Das vom 3. bis 6. Juli stattfindende Bear Stone Festival in Slunj bietet auch dieses Jahr wieder einen Trip in die kroatische Märchenwald-Idylle. Für Fans von Stoner Rock, Psychedelic Rock und Doom Metal ist auch im Line-up für das kommende Jahr wieder einiges dabei. Das Heavy-Rock-Festival konzentriert sich auch dieses Mal wieder vermehrt auf die Einbindung progressiver Sub-Genres und einer Verschmelzung von Neo-Psychedelia mit Acid Rock.
Die ersten 17 Acts versprechen einen vielfältigen Mix aus aller Herren Länder. Mit dabei sind unter anderem Graveyard aus Schweden, King Buffalo aus den USA, Motorpsycho aus Norwegen und The Vintage Caravan aus Island.
Das Bear Stone Festival zeichnet sich, neben dem musikalischen Angebot auch durch seine besondere Lage aus. Das Festival befindet sich am Ufer des Flusses Mrežnica, einem der saubersten Flüsse Kroatiens mit seiner charakteristischen smaragdgrünen Farbe, welcher im Sommer eine willkommene Abkühlung bietet. Generell passt die Kombination aus fast surreal wirkender Naturkulisse, in Verbindung mit psychedelischen Kunstinstallationen, perfekt zur Musik, mit der man die Zeit vergessen und in andere Sphären abschweifen kann.
Die Vorverkaufsphase ist bereits beendet, Standard-Festival-Tickets gibt es aber noch. Diese sind ab 87 Euro über die Festival-Website erhältlich und für vier Tage damit sogar recht erschwinglich.
Mit „Hammer“ wagen sich Cleopatrick an einen neuen Sound heran, der ein Vorbote für ihr kommendes Album sein soll. Wer auf den rauen Ton des Vorgängeralbums „Bummer“ gehofft hat, könnte jetzt überrascht werden. „Hammer“ klingt nach deutlich entspannterem Shoegaze und Indie anstatt aggressiv nach vorne drückendem Alt-Rock à la Royal Blood. Die Single gibt mit ein paar Record-Scratches und Filtereffekten ziemliche Throwback-Vibes. Zwar bleiben sich Cleopatrick so bei der Dominanz der Gitarren treu, gesanglich wirkt das ganze jedoch deutlich abgespeckter.
Und das, obwohl die Message des Songs nicht gerade friedliebend ist. So erklärt Sänger und Gitarrist der Band Luke Gruntz: „In diesem Song geht es darum, von einem großen Kerl vermöbelt zu werden. Als würde man völlig platt gemacht. Es geht darum, dass man seine Niederlage nicht nur akzeptiert, sondern sie sogar begrüßt“.
Nachdem die Band mit ihren vorherigen Veröffentlichungen einen umfassenden Tour-Kalender abgearbeitet hatte, nahm sich das Duo aus Cobourg, was in der kanadischen Provinz Ontario liegt, erstmal eine Auszeit. Diese sei essenziell für die geistige, wie auch körperliche Erholung der beiden gewesen. Gruntz erklärt, die daraus entstandene Musik sei, nach einigen geklärten Grundsatzfragen „einer der deutlichsten Schritte nach vorne, die wir als Künstler bisher gemacht haben“.
Zurzeit sind Cleopatrick noch für ein paar Termine in Amerika unterwegs. Am 19. November spielen sie eine bereits ausverkaufte Show im Londoner Oslo Hackney.
Die Geschichte um den mysteriösen Song beginnt mit einem Radio-Mitschnitt aus den frühen Achtzigern, die der Wilhelmshavener Musikfan Darius S. wie zu dieser Zeit üblich auf Kassette überspielt. Einige dieser Tracks stammen von bekannteren Bands wie The Cure oder XTC, die meisten aber von eher unbekannten Künstler:innen, darunter jener unidentifizierte, A-Ha-ähnliche New-Wave-Titel, der vermutlich aus einer Radiosendung im NDR zwischen 1983 und 1984 stammt.
2007 kommt Darius’ Schwester Lydia H. in den Besitz der Kassetten und beginnt, nach dessen Ursprung zu suchen. Zunächst auf eigene Faust, später auch verstärkt in verschiedenen Internetforen, wo sie einen digitalisierten Ausschnitt des Songs hochlädt. So beginnt eine Recherche, die sich über 17 Jahre hinzieht und an der sich nach und nach immer mehr Menschen aus der ganzen Welt beteiligen. Zwischendurch beteiligt sich auch der NDR selbst an der Suche – ohne Erfolg. Bis Anfang dieser Woche ein User Namens Marijn1412 bei Reddit (wo sich die Suche nach dem Song seit 2019 zentriert hat) eine mutmaßliche Version davon hochlädt – inklusive Titel und Bandnamen.
Der lang gesuchte Song trägt mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit den Namen “Subways Of Your Mind” und stammt von der Kieler Band FEX. Marijn1412 war auf den Track gestoßen, nachdem er zu Bands recherchiert hatte, die Teil des ehemaligen NDR-Formats “Hörfest” waren. In einer alten Ausgabe der Nordwestzeitung fand er einen Artikel über FEX, dessen ehemaligen Gitarristen und Keyboarder Michael Händrich er daraufhin mit der Bitte kontaktierte, ihm alte Aufnahmen zu schicken. Auf der A-Seite einer 3-Song-Kassette innerhalb dieser Sendung befand sich schließlich das mysteriöse Stück. Hier zwar in einer anderen Version als auf dem Ausschnitt von Lydia H., aber definitiv der gleiche Song. Am Montag machte Marijn1412 seine Entdeckung nach Absprache mit den Mitgliedern von FEX öffentlich.
Inzwischen meldete sich auch Hädrich selbst zu Wort und bestätigte den Fund offiziell: “Wir waren alle völlig überrascht und überwältigt von den wirklich netten Kommentaren und Beiträgen”, meinte der heute in München lebende Musiker in einem Interview mit tz.de. Marijn1412 hatte Hädrich zunächst kontaktiert und um seine Zustimmung für die Veröffentlichung gebeten: “Nachdem ich ihm per E-Mail geantwortet hatte, dass es sich bei dem Song tatsächlich um ein ziemlich berühmtes ‚verlorenes Lied‘ handelt, bat er mich, damit nicht an die Öffentlichkeit zu gehen, bis er mit seinen alten Bandmitgliedern gesprochen habe”, so Marijn1412 auf Reddit. Hädrich teilte inzwischen Pläne mit, “Subways Of Your Mind” mit den restlichen FEX-Mitgliedern ein weiteres Mal aufzunehmen und auch ein Video dafür zu produzieren.
Der langjährige Sepultura-Gitarrist Andreas Kisser macht sich erneut für eine Rückkehr der Cavalera-Brüder für den letzten Auftritt der Thrash-Größen stark. Die Band befindet sich gerade auf ihrer Abschiedstour, am Rande des Konzertes in Köln vergangenen Freitag erwähnte Kisser gegenüber Moshpit Passion, dass er es cool fände, wenn die Gründungsmitglieder Max und Igor Cavalera bei der letzten Show der Band noch einmal dabei wären.
“Es ist uns egal, wer Recht oder Unrecht hat. Wir werden nie an diesen Punkt kommen”, sagte Kisser lachend in Anspielungen auf damalige Streitigkeiten in der Band. “Wir haben unterschiedliche Ansichten und unterschiedliche Perspektiven über dieselben historischen Ereignisse. Also lasst uns jammen, lasst uns eine gute Zeit für die Fans haben, für uns, für uns selbst, und lasst uns diese unglaublichen 43 oder 44 Jahre, was auch immer es zu der Zeit sein wird, in Frieden mit uns selbst abschließen, und danach wirklich nach etwas anderem streben.”
„Ich werde nicht leugnen, dass es großartig wäre, eine allerletzte Show mit ihrer Beteiligung zu haben, aber sie muss großartig sein”, so Kisser weiter. “Es muss Leute geben, die da sind, um zu feiern und nicht versuchen, darüber zu diskutieren, wer bei Entscheidungen aus der Vergangenheit richtig oder falsch lag. Letztendlich feiern wir jetzt als die Sepultura von heute. Wenn sie ein Teil davon sein wollen, dann wäre das großartig.“
Max Cavalera war 1996 aus der Band ausgestiegen, nachdem der Rest von Sepultura ihre Managerin Gloria Bujnowski feuern wollte, da als seine Ehefrau Max bevorzugt behandele. Igor Cavalera verließ die Band nach der Veröffentlichung von “Dante XXI” (2006) wegen “künstlerischer Unvereinbarkeiten”, sodass die Band ohne Gründungsmitglieder dastand. Igor und Max gründeten 2007 ihre neue Band Cavalera Conspiracy, mit der sie zuletzt einige Sepultura-Songs neu einspielten.
Bereits im Juni sprach Kisser davon, dass es „großartig“ wäre, die Cavaleras nochmal mit dem Rest von Sepultura auf der Bühne zu haben. Aktuell spielen in der Band die langjährigen Mitglieder Paulo Jr. (Bass, seit 1984) und Andreas Kisser (seit 1987) sowie Sänger Derrick Green (seit 1997) und der neue Drummer Greyson Nekrutman, der erst dieses Jahr den zu Slipknot abgewanderten Eloy Casagrande ersetzte.
Die letzten Deutschland-Shows von Sepultura finden noch diesen Monat statt. Dann geht es für Sepultura weiter durch Europa und Südamerika. Die bislang letzten geplanten Shows sind für Juli 2025 bei Festivals in Bulgarien und Rumänien angesetzt.
Live: Sepultura
15.11.2024 Ludwigsburg – MHP Arena
16.11.2024 München – Zenith
19.11.2024 Leipzig – Haus Auensee
22.11.2024 Berlin – Columbiahalle
Das experimentelle Noise-Rock-Duo Dÿse hat vergangene Woche ihre EP “Audiochimaere” veröffentlicht und beginnt morgen in der Dresdener Chemiefabrik die dazugehörige Tour. Drei der neun angekündigten Konzerte sind bereits ausverkauft. Aufgrund der hohen Nachfrage wird die Tour nun um drei Konzerte in Hamburg, Köln und Berlin erweitert. Tickets für die Zusatzshows sind ab sofort verfügbar.
Nomen est Omen: Die EP “Audiochimaere” vereint diverse musikalische Einflüsse in sich, die teilweise auch für Dÿse Neuland sind. Am ehesten lässt sich die Platte wohl als eine Art HipHop-Hörspiel beschreiben.
Julian Casablancas hat schon länger nichts mehr für die älteren Songs seiner Band The Strokes übrig. Zuletzt 2020 gab er in einem Interview zu, dass er es „satt“ hätte, alte Hits live zu spielen, und sagte, dass „die Musik dich nicht bewegt“, wenn er dieselben Stücke immer wieder wiederholt spielt. Damit begründete er auch seine Aktivität bei seinem Nebenprojekt The Voidz. Denn: “Es ist mir völlig egal, ob ich ‘Last Nite’ spiele”, so Casablancas damals.
Auf die Frage, welchen Song er sich nicht mehr anhören kann, wurde Casablancas nun in einem neuen Interview mit dem Guardian sogar nochmal deutlicher über den Hit von “Is This It” (2001): “‘Last Nite’ von The Strokes ist ziemlich tot für mich. Ich bin mir nicht sicher, warum”, erklärte der Sänger. “Es gibt einige andere wie ‘Reptilia’, ‘Hard To Explain’, ‘Someday’, ‘Take It Or Leave It’, ‘New York City Cops’, die in Bezug auf die Publikumsreaktionen vergleichbar sind und die ich nicht ganz so satthabe. Wenn ich das im Radio hören würde, würde ich es wahrscheinlich abschalten.”
Während Casablancas mit seiner Experimental-Rock-Band The Voidz im September das neue Album “Like All Before You” veröffentlicht hatte, hat er sich derweil von den Strokes „ein bisschen zurückgezogen“, wie er in einem anderen Interview verriet.
Das bislang letzte Strokes-Album erschien mit “The New Abnormal” 2020. Zwei Jahre später heizte Produzent Rick Rubin Spekulationen um einen Nachfolger an, indem er Zusammenarbeit mit der Band bestätigte. Casblancas nahm der Sache aber schnell wieder Wind aus den Segeln: “Es stimmt, die Strokes haben gejammt und ein paar Sachen auf die Beine gestellt, aber wir sind immer noch so extrem weit davon entfernt, auch nur annähernd so etwas wie eine Band zu sein.” Er fügte noch hinzu: “Wahrscheinlich bestätigen wir eher in einem oder zwei Jahren.”
“Warum kommt das Album schon wieder im Winter/ Das ist Räubermusik, da wird’s früher dunkel” – zwei Zeilen aus “069” von Haftbefehl, die nicht nur zur Jahreszeit passen. Produziert hat den Song Bazzazian, seitdem der Go-to-Guy, wenn es um brettharte Beats geht, in denen es immer regnet. Mit “100Angst” (Universal, 18.10.) veröffentlicht der Beatbauer sein erstes Soloalbum – und alle machen mit: Haiyti, Casper, OG Keemo, Schmyt. Meist sind solche Unterfangen lose Songsammlungen, bei denen textlich oft nicht mehr als die übliche Aufschneiderei rauskommt. Das ist hier anders: Die düstere Grundstimmung, die so viele Beats von Bazzazian bestimmt, schlägt sich auch auf inhaltlicher Ebene nieder. Offensichtlich hatte der Kölner genaue Vorstellungen, wovon seine Gäste rappen sollten. Highlights auszumachen, ist schwierig, dazu funktioniert “100Angst” zu gut als Album, aber “Rottweiler” ist kein schlechter Ausgangspunkt.
Noch weniger Licht scheint durch “Machine” (Relapse, 04.10.) von The Bug. Kevin Martin gibt damit sein Debüt für das Label Relapse, seine Beats passen ästhetisch perfekt zu Metal. Sie sind knöchern, ihr Vibe menschenfeindlich, der Bass infernalisch. Um seinen Tracks das letzte bisschen Menschlichkeit zu rauben, hat The Bug diesmal auf Gastsänger:innen verzichtet. Wer genau hinhört, erkennt hier und da Rudimente von Dub und Dubstep, im Großen und Ganzen fühlt sich “Machine” aber im Industrial am wohlsten, ohne dessen albernen Mummenschanz zu bedienen.
Wie The Bug kommt auch OneDa aus England. Die MC gibt mit “Formula OneDa” (Heavenly, 04.10.) ihr Albumdebüt. Darauf verbindet sie ihre nigerianischen Wurzeln gekonnt mit dem besonderen Vibe des UK-HipHop. Tracks wie der Opener klingen, als hätte sie Rodney P. persönlich OneDa übergeben, bei “Raised” lässt sie die Bassdrum ballern, mit “Leader” schreibt sie das aktuelle Drum’n’Bass-Revival fort. Inhaltlich geht es nicht nur darum, den eigenen Platz in der HipHop-Community zu finden, sondern auch um Emanzipation und Empowerment.
Wechseln wir die musikalische Farbe: Vor 25 Jahren veröffentlichten Kruder & Dorfmeister“The K&D Sessions” (!K7, 25.10.). Der Anfang vom Ende der Remix-Kultur, zumindest für die beiden Österreicher, die bei ihren Arbeiten nach der radikalen Devise vorgingen: Behalt den Gesang, schmeiß den Rest weg. Zum Jubiläum des Albums kommt es nicht nur in einer schicken Vinyl-Box raus, sondern auch erweitert um sechs Remixe, die es nicht aufs ursprüngliche Doppel-Mixalbum geschafft haben, etwa ein mehr als 10 Minuten langer Madonna-Remix oder eine alternative Version von “Heroes” von Roni Size. Erstaunlich beim Wiederentdecken: Der Sound von Peter Kruder und Richard Dorfmeister ist von einer bestechenden Zeitlosigkeit und Musikalität bestimmt, die einem Regalmeter Café-del-Mar-Compilations komplett abgeht. Und: Kruder & Dorfmeister gibt es demnächst auch live mit Band.
Unermüdlich auf Tour ist auch Seun Kuti, Sohn von Afrobeat-Legende Fela Kuti. Wie beim Marley-Klan schreibt auch Seun das musikalische Erbe seines Vaters fleißig fort, und im Song “Dey”, bei dem Damian Marley mitsingt, verbinden sich auf “Heavier Yet (Lays The Crownless Head)” (Record Kicks, 04.10.) sogar beide Familien musikalisch miteinander. Unterstützt von seiner Band Egypt 80 und Produzent Lenny Kravitz setzen Songs wie “T.O.P.” jeden Körperklaus in Bewegung. Kutis Botschaft ist klar: Love & Revolution. Spannend ist auch zu hören, wie er Sampa The Great in einem fiebrigen Afrobeat-Track einbaut. Die nur sechs Songs enthalten viel positive Energie, die das Album jederzeit freisetzen kann – auch dann, wenn’s früher dunkel wird.
Lagen zwischen “Brighten” (2021), dem dritten Soloalbum, und seinem Vorgänger noch zwei Jahrzehnte, geht es diesmal zügig weiter. Mit “I Want Blood” legt Jerry Cantrell jetzt bereits nach und in Sachen Heaviness eine ordentliche Schippe drauf. Es ist der Auftakt zu ausgesprochen arbeitsreichen Monaten. Für Alice In Chains sind im kommenden Jahr Shows gebucht, so Cantrell, da tut sich einiges. Hier und jetzt jedoch geht es um das neue Solowerk. USA, Lateinamerika, Europa, die Promo-Termine ballen sich, der Zeitplan ist enggesteckt. Für VISIONS nimmt Cantrell sich – wie schon beim Vorgänger – viel Zeit, dafür wird es dann auch schon mal Mitternacht.
Jerry, das letzte Mal haben wir vor drei Jahren gesprochen, da ging es um “Brighten”. Mit “I Want Blood” gibt es jetzt bereits den Nachfolger. Wie geht es dir unmittelbar vor der Veröffentlichung?
Jerry Cantrell: Es geht mir bestens, das ist eine sehr spannende Zeit gerade. Die Produktion eines Albums geschieht in einem so isolierten Zustand. Ein Jahr lang verbringst du in einem abgedunkelten Raum, die ganze Zeit über herrscht ein kreativer Vibe. Es gibt nur dich, die Band, den Produzenten und den Toningenieur. Das ist ein sehr privater Prozess, in einer kleinen Gruppe von Leuten. Wenn das Album dann fertig ist und du diese Zone verlässt, wenn du das Gefühl hast, dass es an der Zeit ist, die Musik mit der Welt zu teilen, dann solltest du dich idealerweise gut damit fühlen. Du solltest dir sicher sein in dem, was du tust. Und das bin ich mit dieser Platte.
“Vilified” war die erste Single. Wie fielen die Reaktionen aus?
Es gab tolles Feedback auf den Song, bei “Afterglow” sah es ähnlich aus. Wir sind gerade mit Bush auf Tour gewesen und haben einige der Songs live gespielt. Es gehört einiges dazu, bis ein bestimmter Song fester Bestandteil der Setlist und möglicherweise irgendwann zu einer Art Klassiker wird. Diese beiden Stücke fühlten sich exakt so an. Das bestärkt mich also schon mal. Zu wissen, dass ich noch ein paar von der Güteklasse im Köcher habe, ist auch ein gutes Gefühl.
Der eigene Name auf dem Cover im Gegensatz zur Band – macht das für dich noch einen Unterschied?
Es gibt Parallelen und es gibt Dinge, die anders sind. Die Gruppe gibt dir ein Stück Anonymität, darin liegt eine gewisse Stärke. Gleichzeitig gibt es Alice In Chains seit 30 Jahren, diese exponierte Position ist also nichts Neues für mich. Dennoch: Wenn dein Name draufsteht, du allein im Fokus bist, mit deinen Songs, deinem Album, dann ist da niemand anderes, dem man den schwarzen Peter zuschieben kann, falls es mal daneben geht. Entweder du lieferst oder du verhaust die Sache, dazwischen gibt es nichts. Und es ist ganz allein dein Ding. Ich mag das, ich trage so eine gewisse Zockermentalität in mir. Das ganze Leben ist ein Glückspiel, so platt es auch klingt, und der Lebensstil eines Musikers intensiviert das Ganze noch. Wenn du also auf dich selbst setzt, solltest du dir deiner Sache einigermaßen sicher sein. Die meiste Zeit haut es eh hin, und wenn es mal danebengeht, hast du ganz bestimmt etwas daraus gelernt.
Warum überhaupt ein Soloalbum, reicht die Band nicht aus?
Mit Alice In Chains haben wir im Winter 1987 angefangen, das sind also mittlerweile 37 Jahre. Von diesen 37 Jahren habe ich mich um die sechs Jahre als Solist verdingt, das ist jetzt nicht so wahnsinnig viel. Ich denke, es ist völlig klar, wofür mein Herz schlägt. Ich würde auch nicht behaupten, dass ich da einen besonderen Freiheitsdrang verspüre, dem ich unbedingt nachgeben muss. In den vergangenen 20 Jahren taten sich aber immer mal wieder Zeiträume auf, in denen alles möglich war, besonders in den vergangenen drei Jahren. Das Leben gibt dir manchmal einen Wink, öffnet dir eine Tür. Ich will gar nicht zu sehr ins Metaphysische verfallen, aber ich denke, es ist wichtig, diese Zeichen zu erkennen. Wenn man da noch tiefer einsteigt, sieht man auch die Parallelen. Dass “Brighten” und “I Want Blood” jetzt praktisch direkt hintereinander entstanden sind, war überhaupt nicht geplant, was wiederum eine völlige Parallele zu “Boggy Depot” von 1998 und “Degradation Trip” vier Jahre später ist, wo es wirklich ganz genauso war. Da schließt sich ein Kreis.
“I Want Blood” klingt durchaus anders als “Brighten”, dunkler, schwerer.
Das stimmt, die neue Platte ist komplett anders. Wichtig ist erst einmal, dass ein Album, das ich mache, ob es jetzt mit Alice ist oder allein, dass es mit den anderen mithalten kann. Unterschiedlich geklungen haben sie schon immer. Es sind Schnappschüsse einer bestimmten Lebensphase von ganz bestimmten Leuten, allein dadurch ergibt sich eine Art von Einzigartigkeit. Was die Heaviness angeht, so überraschend ist das jetzt nicht, oder? Die Bandbreite gab es immer, ich habe Platten wie “Sap” gemacht und solche wie “Dirt”, jetzt also “Brighten”, gefolgt von “I Want Blood”, das sind unterschiedliche Richtungen, aber für mich völlig natürlich. Ich versuche, der Musik zu folgen. Es gibt keinen bewussten Ansatz im Sinne von: Ich will jetzt dieses oder jenes Album machen, eine Americana-Platte oder ein eine mit klassischem Rock’n’Roll. Ich gehe da ohne vorgefertigten Plan heran. Man muss sich in einen kreativen Zustand versetzen und schauen, wohin die Reise geht. Sobald die ersten Songs entstanden sind, stellst du fest, dass sich eine Richtung auftut. Ich selbst bin es aber nicht einmal, der sie bestimmt, die Songs sagen mir, wo es langgeht, und ich werde den Teufel tun, dem nicht zu folgen.
Klingt eigentlich ganz einfach.
Ist es teilweise auch, aber gleichzeitig auch ein Haufen Arbeit, es ist eine umfassende Verpflichtung, sowohl finanziell als auch zeitlich. Wir sprechen hier von ein bis eineinhalb Jahren. Ich mach mal eben ’ne Platte: So läuft es nicht. Da kommt so viel zusammen, du musst dich voll reinhängen. Es gibt keine Garantie, dass die Leute es mögen, also sollte man das Studio umso mehr mit dem Gefühl verlassen, dass man ein verdammt großartiges Album beisammenhat. Ich kann mich glücklich schätzen, dass es mir in meiner Karriere bisher immer so gegangen ist. Bei jedem Album, in das ich involviert war, dachte ich, ja, das passt, das sind tolle Songs, wir haben alles gegeben und hätten es nicht besser machen können. Bei dem neuen Album geht es mir ganz genauso. Es freut mich natürlich, dass es mir vom Publikum nun schon einige Male live bestätigt wurde.
Du hast ein weiteres Mal mit Joe Barresi zusammengearbeitet. Was schätzt du an ihm?
Zum einen hat er eine Menge großartiger Platten produziert, zum anderen arbeiten wir sehr gut zusammen. Tyler Bates und Paul Figueroa, die auf “Brighten” dabei waren, hatten anderweitige Verpflichtungen, also habe ich voll auf Joe gesetzt. Ich spielte ihm ein paar von den neuen Sachen vor, damit ging es direkt los. Ich habe keine Ahnung von den ganzen technischen Aspekten, also brauche ich jemanden, der den Teil des Flugzeugs steuert, während ich auf der kreativen Seite vom Cockpit sitze. Ich mag den partnerschaftlichen Aspekt einer Produktion, das Teamwork, wenn man Ideen hin und her schießt. Wenn Joe also mein Gegenüber ist, stehen die Chancen ausgesprochen gut, dass etwas Großartiges dabei herauskommt.
Gibt es einen bestimmten Teil einer Produktion, der dir besonders gut gefällt?
Das kann ich schwer sagen, eigentlich gefällt mir alles daran. Was mich kickt, ist die Entwicklung als solche, wie das Ganze Gestalt annimmt. Zuerst hat man ein paar Riffs, einige Melodien, da ist man noch ganz bei sich, im wörtlichen Sinne: Du sitzt vielleicht gerade im Schlafzimmer und hast einen dieser Einfälle. Man nimmt es auf, irgendwann fertigt man ein erstes Demo an. Davon gibt es schließlich so viele, dass es heißt: Hey, das reicht für ein Album. Was mache ich als nächstes? Wem spiele ich es vor, mit wem möchte ich zusammenarbeiten? Das ist alles unglaublich spannend. Und wenn nach dieser bereits erwähnten Produktionsphase alles getan ist, findet es seinen Weg in die Welt.
An einigen Stellen auf diesem Weg greifst du zum Telefon und schaust, wer von deinen Freunden Zeit und Lust hat mitzumachen, oder?
So sieht es aus. Ich rufe Duff (McKagan) an und Rob (Trujillo), melde mich bei Greg (Puciato), Gil (Sharone), bei Mike (Inez), und schaue mal, wer dabei ist. Ich arbeite gern mit Freunden zusammen, mit Leuten, deren Arbeit ich bewundere. Es kommt immer zu interessanten Ergebnissen, deren Input gehört für mich unverzichtbar dazu. Mit Duff zu jammen, macht riesigen Spaß. Ein Anruf, und kurz darauf sitzt er bei mir auf dem Sofa und wir spielen drauflos. Also, um auf die Frage nach einer bestimmten Vorliebe zurückzukommen: Jeder Abschnitt ist auf seine Weise einzigartig, jeder liegt mir am Herzen und ist absolut wichtig.
»Man sollte seinen Frieden mit der Sterblichkeit machen und das alles hier genießen, solange es geht.«
Jerry Cantrell
Hast du von vornherein einen bestimmten Song für jeden deiner Leute im Hinterkopf?
Im Prinzip gehe ich es an wie den gesamten kreativen Prozess: Mal schauen, was passiert. Dennoch mache ich mir Gedanken und weiß bei den Songs, welcher Musiker mit seinem jeweiligen Stil dafür wohl am passendsten sein könnte. Wenn es aber losgeht, bin ich völlig offen. Das mag die Leute zuweilen etwas nerven. (lacht) Wenn Joe fragt, wer bei welchem Song dabei ist, sage ich: „Keine Ahnung, Mann, lass’ uns doch einfach mal drauflos jammen, dann finden wir es schon heraus.“ Zum Glück passte es mit der Tourplanung von Guns N’ Roses und Metallica zusammen, Duff und Rob hatten viel Zeit, sodass wir wirklich alles durchspielen und auch ein wenig experimentieren konnten. Am Ende stellte ich fest: Der richtige Typ hat den richtigen Song gefunden. Ich bin froh, dass Mike und Duff auf dem Titelsong von “I Want Blood” spielen, weil es genau ihr Ding ist. Trotzdem wollte ich niemanden drängen. Am besten ist es, wenn sich ein Musiker von einem Song angezogen fühlt und es damit auf natürliche Weise passiert. Es gibt da so einen rätselhaften Aspekt, etwas kaum Greifbares, aber wenn es sich vollzieht, spürst du es sofort. Das ist absolut erstaunlich und begeistert einen immer wieder aufs Neue. Das ist ein Grundstoff sämtlicher Kunst, ob es nun Musik, die Malerei oder das Schreiben ist – es geht um Geschichten, um Ideen und darum, eine menschliche Erfahrung mit jemandem zu teilen. Wir sind einerseits komplett verschieden, in vielen Dingen – aber wir sind auch alle gleich. Wie gesagt, es ist der gesamte Prozess, dem eine Magie innewohnt, das hat mich in den vergangenen bald vier Jahrzehnten grundsätzlich vorangetrieben.
Wie würdest du das in Bezug auf “I Want Blood” zusammenfassen?
Ich habe das Gefühl, dass ich ein neues Territorium betreten habe, eines, das noch nicht komplett abgegrast ist, auch wenn es vielleicht bekannt klingt. Das ist es, was ich als Künstler anstrebe: eine Befriedigung erzielen aus der Tatsache, Neues ausprobiert zu haben, dabei aber gleichzeitig dein angestammtes Publikum nicht vor den Kopf zu stoßen.
Und wenn es doch einmal schiefgeht?
Ehrlich gesagt ist es ziemlich schwer, das Ganze völlig zu verreißen. Ich klinge, wie ich klinge. Ich schreibe so, wie ich schreibe. Da gibt es keine Alternative. Das lässt sich nicht erklären, das ist einfach so. Das ist mein musikalischer Fingerabdruck. Wenn ich das im Hinterkopf habe, nimmt es mir die Zweifel und die Angst. Dann kann ich loslassen und zuversichtlich sein, dass es bestimmt zu etwas Gutem führt.
Was die Ideen angeht, kannst du grundsätzlich auf eine große Auswahl vertrauen?
Das kann man wohl sagen. Wann immer ich eine Idee habe, nehme ich sie mit dem Telefon auf. Mal mit der Gitarre, oder ich summe sie einfach. Ich habe zurzeit um die 800 solcher Dateien auf meinem Handy. Wobei es noch kein Songwriting in dem Sinne ist, das ist mehr so eine Art sukzessives Brainstorming. Es müssen sich auch nicht grundsätzlich Gitarrenparts daraus ergeben, es können Basslinien sein, eine Gesangsmelodie, ein Schlagzeug-Break.
In zwei Jahren wirst du 60, verändert das deine Perspektive als Musiker im Wechsel zwischen Alben und Tourneen?
Ich schaue darauf, wie ich auch auf den Tod blicke: Es ist unvermeidlich. Alles ist endlich. Ernsthaft. Die ganze Zeit, die man damit verbringt, sich Gedanken über die eigene Sterblichkeit zu machen, kann man doch viel besser nutzen. Man sollte seinen Frieden damit machen und das alles hier genießen, solange es geht. Es gibt noch so viele Songs, die man schreiben kann, soviel gutes Essen, das man genießen kann, soviel Liebe zu erleben. Du hast die Wahl, mach’ was draus. Ich weiß nicht, warum, aber ich hatte diese Einstellung schon als Kind. Ich wusste genau, was ich machen wollte. Und das mache ich bis heute. Irgendwann ist es vorbei. Vielleicht gehen mir die Ideen aus oder der Körper macht nicht mehr mit. Sei’s drum. Bis dahin aber geht es weiter. Kreativ bleiben ist immer eine gute Entscheidung.
Nachdem Frontmann Tim Lambesis als einziges Mitglied der kontroversen Metalcore-Band As I Lay Dying verblieben war, hat auch er sich zum Ausstieg der anderen Mitglieder geäußert. Nachdem Bassist Ryan Neff, Schlagzeuger Nick Pierce und Gitarrist Ken Susi innerhalb weniger Tage die Band verlassen hatten, folgte vor Kurzem auch der langjährige Gitarrist Phil Sgrosso. Über die offiziellen Kanäle der Band oder Lambesis selbst wurden in dieser Zeit weder die Austritte noch die Absage der Europatour im November kommentiert.
“Ich habe etwas Zeit gebraucht, um zu verarbeiten, was in letzter Zeit mit AILD passiert ist”, so Lambesis in seiner Erklärung nun. “Wenn ich darüber nachdenke, kann ich bestätigen, dass es in der Band ein ungesundes Umfeld gab. […] Es ist schwierig geworden, die kleinsten Sachen geregelt zu bekommen, und ich gebe auch zu, dass ich sehr stark an meinen Vorstellungen bezüglich der Zukunft von AILD festhalten kann. An die Verhaltensweisen, die Kommunikation und die Interaktionen zurückzudenken, die zur Tourabsage geführt hatten, macht mich traurig. Phil und ich waren nicht mehr auf einer Wellenlänge, sowohl was Finanzielles angeht, als auch kreativ und persönlich. Durch unsere Diskussionen kam er zum Entschluss auszusteigen. Die Anderen haben sich ihm kurz darauf angeschlossen, da sie ohne ihn auch nicht weitermachen wollten. Leider entspricht das nicht der Reihenfolge, in der alles an die Öffentlichkeit getragen wurde, da manche Erklärungen als Reaktionen auf Gerüchte eilig veröffentlicht wurden.” Weiter heißt es: “Ich stehe hinter allen Jungs und ihrer Entscheidung zu gehen und glaube, dass es wohl der richtige Zeitpunkt für uns alle ist. Nichtsdestotrotz wird meine Tür immer offen für direkte Unterhaltung stehen, denn ich glaube, dass ein kompletter Kontaktabbruch viele Probleme hervorrufen würde.”
Zur konkreten Zukunft von As I Lay Dying äußerte sich Lambesis auch: “Ich freue mich darauf, ein neues Team aufzustellen und eine sichere, positive und kreative Atmosphäre zu schaffen.” Das geplante Album “Through Storms Ahead” soll weiterhin am 15. November über Napalm erscheinen.
In ihren Statements zum Ausstieg berichteten Sgrosso, Neff, Pierce und Susi von moralischen Herausforderungen und besorgniserregenden Verhaltensmustern, die sie in Hinblick auf ihr eigenes Wohlergehen nicht länger dulden könnten.