Als ein kluger Kopf einst das Stimmgerät erfand, hatte er wohl kaum Klanghasardeure wie Délirant im Sinn, denn dann hätte er sich die ganze Arbeit sparen können. Einmal quer durch den Quintenzirkel geht’s auf “Thoughteater” (Sentient Ruin, 14.02.), dem zweiten Album der Spanier, nur eben im dunklen Keller und mit der Nagelkeule im Anschlag. Wer sich hier auch nur den Ansatz einer bekömmlichen Harmonie erhofft, wird sich bereits nach fünf Takten weinend unter der Blut-aus-Nord-Bettwäsche einkringeln. Dabei gelingt der Band eine fast schon absurde Eingängigkeit und bereits nach dem zweiten Hören hat sich das kaputte Gezerre eingeprägt. Wobei die Betonung klar auf “kaputt” liegt.
Google Maps: Bitte einmal alles updaten. Galten bislang Frankreich und Island als die Hochburgen der Dissonanz, steht die schwärzeste Zahnschmerzzitadelle nunmehr unter der Sonne Alicantes. Nur unwesentlich anschmiegsamer gesonnen, beziehen Cross Bringer gleich nebenan die Ferienwohnung, legen bei allem zerspanten Missklang jedoch auch Wert auf straff voranmarschierende Blastbeats. Gegründet in Sankt Petersburg, mittlerweile allerdings versprengt über alle möglichen Flecken Erde von Russland und die USA bis Belgien und Zypern, meuchelt die musikalische Globalterrorzelle auf “Healismus Aeternus” (Consouling Sounds, 21.02.) einfach mal alles an Schönheit weg und ersetzt jeglichen Wohlklang durch musikgewordene Erdrutsche. Angeführt werden sie von Sängerin Lina R., die hier noch intensiver als bei ihrer zweiten Band Predatory Void dem Bluthusten ein Denkmal setzt. Immer wieder überraschend balsamieren wohldosierte Post-Metal-Passagen die geschundene Seele und prädestinieren Cross Bringer eigentlich für eine Karriere auf einem Boutique-Label wie Pelagic.
Wer live neben Terror, Knocked Loose und Wiegedood bestehen kann, den heitert kein Katzen-Meme der Welt auf. Zum Glück, denn der flammende Zorn, mit dem die Briten Grief Ritual auf ihrem Debüt “Collapse” (Church Road, 31.01.) alles in schartige Form gießen, was die Welt zum Monsterhort macht, sucht seinesgleichen. Zwischen schmucklosem Black Metal und allein auf Prügel fixiertem Hardcore gibt es elfmal die Komaschelle mittenrein. Das Schlimme/Tolle/Schlimme daran: Es stellt sich noch nicht einmal ein kathartisches Moment ein, man will nur immer mehr von diesem Bollo-Spukschloss.
Fast schon gewöhnlich mutet in dieser monatlichen Auslese der Hässlichkeit hingegen der Death Metal von Vacuous an. Kleiner Scherz. Denn wie die Wutklumpen der Mitanbieter strotzt auch “In His Blood” (Relapse, 28.02.), das zweite Album der Londoner, vor Widerhaken, geschmackvoll neben der Spur hackenden Gitarren und verwirrenden Zwölffingerdarmakkorden. Kein Wunder, wenn man sich vornimmt wie etwa in Form von “Hunger”, Musik zu erschaffen, die klingen soll, als würden The Cure einen Death-Metal-Song schreiben. Was sich entsetzlich lesen mag, aber blendend funktioniert mit einer Mischung aus Moder und gestenreichem Gothic-Grusel. Dabei bleiben Vacuous immer Punk und driften nie ab ins Poetengehuber. Unbedingt notieren!
Wie auch Abduction, ebenfalls aus Großbritannien, die alle Facetten dieses Durchgangs auf “Existentialismus” (Candlelight, 21.02.) zu einem hymnischen, rasenden und nahezu klassischen Black-Metal-Entwurf zusammenführen und wie in “Pyramidia Liberi” nebenbei einige Riffs für die Ewigkeit erschaffen. Da kann man auch über einen prätentiösen Songtitel wie “Blau ist die Farbe der Ewigkeit” hinwegsehen. Vor allem, wenn sich dahinter ein solches Epos verbirgt. Das aber gar nichts ist gegen den so rockenden wie beklommen und tollwütig zugleich machenden, nicht enden wollenden Abschlusstrack “Vomiting At Baalbek”.