, weil die Seminare zu “Fußball und Bier” schon alle belegt waren. Dass er mit seinem Freund Russell Lissack nebenbei eine Band gegründet hat, verrät Okereke seinen Eltern nicht, aus Angst, sie könnten sich um seine Karriere sorgen. Eine komplette Bandbesetzung haben die beiden gerade einmal 18-jährigen Gitarristen noch nicht, dafür aber schon einen Bandnamen, der sich hören lassen kann. Bloc Party – ein Wortspiel, das sich augenzwinkernd und lustig und gleichzeitig entfernt bedrohlich anhört, so als käme demnächst der Schwarze Block in Mannschaftsstärke zu deinem Nachbarschaftstreffen. Okereke und Lissack brauchen vier Jahre, mehrere Zeitungsannoncen und etliche Vorspiel-Termine, um die zwei fehlenden Puzzlestücke zu finden, jene Rhythmusgruppe, die ihren typischen Sound später so perfekt in Position bringen wird.

Anfang 2004 merken Okereke & Co., dass die Zeit reif ist für sie. Die schottischen Newcomer Franz Ferdinand haben soeben ihr Debütalbum veröffentlicht, das in den Charts ganz oben steht und Presse und Publikum gleichermaßen begeistert. Insbesondere die Single “Take Me Out” wird gelobt, vereint sie doch klassischen Indierock mit einer unerhörten Tanzbarkeit, die das ganze Genre wieder ein wenig aus der Ecke herausholt, in die Strokes und Libertines es hereingemalt haben. Sogenannte The-Bands schießen aus dem Boden, allein 2004 bringt neben den Debüts von The Vines, The Datsuns, The Futureheads und The Zutons auch die erste LP von TV On The Radio, die einen ganz ähnlichen musikalischen Weg wie Bloc Party verfolgen. Ein Album, das damals in aller Munde ist, ist “Entertainment!” von Gang Of Four, ursprünglich 1979 erschienen und mit einem Mal der Namedropping-Evergreen schlechthin. Halb Post-Punk-Injektion, halb politisches Pamphlet, hat auch diese Platte zumindest stellenweise die gefragte Tanzbarkeit, die gleichzeitig eine Absage an die rockistischen Tendenzen der jungen Männer in den engen Hosen ist, die damals die Charts bevölkern. Bloc Party wollen um jeden Preis modern sein, und sie wissen auch, wie das geht.

Die meisten Bands, sagt Okereke, machen erst einmal ein Album wie aus einem Guss, das eine Duftmarke setzt und einen Stil etabliert. Auf späteren Veröffentlichungen kämen dann die berühmt-berüchtigten Experimente dazu, mit denen man seine Produktpalette erweitern und dabei herausfinden möchte, wie abenteuerlustig die eigenen Fans in Wirklichkeit sind. Seine Band will es genau umgekehrt machen und viele möglichst disparate Stile auf einem Album vereinen, das in alle Himmelsrichtungen davonsprengt, so wie eine Fasanenfamilie auf dem Feld, wenn der Mähdrescher kommt. Berührungsängste soll es keine geben, Okereke, inzwischen in London wohnhaft, gehört zu einer Generation junger Musiker, die sich nicht nur im Rockschuppen herumtreibt, sondern auch im Technoclub, und schon durch seine eigene Herkunft dazu bereit ist, “Stile miteinander zu vermischen, die sich angeblich nicht vermischen lassen.” Der schüchterne Sänger, der abseits der Bühne zu einem Stottern neigt, behauptet, das Gang-Of-Four-Album nie gehört zu haben, trifft aber den Zeitgeschmack schon mit den ersten Bloc-Party-Aufnahmen so gut, dass ein kleiner Hype um sie entsteht. Den die Band hervorragend zu kultivieren weiß.

Alles für den Rhythmus

“Ich bin gar nicht sicher, was unseren Sound beeinflusst – ob es die Musik ist, die wir hören, die Filme, die wir sehen, oder die Bücher, die wir lesen”, sagt Okereke. “Wir würden niemals auf die Idee kommen, einen unserer Songs dem Stil einer anderen Band anzupassen. Viele der Bands, die mir sehr viel bedeuten, haben mich nicht einmal auf die Idee gebracht, überhaupt Musik zu machen.” Privat hört der Sänger vor allem Klassiker wie Pixies, The Jam und The Smiths, beim nächtlichen Clubben saugt er aber auch Dance- und Electro-Einflüsse auf. Vor allem den Bass und die Beats. “Das, was ich in den vergangenen drei Jahren auf den Dancefloors gehört habe, war durchaus inspirierend”, sagt er kurz vor der Veröffentlichung von “Silent Alarm”. “Maschinelle Beats finde ich sehr aufregend. Wenn mir Elemente oder Rhythmen gefallen, beschreibe ich sie Matt, der sich dann bemüht, sie umzusetzen.” Matt ist Matt Tong, der Mann am Schlagzeug und so etwas wie die nicht ganz so geheime Geheimwaffe der Band. Nicht nur, weil er ihren Livesound – und Bloc Party nehmen auch im Studio gerne live auf – so hervorragend in Szene setzt. “Das Schlagzeug ist ein merkwürdiges Instrument”, sagt er. “Man ist damit zwar ein wichtiges Mitglied der Band, gleichzeitig kann man bei Jams keinerlei melodischen Input beisteuern. Aber dessen muss man sich bewusst sein, wenn man dieses Instrument erlernt. Es ist eben nicht immer einfach, der Herzschlag einer Band zu sein.”

Auch deswegen komponieren Bloc Party ihre Songs quasi rückwärts. Tong wird aufgefordert, sich einen Beat im höheren Tempobereich auszudenken, über den der Rest der Band dann improvisiert. Mit dem Ergebnis, dass praktisch alle Instrumente wie Rhythmusinstrumente klingen, inklusive Okerekes zackig intonierender Stimme. Das Ergebnis klingt tatsächlich ein bisschen wie Franz Ferdinand, und deren Mitglieder sind es dann auch, denen Okereke ein Demo-Tape in die Hand drückt mit der Bitte um Weiterleitung bei Gefallen. Auf diese Art werden übrigens nach wie vor die besten Plattendeals eingefädelt, und Bloc Party haben sofort Glück. BBC-DJ Steve Lamacq spielt ihre Songs, fünf Singles werden noch 2004 auf diversen kleinen Labels in den USA und in Großbritannien veröffentlicht. Besonders die Stücke “Banquet” und “She’s Hearing Voices” lassen aufhorchen und wecken auch das Interesse der Majors. Stattdessen unterschreiben Bloc Party beim Londoner Indie Wichita; die Band geht ganz selbstbewusst davon aus, sich hier mehr künstlerische Freiheiten herausnehmen zu dürfen als bei der Konkurrenz von Parlophone.

Vor den Erfolg hat die Plattenfirma aber den Musikproduzenten gesetzt. Dabei handelt es sich um einen Newcomer namens Phil Epworth, der bisher vor allem als Remixer unter seinem Pseudonym Phones in Erscheinung getreten ist. Epworth hat sehr genaue und sehr arbeitsintensive Vorstellungen, wenn es darum geht, die Musik von Bloc Party ins rechte Licht zu rücken. Obwohl die Band die meisten ihrer Songs schon geschrieben hat, ermutigt er sie, sie alle in möglichst kompakten Live-im-Studio-Fassungen neu zu lernen. 22 Tage in einem Kopenhagener Aufnahmestudio werden dafür fällig, durchaus eine lange Zeit für ein Debütalbum, aber auch ein Einsatz, der sich lohnt. Als “Silent Alarm” erscheint, klingt die Platte tatsächlich so wie die nicht für möglich gehaltene Mischung unterschiedlichster Stile, aber so knackig und dringlich wie ein Alarmwecker, der alles andere als still gestellt ist. Im NME wird das Album später zur Platte des Jahres erkoren, und auch für Epworth geht es beruflich aufwärts – seine nächsten Kunden haben bereits so klangvolle Namen wie Maximo Park, Coldplay, Adele und Paul McCartney.

Britney muss warten

Und wovon handelt “Silent Alarm” nun? Neben dem frischen Klang lobt die Presse auch Okerekes Steno-Texte, die “poetisch, abstrakt und mehrdeutig” genannt werden. Der Sänger beteuert, keine spezifischen Aussagen treffen zu wollen, schon gar keine politischen. “Ich singe höchstens indirekt über Politik”, sagt er. “Es geht mir eher um die Person, um das Leben, das unter der politischen Situation zu leiden hat. In “Price Of Gasoline” geht es zum Beispiel ganz banal darum, dass der steigende Benzinpreis die Lebensqualität senkt. Predigen mag ich nicht, denn das gehört nicht in die Popmusik.”

Die Hörer und Hörerinnen sehen das interessanterweise ganz anders. Für sie haben Bloc-Party-Songs eine ominöse Aktualität, etwa wenn der angesprochene Benzinpreis mit dem Irakkrieg in Verbindung gebracht wird. Auch Okerekes Einlassungen über die Liebe in Zeiten der Selbstoptimierung wirken auf das Publikum genauso wissend. Und zeitgemäß wie die Musik. Mit anderen Worten: anders als Oasis. Mit denen zofft sich der Sänger auch deshalb, weil er Bloc Party eben nicht für eine Bande abgehobener Eierköpfe hält, die Musik für irgendwelche Eliten macht. “Wir sind eine Popband”, sagt er stattdessen. “Was wir machen, ist Popmusik, geschaffen von Musikern, die etwas Interessantes kreieren wollen. Wir sind nicht Post-Hardcore, Post-Rock, New Wave oder was auch immer. Wir sind interessante Typen, die eine Popband bilden. Ich könnte mir sogar vorstellen, Songs für Britney Spears zu schreiben.” Man muss es dann aber auch nicht übertreiben.

Line-up komplett

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Am ersten Augustwochenende findet in der kleine Gemeinde Beelen im Münsterland zum mittlerweile 30. Mal das Krach am Bach Festival statt. Das Line-up der Jubiläumsausgabe wird angeführt von den Psych-Garage-Maniacs Osees um John Dwyer. Die Szene-Lieblinge sind für ihre energetischen Live-Auftritte bekannt und haben im Sommer letzten Jahres ihr 29. Studioalbum veröffentlicht. Mit von der Partie ist außerdem die Sludge-Metal-Band Kylesa, die nach acht Jahren Pause mit neuer Besetzung zurückkehrt.

 

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Underground-Sound, dröhnenden Gitarren, pulsierender Energie und familiärer Zusammenhalt machen das Festival seit über drei Jahrzehnten aus: Organisiert und durchgeführt wird Krach am Bach von einem lokalen Verein und ehrenamtlichen Helfer:innen – die Gewinne werden an wohltätige Organisationen gestiftet.

Die Spielzeiten werden noch bekanntgegeben, Tickets für die 30. Ausgabe am 1. und 2. August sind hier erhältlich.

So sieht das komplette Line-up aus:

Osees KylesaGod Is An AstronautElephant TreeRezn The Warlocks – The Cosmic Dead – KhanFull EarthGaupa  – Deathchant – High Desert Queen – Tō Yō – Kalamata – Desert Smoke – Mojo & The Kitchen Brothers – Feedy – Oakfarm – Planisphere

Jim Morrison lebt?

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Der The Doors-Frontmann Jim Morrison wurde am 3. Juli 1971 in seinem Pariser Apartment von seiner Freundin Pamela Courson tot aufgefunden – was ihm einen Platz im Club 27 bescherte. Der offizielle Grund für seinen Tod ist Herzversagen, doch damit geben sich nicht alle zufrieden. Auch über 50 Jahre nach seinem Tod ist der Mythos nicht abgeflacht: Letztes Jahr erwarben The Libertines beispielsweise die Badewanne, in der er damals aufgefunden wurde, für ihr Hotel in Margate – und eine Reihe Verschwörungstheorien über sein verfrühtes Ableben halten sich nach wie vor hartnäckig.

Die Mystery-Doku “Before the End” versucht auszuloten, ob Morrison seinen Tod damals nur vortäuschte, um seiner wachsenden Bekanntheit und dem Druck, der mit seinem Leben als Rockstar einherging, zu entkommen.

Der Doors-Superfan Jeff Finn geht in drei Episoden einer Verschwörungstheorie nach, die besagt, dass Morrison seinen Tod tatsächlich vortäuschte und jetzt unter dem Namen “Frank X” in Syracuse, New York lebt. Als Beweise für diese Theorie werden eine gewisse äußere Ähnlichkeit zwischen besagtem Frank X und Morrison angeführt, außerdem soll er in der Vergangenheit mit The-Doors-Schlagzeuger John Densmore fotografiert worden sein. Die beiden Männer sollen zudem Interessen teilen, unter anderem die Werke des französischen Dichters Charles Baudelaire. Ein Grund für das nach wie vor bestehende Interesse an seinem Tod ist die fehlende Autopsie: Das französische Gesetz sieht diese nur im Verdacht auf widrige Todesumstände vor, die in Morrisons Fall nicht vorlagen.

Infos über das kuriose Projekt und Streamingoptionen gibt es hier.

Auszeit für Schlagzeuger Frank Beard

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ZZ Top haben gestern eine gesundheitlich bedingte Auszeit ihres Schlagzeugers Frank Beard auf Instagram bekannt gegeben. Dieser wird die zweite Hälfte der laufenden US_ nicht mitspielen. Er wird stattdessen von John Douglas vertreten, der in der Vergangenheit (2002 in Paris) schon mal für Beard eingesprungen war, als dieser sich einer dringenden Blinddarm-OP unterziehen musste. In dem Statement der Blues-Rock-Band heißt es außerdem, dass Douglas ihnen als langjähriger Techniker, Perkussionist und Schlagzeuger in der Zwischenzeit weiterhin nahe gestanden habe. Genauere Informationen zur Erkrankung des 75-jährigen Beard gibt es nicht. „Wir wünschen ihm eine schnelle Genesung“, heißt es im Statement nur.

 

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ZZ Top hatten die Tour bereits 2023 mit einigen Daten in Europa begonnen. Danach folgten einige Termine in den USA. Für den Sommer ist noch eine Etappe in Canada und Australien geplant. Die Band hatte vor ein paar Jahren ihren Bassisten Dusty Hill mit 72 Jahren verloren. Seitdem ist Elwood Francis fester Bestandteil der Besetzung. Aktuell ist Billy F Gibbons somit das einzige aktive Gründungsmitglied der Band.

Neue Doku angekündigt

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Neben einem üppigen Buch zum 50-jährigen Jubiläum kündigen Iron Maiden nun auch einen offiziellen Dokumentarfilm über die Geschichte der britischen Metal-Band an. Darin enthalten soll laut Pressemitteilung auch das letzte Interview mit dem 2024 verstorbenen Originalsänger Paul Di’Anno sein – sowie exklusive Interviews mit ehemaligen und aktuellen Bandmitgliedern, einigen Superfans und namhaften Stimmen aus der Film- und Musikwelt wie Javier Bardem Bardem, Lars Ulrich und Gene Simmons. Der Fokus liegt wohl auf dem Einfluss von Iron Maiden und der Verbindung zwischen der Band und ihrer weltweiten Fangemeinde.

Ein Kinostart ist noch nicht bestätigt, Rechteinhaber Universal nannte Herbst 2025 allerdings bereits als Veröffentlichungszeitraum. Regie führt der Brite Malcolm Venville (“44 Inch Chest”, “Henry’s Crime”) und als Produzent hält Dominic Freeman her, der bereits den Live-Film “Spirits In The Forest – A Depeche Mode Film” produziert hat.

Zur Ankündigung sagte Bandmanager Rod Smallwood: „Wir sind stolz darauf, dass die Universal Pictures Content Group die einzigartige Geschichte von Iron Maiden mit der Welt teilt. Wir haben ihnen uneingeschränkten Zugang zur Band, unseren Fans und Musikerkollegen gegeben. Wir vertrauen nicht nur darauf, dass sie Musikfans begeistern wird, sondern auch jeden, der die Geschichte eines Außenseiters, der es geschafft hat, einer der größten britischen Musikexporte zu werden und zu bleiben seit der Veröffentlichung unserer ersten Platte vor 45 Jahren.“

Buch zum Jubiläum von Iron Maiden

Vergangenen Montag hatten Iron Maiden bereits zu ihrem Bandjubiläum das Buch “Iron Maiden: Infinite Dreams – The Official Visual History” angekündigt. Es soll mit einem Fotoarchiv und Storys der Mitglieder spannende Einblicke geben und das Vermächtnis der Band feiern. Bassist Steve Harris sagte zum Bildband: “Ich bin positiv davon überrascht, wie viele neue Dinge ich für dieses Buch ausgraben konnte”, so das Gründungsmitglied. “Mir war klar, dass ich vieles aus der Maiden-Anfangszeit behalten habe. Dass sie aber alle noch so gut erhalten sind und sie durch das Fotografieren wieder zum Leben erweckt wurden, überraschte mich dennoch. Ich hoffe, dass unsere Fans es lieben werden, all die präsentierten Sachen anzugucken! Zu Ehren unseres 50. Jubiläums ist die Veröffentlichung dieses Jahr der richtige Zeitpunkt.”

“Iron Maiden: Infinite Dreams – The Official Visual History” erscheint am 24. September via Penguin Random House.

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