Mit “Stay” haben sich Ghost jetzt nachträglich einen Klassiker der britischen Band Shakespeares Sister vorgeknöpft. Diesen veröffentlichten sie auf ihrem zweiten Studioalbum “Hormonally Yours” (1992). Gemeinsam mit Schauspieler Patrick Wilson präsentieren Ghost nun ihre Version des Songs. Mit aufsteigendem Rauch und einem roten Raum à la “Twin Peaks”, gibt der Visualizer bereits die Richtung des Covertracks vor.
Inhaltlich fangen Ghost die beklemmende Stimmung des Eingesperrtseins sein, untermalt von einem atmosphärisch düsteren Sound. Passend dazu wird der Song als Teil von Wilsons aktuellem Horrorfilm “Insidious: The Red Door” im Abspann erscheinen. Damals ließen sich Shakespeares Sister ihrerseits von einem Science-Fiction-Film aus den 50er Jahren inspirieren: “Cat-Women Of The Moon” handelt von einer Gruppe Astronauten, die zu Forschungszwecken ins All fliegen und von ihrer Navigatoren Helen auf die dunkle Seite des Mondes gelockt werden. Dort finden sie die letzten Vertreterinnen einer untergegangenen Zivilisation. Ein dystopisches Szenario, das auch Ghost anklingen lassen.
Eine alternative Version des Songs, ohne Wilson, gibt es auf einem Extended-Boxset des aktuellen Studioalbums“Impera”(2022). Das Set erscheint am 28. Juli.
Hinweis: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags im Februar 2020 trug die Behörde noch den Namen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM). Seit April 2021 heißt sie Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ). Wir sehen dadurch allerdings den Informationsgehalt des Interviews nicht als nichtig an und geben es hier unverändert wieder.
Herr Seim, ist Indizierung das Gleiche wie Zensur? Roland Seim: Das wird oft miteinander verwechselt, der Jurist unterscheidet das aber. Im Artikel 5 des Grundgesetzes heißt es: “Eine Zensur findet nicht statt”. Das bedeutet nicht, dass alles völlig frei ist, sondern nur, dass es keine Vorzensur gibt, also keine Kontrolle, Genehmigung und gegebenenfalls Veränderung vor der Veröffentlichung durch eine Behörde, der man das Musikstück vorlegen müsste. Es gibt nicht einmal eine FSK für die Musik, im Gegensatz zu Filmen und Computerspielen. Vielleicht erklärt das auch, warum so viele Musikwerke indiziert sind, mittlerweile über 1.800 Titel, zum ersten Mal mehr als Filme. Die Bundesprüfstelle kann nur indizieren, was bereits erschienen ist. Die Dinge werden veröffentlicht, jeder kann erstmal machen, was er will, im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Artikel 5 sagt auch, dass diese Rechte ihre Schranken finden in den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend. Jugendschutz und Kunstfreiheit müssen also im Einzelfall miteinander abgewogen werden. Häufig entscheidet sich die Bundesprüfstelle für den Jugendschutz, obwohl sie auch den Kunstcharakter eines Stücks erkennen, wie gerade etwa bei Bushidos “Sonny Black”. Außerdem sind derzeit 130 Tonträger wegen Volksverhetzung beschlagnahmt, also komplett verboten, 86 wegen Gewaltverherrlichung und 9 wegen Pornographie, auch ein paar wegen Beleidigung. Ob es sich dabei um Zensur handelt, darüber kann man viele Bücher schreiben, das haben wir auch gemacht.
Diese Beschlagnahmungen können allerdings nur Gerichte vornehmen. Richtig. Die Bundesprüfstelle kann allerdings mit dem Listenteil B diese nach ihrer Meinung strafrelevanten Titel einem Gericht melden und das überprüft dann, ob es sich tatsächlich um strafrechtlich relevante Inhalte handelt; danach wird gegebenenfalls ein Verbot vom Gericht ausgesprochen. Die Bundesprüfstelle kann nur indizieren, das ist eine Art verschärftes Jugendverbot mit Werbe- und Vertriebsbeschränkungen.
Welche Wirkung haben Indizierungen eigentlich noch in der heutigen Medienlandschaft? Das kommt darauf an, wen Sie fragen. Im Rechtsrock, dem größten Bereich, der indiziert wird, gibt es unterschiedliche Versionen. Einige Bands entschärfen ihre Plattenaufnahmen vor der Veröffentlichung, um justiziable Texte zu umgehen, damit sie nicht belangt werden können. Auf den Konzerten wird dann häufig eine heftigere Version gesungen. Andere Bands radikalisieren sich nach einer Indizierung, nach dem Motto: Wenn wir schon verboten sind, dann können wir auch machen, was wir wollen. Die sehen sich dann oft als Märtyrer der Meinungsfreiheit oder Opfer eines “Lügensystems” und gelten dadurch häufig in der Szene als noch authentischer.
Und bei Musikern, die gesellschaftlich eher akzeptiert sind? Bei bekannten Künstlern wie Die Ärzte, Rammstein oder Bushido, wo alle Medien über die Indizierung berichten, kann sie zu einer Aufmerksamkeitssteigerung führen. Eigentlich soll das Jugendverbot schlecht fürs Geschäft sein, aber jeder kennt Fälle, bei denen der gegenteilige Effekt eingetreten ist. Trotzdem wollen die meisten Musiker nicht indiziert werden. Rammstein haben die Bundesprüfstelle sogar auf Schadensersatz verklagt, obwohl Liebe ist für alle da nach kurzer Zeit wieder vom Index genommen wurde. Bushido hat “Sonny Black” auch durch mehrere Instanzen vom Index kriegen wollen, ist aber damit gescheitert. Bei unbekannteren Künstlern sind die Folgen deutlich negativer, weil keiner drüber berichtet und die meisten Platten einfach aus den Läden verschwinden. Den “Ab-18-Schrank” gibt’s beim Elektronikmarkt um die Ecke nicht.
Sie haben gesagt, dass viele Musiker eine Indizierung vermeiden wollen. Es gibt aber auch jene, die sie förmlich suchen. Bei einigen Bands kann man schon davon ausgehen, dass so viele Tabubrüche auf einen Schlag in einen Song oder auf ein Cover gepackt werden, dass sie wissen müssen, was sie da tun. Die bis zur Schmerzgrenze gespielte Musik in der Lautstärke soll sich aber auch in Texten und Artwork wiederfinden. Szene-intern ist das eine Kunstform, die nicht nur brachialen Krach und Gewalt bringt, sondern ein Lebensgefühl, eine Herangehensweise an die endgültigen Dinge. Man kann sich mit Tod und Gewalt, die im realen Leben ja existieren, nur auf solche Weise beschäftigen. Alles andere wäre vielleicht auch Kitsch, wenn man Tod und Krieg in einer harmloseren Version wählen würde. Das wäre eine verlogene Verharmlosung.
Ist es nicht schräg, wenn sich am Ende linke Bands und Nazis auf der gleichen Liste wiederfinden? Ja, klar. Wo Punks und Nazis zusammenstehen, führt das natürlich zu unterschiedlichen Interpretationen innerhalb der Szene. Bands wie Atari Teenage Riot und Gaskammer in einem Atemzug zu nennen – die dürften sich jeweils auf ihre eigene Art und Weise missverstanden fühlen. Jeder Betroffene meint, dass die genretypischen Codes, zum Beispiel im Metal, Punk oder HipHop, von Jugendschützern immer falsch verstanden werden. Und die Fans finden das natürlich skandalös, dass man als Punkband mit Nazis zusammen auf einer Liste steht oder umgekehrt. Das zeigt auch, wie schwierig es ist, mit ein- und demselben Werkzeug so unterschiedliche Probleme zu bewältigen. Das führt natürlich zu Verzerrungen. Man haut da mit dem Hammer auf völlig unterschiedliche Dinge drauf.
Ist das heute noch ein treffendes Bild für die Arbeit der BPjM: eine Behörde, die mit dem Hammer draufhaut? Jahrzehntelang galt die Bundesprüfstelle als belächelter Fels in der Brandung, als Behüter der Ordnung, als Hort weltfremder Bewahrpädagogen und moralinsaurer Spießer. Das hat sich geändert. Ich habe als Gutachter häufiger mal gegen Indizierungen gearbeitet und die Bundesprüfer durchaus als zugänglich für andere Meinungen erlebt. Die Bundesprüfstelle versteht sich mittlerweile auch eher als Behörde, die sich mit den neuen Medien befassen muss. So eine Art von Zukunftswerkstatt, wo man gerade auch die Kinder an den Smartphones erreichen will.
Wie haben sich die Moralvorstellungen der Behörde in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt? Letztlich sind Zensur oder eben Kontrolle der Kommunikation immer ein Spiegel der Gesellschaft, ein Seismograph für die veränderlichen Tabus und Moralempfindlichkeiten. Was verboten wird, sagt immer etwas über den Zeitgeist aus, und die Bundesprüfstelle ist ein Ort der Bewahrung dieses Zeitgeistes. Seit den 50er Jahren gehören Pop und Provokation ja zusammen wie Rock und Roll. Ursprünglich sollte die Bundesprüfstelle versuchen, diese schlüpfrigen Sachen von Kindern und Jugendlichen fernzuhalten. Die erste Plattenindizierung von 1960 betraf eine Single namens “Bei Gisela”, wo es um eine Hure ging, weiter ging es mit “Der Novak’ lässt mich nicht verkommen”. Diese Herrenabendlieder sind heute völlig harmlos, damals wurden sie aber als jugendgefährdend empfunden, genauso wie 1980 Peter Toshs “Legalize It” oder ab den 80ern die ganzen Metalplatten von Gwar, The Rods und Cannibal Corpse. In den 90ern war es dann Rechtsrock, später Gangster-Rap und Porno-Rap. Das spiegelt jeweils eine Veränderung des Zeitgeistes, aber auch der behördlichen Sichtweise auf diese Dinge. Es ist nicht so, dass die Bundesprüfer einmal ihre Meinung haben und dann immer die Schiene weiterfahren.
Sind Indizierungen und Verbote dazu geeignet, gesellschaftliche Debatten anzustoßen? Den Metal-Bereich habe ich als selbstkritisch, aber auch selbstreflektiert erlebt. Ich habe an der Universität Wuppertal mal einen Vortrag gehalten und war erstaunt, wie offen, interessiert und analytisch die da rangingen. Wie dort anhand der Cover und Texte über Tod und Gewalt gesprochen wurde, war fast schon eine philosophische Diskussion. Die Verbote wurden aber eher belächelt, weil von Leuten ausgesprochen, die in aller Regel keine Ahnung von den internen Codes haben. Ob Verbote etwas ändern können, kann ich nicht wirklich beurteilen. Sie können sicher zu einem Denkanstoß führen.
Wie repressiv oder liberal ist Deutschland mit seinem Konzept der Indizierung im internationalen Vergleich? Die Bundesprüfstelle mit ihrer “schwarzen Liste” ist meines Wissens eine weltweit einzigartige Behörde, aber natürlich gibt es auch in anderen Ländern Zensureingriffe, die wesentlich dramatischere Folgen für die Betroffenen haben können. Es ist keine Überraschung, dass zum Beispiel fundamentalistische oder diktatorische Länder auch bei der Musik pingelig sind. In der Türkei etwa wurden unlängst Musiker wegen staatskritischer Texte verhaftet, der Fall Pussy Riot in Russland wurde weltbekannt. Die Organisation freemuse.org sammelt weltweit Fälle. Die BPjM galt lange als repressiv, hat sich aber zu einem offeneren Kunstverständnis entwickelt.
In welche Richtung könnte die BPjM in den kommenden Jahren steuern? Wenn die Bundesprüfer selbstkritisch sind, werden sie feststellen, dass das Prinzip des Verbotsindex inhaltlich wie formal im Zeitalter des Internets überflüssig ist. Alte Gewissheiten, was jugendgefährdend und sozialschädlich ist, erodieren immer stärker. Alte Verbote werden aufgehoben, neue betreffen vor allem politischen Extremismus. Die Bekämpfung ist sinnvoll, aber in Form von Aufklärung und Schulprojekten, in denen man rechte Texte auch mal analysiert und denen den Stachel zieht. Man muss das kritische Nachdenken fördern. Das sind die Herausforderungen der Zukunft.
Hinweis: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags im Februar 2020 trug die Behörde noch den Namen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM). Seit April 2021 heißt sie Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ). Auch ist Martina Hannak nicht mehr die Vorsitzende. Wir sehen dadurch allerdings den Informationsgehalt des Beitrags nicht als verfälscht an und geben ihn hier unverändert wieder.
Wie ist die BPjM entstanden? Die erste Sitzung der Bundesbehörde findet 1954 statt – damals noch als “Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften” (BPjS). Zuvor gab es bereits ab 1949 im Bundestag Diskussionen darüber, den Jugendschutz auszubauen – vor allem aus Angst vor Verrohung und Anstiftung zu unsittlichem Verhalten. Die Umbenennung zur BPjM folgt 2003 als Reaktion auf das neue Jugendschutzgesetz, das nun auch das Internet als Medium berücksichtigte.
Warum wird überhaupt indiziert? Im Jugendschutzgesetz steht, dass “Medien in die Liste jugendgefährdender Medien aufzunehmen sind, wenn sie geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Person zu gefährden”, so Martina Hannak. Die BPjM wägt also immer zwischen Kunst- und Meinungsfreiheit und Jugendschutz ab.
Was kann die BPjM alles indizieren? Alles, was in Deutschland an Medien im Umlauf ist, also etwa Filme, Bücher und eben Musik. Das betrifft sowohl Trägermedien wie Blu-rays, CDs und LPs als auch “Telemedien”, also etwa einen Musikstream im Internet.
Prüft die BPjM von sich aus Musikveröffentlichungen? Nein. “Die Bundesprüfstelle stellt selbst keine Marktbeobachtungen und Recherchen an, um auf keinen Fall den Eindruck staatlicher Zensur zu erwecken”, betont Hannak. Stattdessen wird die Behörde nur auf Antrag oder Anregung von befugten Institutionen aktiv.
Wer kann Indizierungen auf den Weg bringen? Einen Antrag stellen können Jugendschutzbehörden, also vor allem Jugendämter, aber zum Beispiel auch das Bundesfamilienministerium. Eine Indizierung anregen können alle sonstigen Behörden, etwa Polizei, Zoll, Ordnungsamt oder Schulen, außerdem Bildungs- und Jugendeinrichtungen. “Der Unterschied ist, dass die Bundesprüfstelle bei einem Antrag ein Verfahren aufnehmen muss”, so Hannak. Anregungen werden vor einem möglichen Verfahren erst geprüft. Bürger:innen können also nicht selbst eine Indizierung anstoßen, sondern müssen sich an eine dieser Stellen wenden.
Wer entscheidet über eine Indizierung? Ein sogenanntes 12er-Gremium oder 3er-Gremium. Letzteres tagt in “einem vereinfachten Verfahren, wenn die Jugendgefährdung offensichtlich ist.” Das 12er-Gremium besteht aus der Vorsitzenden der BPjM, drei Vertretern von Jugendministerien und acht Beisitzern aus gesellschaftlichen Gruppen, die das Thema berührt – beispielsweise aus Kirchen, Lehrerschaft oder Jugendhilfe, aber auch aus Kunst, Literatur oder Medien. Im 3er-Gremium muss neben der BPjM-Vorsitzenden und einem Beisitzer immer ein Vertreter aus Kunst oder Medien dabei sein, “weil es sich bei der Kunstfreiheit um ein Grundrecht handelt, das der Indizierung entgegensteht.” Die Beisitzer werden von ihren jeweiligen Verbänden entsandt und vom Bundesfamilienministerium ausgewählt, besondere Expertise in Sachen Popkultur ist dabei keine Bedingung. “Unser Maßstab ist der gefährdungsgeneigte Jugendliche, den muss man zugrunde legen, um aus allen Blickrichtungen zu bewerten, welche Belange durch eine Indizierung beschnitten werden”, so Hannak. “Im Einzelfall werden aber beispielsweise Gutachten, auch zu Popkultur eingeholt.”
Wie läuft das Indizierungsverfahren ab? Zu Beginn werden die betroffenen Künstler informiert und können eine Stellungnahme abgeben, “was für das Gremium wertvoll ist, wenn sie etwas zum künstlerischen Gesamtkonzept sagen.” Das 12er- oder 3er-Gremium tagt dann nicht-öffentlich, hört den zu diskutierenden Song oder die ganze Platte, liest die Songtexte und diskutiert, ob eine Jugendgefährdung vorliegt und falls ja, ob diese schwerer wiegt als die Grundrechte der Künstler. Entscheidungen für eine Indizierung brauchen im 12er-Gremium eine 2/3-Mehrheit, im 3er-Gremium müssen sie einstimmig fallen, ansonsten muss noch einmal das 12er-Gremium urteilen. Ihre Entscheidung begründet die Bundesprüfstelle schriftlich, mit Verweisen auf die für eine Indizierung relevanten Titel.
Geht es bei Indizierungen von Platten immer um Songtexte? Nein. Die von der BPjM oft beanstandete “sozialethische Desorientierung” kann auch von Plattencovern oder Teilen des Booklets ausgehen. Meistens sind aber (auch) Songinhalte der Stein des Anstoßes. Bei manchen Platten ist sogar explizit beides indiziert.
Wie viele Anträge führen bei Platten zu einer Indizierung?
Die Zahlen schwanken, die Quote ist hoch: “Wir hatten 2019 insgesamt 92 Tonträger-Indizierungen und 6 Nicht Indizierungen, 2018 waren es 77 Indizierungen und 3 Nicht-Indizierungen.” Insgesamt stehen derzeit 1.814 Tonträger auf dem Index.
Welche Folgen hat eine Indizierung? Indizierte Platten dürfen nicht mehr öffentlich beworben und nur noch auf Nachfrage an Personen ab 18 Jahren abgegeben werden. Außerdem können beanstandete Songs indizierter Platten nicht live gespielt werden, sofern nicht sichergestellt ist, dass alle Zuschauer volljährig sind. Die Indizierung wird im Falle von Trägermedien auf der Liste A oder B – umgangssprachlich “Index” genannt – der BPjM notiert und veröffentlicht, bei Telemedien (Liste C und D) erfolgt keine Veröffentlichung, um einen Werbeeffekt für Medien zu vermeiden, die im Internet leicht zugänglich sind.
Wie unterscheiden sich Liste A und Liste B? Auf der Liste A werden Platten notiert, von denen laut BPjM eine “einfache Jugendgefährdung” ausgeht, auf der Liste B stehen solche mit “schwerer Jugendgefährdung”. Für beide Fälle gibt es Kataloge, eine einfache Jugendgefährdung ist etwa gegeben bei Inhalten, “die verrohend wirken, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizen, Selbstjustiz nahelegen oder detaillierte Gewalt- und Metzelszenen” enthalten. Die schwere Jugendgefährdung liegt vor, wenn Strafrechtsnormen verletzt sein könnten. “Dazu gehören zum Beispiel Volksverhetzung, Gewaltverherrlichung und Propaganda verfassungsfeindlicher Organisationen.” Die Folgen der Indizierung sind identisch, was auf Liste B landet, leitet die BPjM jedoch zusätzlich zur Prüfung an die Staatsanwaltschaft weiter. Stellt die keine strafrechtliche Relevanz fest, wandert die Platte wieder auf Liste A, andernfalls kann das Gericht die Platte beschlagnahmen lassen.
Wie unterscheiden sich Indizierung und Beschlagnahmung? Eine Beschlagnahmung erfolgt nie durch die BPjM, sondern setzt immer eine Entscheidung eines Gerichts voraus. Während indizierte Platten auf Nachfrage weiterhin an Volljährige verkauft werden dürfen, ist der Verkauf einer beschlagnahmten Platte komplett verboten. Wurde eine Platte noch vor einer möglichen Indizierung direkt von einem Gericht beschlagnahmt, folgen daraus die gleichen Beschränkungen wie bei einer vorherigen Indizierung, die Platte wird von der BPjM in einem eigenen Abschnitt im Index notiert.
Können sich Musiker gegen Indizierung wehren? Ja, sie können gegen die Indizierung klagen. Rammstein etwa erreichten 2011 vor Gericht, dass ihr Album “Liebe ist für alle da” wieder vom Index gestrichen wurde. Außerdem haben Musiker die Möglichkeit, eine vorzeitige Streichung vom Index zu beantragen, wenn ihrer Ansicht nach die Voraussetzungen für eine Indizierung nicht mehr gegeben sind. Die BPjM muss dann den Fall erneut prüfen.
Wie geht es nach einer Indizierung weiter? Indizierungen gelten 25 Jahre, “weil man sagt, dass jede Generation die jugendgefährdende Wirkung neu prüfen soll”, so Martina Hannak. Anschließend müssen indizierte Platten vom Index gestrichen werden, sofern die Bundesprüfstelle nicht eine Folgeindizierung ausspricht, weil sie die Platte weiterhin für jugendgefährdend hält. Beschlagnahmte Platten dagegen bleiben grundsätzlich so lange auf dem Index, bis der jeweilige Gerichtsbeschluss zur Beschlagnahmung aufgehoben wurde.
Lässt sich die BPjM von gesellschaftlichen Debatten beeinflussen? “Ich sehe uns als völlig unabhängig, da die Gremiumsmitglieder weisungsfrei sind”, sagt Martina Hannak. Zwar würden manchmal einer Indizierung mediale Diskussionen vorangehen, wie etwa im Fall von Kollegah und Farid Bang, deren Album “Jung, brutal, gutaussehend 3″ im April 2018 heiß diskutiert und dann im September gleichen Jahres indiziert wurde. Die Entscheidungen würden jedoch unvoreingenommen getroffen. Was die Spruchpraxis aber natürlich beeinflusst, sind die Erkenntnisse, die wir aus der Rechtsprechung gewinnen. Wenn ein Gericht eine Indizierung aufhebt, gilt es, die Gründe, die dazu geführt haben, künftig zu vermeiden.” Und andersherum: Wenn etwa das Bundesverwaltungsgericht eine Entscheidung bestätige, dann festige das die Bewertungsmaßstäbe der BPjM. Ansonsten spiegeln die Entscheidungen der Behörde auch den gesellschaftlichen Wertewandel wider: Was die im Jugendschutzgesetz erwähnte “Eigenverantwortlichkeit” und “Gemeinschaftsfähigkeit” von Jugendlichen gefährde, ändere sich, sodass auch die BPjM ihre Maßstäbe immer wieder nachjustieren müsse.
Beschränkt sich die Arbeit der BPjM auf Indizierungen? Nein. Indizierungen hätten laut Martina Hannak zwar weiterhin ihre Berechtigung, “wir und der Gesetzgeber wissen aber, dass es keinen lückenlosen Schutz geben kann.” Deshalb setzt die Bundesprüfstelle heute auch auf Öffentlichkeitsarbeit, mit Broschüren, Vorträgen und Projekten zur Medienaufklärung. “Wir wollen Debatten anstoßen und ein Teil davon sein, um Orientierung zu geben”, so Hannak.
Hinweis: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags im Februar 2020 trug die Behörde noch den Namen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM). Seit April 2021 heißt sie Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ). Wir sehen dadurch allerdings den Informationsgehalt des Beitrags nicht als wesentlich angegriffen an und geben ihn hier unverändert wieder.
“Wir wollen keine…!”: Auch vier Jahrzehnte nach der Veröffentlichung liest sich die Tracklist des Slime-Debüts wie der feuchte Traum nassforscher Verfassungsschützer: “A.C.A.B.”, “Deutschland” und “Bullenschweine”, allesamt zeitlose Soundtracks für Hausbesetzungen, Demos und Chaostage. Die Behörden werden kurz nach Veröffentlichung aufmerksam, die Band und ihr Label Aggressive Rockproduktionen geraten ins Visier. Bis das Album jedoch tatsächlich auf dem Index landet, dauert es.
Slime selbst haben den genauen Ablauf der Ereignisse gar nicht mehr parat. War “Bullenschweine” der Stein des Anstoßes? Oder doch “Deutschland”? Die Gitarristen Christian Mevs und Michael Mayer, genannt Elf, sind sich nicht mehr sicher. Ist ja auch alles schon einige Zeit her, ihr Debütalbum “Slime I” erschien 1981, zudem gab es über die Jahre zahlreiche Anwürfe Richtung Band von Seiten der BPjM, bevor die Platte 2011 satte 30 Jahre nach der Veröffentlichung doch noch indiziert wurde. Aber der Reihe nach.
Der Song “Wir wollen keine Bullenschweine” erscheint 1980 zum ersten Mal auf Slimes gleichnamiger Debüt-EP, das Cover zeigt die Band im Stile von The Clashs “White Riot”-Cover, mit dem Gesicht zur Wand, die Beine gespreizt. “Haut die Bullen platt wie Stullen, stampft die Polizei zu Brei. Haut den Pigs die Fresse ein, nur ein totes ist ein gutes Schwein”, heißt es im Text des Stücks, das auch Teil des ersten Slime-Albums wird, das im folgenden Jahr über Karl-Ulrich Walterbachs Label Aggressive Rockproduktionen (AGR) veröffentlicht wird.
Das Album verkauft sich bestens, die Hamburger treffen den Zeitgeist wie kaum eine andere deutsche Punkband. Ihre Songs sind nicht nur ein Fanal fürs Karoviertel und angrenzende Kampfzonen, sondern hallen überall dort wider, wo Staatsgewalt auf Widerstand trifft: bei Hausbesetzungen, Anti-AKW-Protest, Demos. Das ruft die Behörden auf den Plan: Rip Off, der legendäre Punk-Plattenladen von Klaus Maeck, wird auf Betreiben der Hamburger Staatsanwaltschaft bereits im Frühjahr 1982 durchsucht, Exemplare von “Slime I ” werden hier ebenso beschlagnahmt wie im Lager von Karl-Ulrich Walterbach und dem damaligen Vertrieb SPV. Maeck erhält eine Anzeige wegen Volksverhetzung, auf Nachpressungen werden die kritischen Stellen mittels Störgeräusch unkenntlich gemacht.
Doch nicht nur das Slime-Debüt gerät in den Fokus der Behörden, auch die Punk-Compilation “Soundtracks zum Untergang”, 1980 ebenfalls bei Walterbachs AGR erschienen, stößt auf Interesse außerhalb der Zielgruppe. Neben dem Song “Helden” der Frankfurter Band Middle Class Fantasies sind auch hier Slime der Stein des Anstoßes, mit “Polizei SA – SS” und “Keine Führer” lästern die Hamburger erneut über Polizeiapparat und Staatsmacht. Die Bonner Bundesprüfstelle beschließt die Indizierung des Samplers: “Die Liedtexte sind geeignet, den jugendlichen Zuhörern das Vertrauen in die Rechtsordnung und die Verfassungsmäßigkeit der staatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zu nehmen.” Die Compilation wird beschlagnahmt, bei den Neuauflagen erklingen an den entsprechenden Textstellen Huptöne. Die “Soundtracks zum Untergang” dürfen fortan nicht mehr beworben und nur an Kunden ab 18 Jahren verkauft werden.
Als Mitte der 80er das neue Medium CD zum Siegeszug ansetzt, spült das auch die Originalversionen der Slime-Songs wieder nach oben. “Karl Walterbach war einer der Ersten, der das Potential der CD erkannte”, sagt Slime-Musiker Elf. Slimes alte Songs erscheinen erneut, “mit dem Unterschied, dass das nun wieder die unzensierten Versionen waren.” Lange Zeit bleibt das ohne Folgen, die Kontroversen um die Songtexte nehmen erst Ende der 90er wieder Fahrt auf: Im Rahmen einer kleineren Demo in Berlin spielt einer der Veranstalter das Lied “Deutschland muss sterben” via Lautsprecher auf einem der Wagen und wird festgenommen. Gegen die vom Gericht festgelegte Geldstrafe legt er Widerspruch ein, geht durch alle Instanzen, bis das Bundesverfassungsgericht ihm im Jahr 2000 mit Verweis auf die Kunstfreiheit Recht gibt. “Es wurde festgesetzt, dass es sich eben nicht um einen Aufruf zur Gewalt handelt, sondern um Meinungsfreiheit”, erzählt Elf. “Wir beziehen uns im Lied ja auf den Spruch des Hamburger Kriegerdenkmals, den wir im Text einfach umkehren. Die Höhe der Dichtkunst sei dabei nicht entscheidend, hieß es da so schön. Wunderbar natürlich der Verweis auf Heinrich Heine, in dessen ‘Weberlied’ es einen ähnlichen Ansatz gibt: ‘Deutschland, wir weben dein Leichentuch’, heißt es da.”
Der Prozess weckt jedoch schlafende Hunde, das spürt auch Elf, der damals per Mailorder das Erbe der seit 1994 aufgelösten Slime verwaltet. “Die standen plötzlich vor mir im Lager, präsentierten eine Anzeige und zogen die unzensierten Platten ein.” Für Wiederveröffentlichungen auf “Weird System” von 2002 und 2003 spielen Slime Teile der Songs neu ein, das Risiko für härtere Konsequenzen erscheint der Band zu hoch. Im Zuge der Reunion der Band kommt es dann nach einem Konzert im Berliner SO36 im Dezember 2010 zu einer kleinen Straßenschlacht mit der Polizei, das LKA wird aufmerksam und jetzt geht plötzlich alles ganz schnell. Die Bundesprüfstelle urteilt im Mai 2011: Der Kunstgehalt von “Slime I” sei niedrig, dem Jugendschutz unbedingt Vorrang vor der Kunstfreiheit einzuräumen. Die Platte steht fortan auf dem Index, die Band (wieder) massiv unter Beobachtung. Einen Monat später steht die Polizei plötzlich vor einem Slime-Konzert in Jena im Backstage und droht, die Veranstaltung abzubrechen, sollten die Songs “Polizei SA – SS” und “Bullenschweine” zu hören sein. Auf der Homepage des Verfassungsschutzes jubiliert Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke: “Der Song ‘Bullenschweine’ ist ein wirklich widerliches Beispiel für Hass in der Musik. Ich bin deshalb froh, dass das Landeskriminalamt mit seinem Indizierungsantrag Erfolg hatte.”
Die Popularität der Songs hat unter all dem nie gelitten, im Gegenteil: Für das Slime-Tribute “Alle gegen alle” covern Brigade S. den Klassiker “Bullenschweine”, Herr Schwers liefert eine neue Version von “A.C.A.B.” – sodass auch dieser Sampler 2013 indiziert wird. Dem von Alec Empire zusammengestellten Soundtrack zum Film “Chaostage” und der Cover-EP “Brandsatzliebe” von Japanische Kampfhörspiele ergeht es dank Slime-Songs ebenso. Die Band geht auf ihre Weise mit ihrem Mythos um: Bei Slime-Konzerten trägt zuletzt auch mal ein Schauspieler Auszüge des Schriftverkehrs zwischen Band und Justiz als Intro vor. Im Laufe der Show überlässt die Band dann dem Publikum das Wort, wie Elf mit breitem Grinsen erzählt: “‘Deutschland’ ist bis heute einer unserer Zugaben-Hits, der erste Refrain immer als klassischer Mitsingpart. Da singt dann die ganze Halle a cappella ‘Deutschland muss sterben, damit wir leben können.’ Das ist natürlich absolut großartig.” Ingo Scheel
Zuletzt traten die australischen Punks C.O.F.F.I.N mit dem Hochgeschwindkeits-Rock’n’Roll ihrer Single “Cut You Off” und ihrer neuen Zusammenarbeit einiger internationaler Indie-Labels auf den Plan. Nun kündigt die Band aus Sydney ihr nächstes Album “Australia Stops” mit der neuen Single “Give Me A Bite” an.
Darauf gehen C.O.F.F.I.N (steht für Children Of Finland Fighting In Norway) nicht ganz so brachial zu Werke wie zuvor und pressen deutlicher mehr Melodien in ihren mit Hardrock-Riffs gespickten Garagepunk. Das erinnert mit einem ungewöhnlich schrillen Initalschrei von Brüll-Sänger und Drummer Ben Portnoy auch mal an Iggy And The Stooges, versteht sich aber vor allem als Verneigung vor Boogie-Rock der 70er.
Was C.O.F.F.I.N abermals von aktuell erfolgreichen Aussie-Punk-Bands unterscheidet und zu einer Art Midnight Oil aus der Gosse macht: Portnoy geht deutlich härter mit seinem Heimatland ins Gericht. Allein der Plattentitel “Australia Stops” (oft zu lesen auf LKWs dort) wirft politische Fragen auf. Die Band beleuchtet auf der Platte laut Eigenaussage das “‘untätige Australien’, die Maßnahmen unserer Regierung (oder das Ausbleiben davon) in Bezug auf soziale Fragen und die übergreifende Vorstellung von der Angst vor Veränderungen in diesem Land”.
Gleichzeitig geht es aber auch um “die Wichtigkeit der Gemeinschaft, das gesunde Herz von Kunst und Musik, die schönen Landschaften und die unterschiedlichen Naturgegebenheiten, die in Australien so geschätzt werden”, um weder eine positives noch negatives Fazit zu ziehen. Es gehe der Band nämlich vor allem darum, “Menschen um uns herum zu ermutigen und zu inspirieren, es besser zu machen”.
“Australia Stops” wurde von Jason Whalley (Frenzal Rhomb) produziert und erscheint in Europa am 15. September über Bad Vibrations. Die Platte kann dort bereits vorbestellt werden.
C.O.F.F.I.N gibt es bereits 18 Jahre, beschränkten sich bis vor kurzem aber hauptsächlich auf Releases und kleinere Shows in ihrem Heimatland. Letztes Jahr konnte sich die Australier als grandioser Support von Amyl And The Sniffers auch einem größeren Publikum in Europa präsentieren. 2021 stellten wir die Band bereits in unserer Newcomer-Rubrik vor.
C.O.F.F.I.N – “Australia Stops”
01. “Give Me A Bite”
02. “Cut You Off”
03. “City Sun”
04. “Keep It Dark”
05. “Lover’s Leash”
06. “Beasts”
07. “Australia Stops”
08. “Factory Man”
09. “Night Breaker”
10. “Through The Sewer”
11. “Faceless”
Das Green Juice Festival hat sich seit der ersten Ausgabe 2008 stetig vergrößert und ist mittlerweile eine etablierte Größe im jährlichen Festivalkalender. Im letzten Jahr fand das Festival zum ersten Mal an drei Tagen statt. Headliner des Zusatztages waren die Beatsteaks, die erstmals seit 20 Jahren wieder auf einer Bonner Open-Air-Bühne standen. Auch für dieses Jahr haben die Veranstalter:innen das Festival auf drei volle Festivaltage erweitert.
Mit dem nun veröffentlichten Timetable können die Besucher:innen ab sofort auch in die detailliertere Planung gehen. Eröffnet wird das Green Juice in diesem Jahr am Donnerstag um 16:20 Uhr von Twentyseven. Es folgen am ersten Tag noch Dilla und Von Wegen Lisbeth bevor die Donots den Tag zur Primetime um 20:15 Uhr abschließen werden. Der Freitag beginnt etwas früher um 14:30 Uhr mit Get Jealous. Es folgen Acts wie Power Plush, Ennio oder Schmyt bevor der Freitags-Headliner Leoniden um 21:30 Uhr die Bühne betritt. Am letzten Festivaltag können die Besucher:innen noch früher auf das Gelände, die Rogers beginnen bereits um 12:30 Uhr. Anschließend sind Bands wie Sperling, My Ugly Clementine oder Blackout Problems zu sehen, bevor Casper um 21:25 Uhr das Festival abschließen wird.
Neben der Hauptbühne gibt es noch eine weitere kleinere Stage, die in den Umbauphasen von verschiedenen DJs bespielt wird. Veranstalter Julian Reininger rechnet auch in diesem Jahr wieder mit einem vollen Park: “Wir freuen uns riesig, dass die Freund:innen des Green Juice Festivals auch in diesem Jahr so zahlreich zu uns aufs Gelände pilgern werden. Zwar gibt es noch ein paar Festivaltickets und auch für die einzelnen Tage sind noch Eintrittskarten verfügbar. Die Stellplätze für Wohnmobile auf unserem festivaleigenen Campingplatz sind aber bereits ausverkauft. Generell sind auf dem Campingplatz nur noch wenige Plätze zu haben. Wir gehen aktuell davon aus, dass wir, wie schon im vergangenen Jahr, ein ausverkauftes Festival haben werden.”
Darüber hinaus gibt es auf dem Green Juice Festival erstmals eine sogenannte “Lifestyle Area”. An verschiedenen Stationen können Besucher:innen aktiv sein, erklärt Reininger: “Nachdem wir im vergangenen Jahr erstmals eine Kleidertauschbörse auf dem Campingplatz hatten, wollten wir für dieses Jahr noch mehr Möglichkeiten bieten. Deshalb gibt es zum Beispiel Workshops zum Thema Upcycling und Basteln mit Trockenblumen. Wer möchte, kann zudem unserer Tattoo-Künstlerin einen Besuch abstatten.”
Das Green Juice Festival findet vom 3. bis 5. August im Park Neu-Vilich in Bonn statt. Letzte Festival- und Tagestickets und alle weiteren Informationen gibt es auf der Festivalwebseite.
Platte der Woche: PJ Harvey – “I Inside The Old Year Dying”
PJ Harvey (Foto: Steve Gullick)
Auf ihrem neuen Album stellt sich PJ Harvey ihrem letzten Endgegner: sich selbst. Die Singer/Songwriterin begibt sie sich zu den Wurzeln ihrer Liebe zur Musik, während die auf Improvisation aufbauenden Songs gleichzeitig von Verlust und Traurigkeit handeln. Ihre Stimme setzt sie dabei auch mal fast opernhaft ein (“Prayer At The Gate”), um bereits im nächsten Moment düstere Töne anzustimmen. Eine selbstreflexive Auseinandersetzung mit dem inneren Schmerz, die die Stärke dieses Albums ausmacht.
Mit “Inner Smile” legen Annie Taylor zwischen Garage-Punk-Stücken (“Schoolgirl”) und Slacker-Tracks (“Birds”) die passende Dosis Enthusiasmus und Entspannung an den Tag, die für ein gelungenes zweites Album nötig sind. Und dafür braucht es manchmal nicht mehr als drei Akkorde – das beweisen sie mit “Love Is Blind”.
Nachdem Itchy auf ihrem bislang letzten Alben Ausflüge ins Deutsche gewagt haben, legen sie nun wieder eine englischsprachige Platte vor. Auf dieser befeuern sie mit Pop-Punk-Songs wie “Come Join Us” zwar wieder gewinnbringend den Moshpit, nur etwas kräftezehrend lang ist das neunte Album dann doch geworden.
Local Natives lassen auf “Time Will Wait For No One” die vergangenen Jahre Revue passieren. Von familiären Veränderungen bis hin zur Pandemie reflektieren sie zwischen Indie-Folk, bedrohlichen anmutenden Synthieklängen und dem ein oder anderen Gitarrensolo positive wie negative Erfahrungen.
V.A. – “The Endless Coloured Ways: The Songs Of Nick Drake “
“The Endless Coloured Ways” ist eine Hommage an den früh verstorbenen Singer/ Songwriter Nick Drake und an dessen ruhig fließenden Songs. Insgesamt 25 Beiträge aus den Genres Indie, Post-Punk und Folk umfasst das Album, das durch die unterschiedlichen Einflüsse den poetischen Grundgedanken von Drake in die Jetztzeit überträgt.
Mit Songs, die zwischen drei und 23 Minuten lang sind und zwischen Be- und Entschleunigung hin und her pendeln, bewegen sich Yawning Balch (und Yawning Man) Richtung Unendlichkeit. Dabei setzen sie auf Improvisation und auf Effektgeräte, die einen mit der Zeitmaschine geradewegs in die kalifornische Wüste der 80er Jahre katapultieren.
Anohni And The Johnsons- “My Back Was A Bridge For You To Cross”
Reduzierter Soul trifft auf lärmigen Rock: Anohni And The Johnsons haben ihre Wut und die Trauer über den Zustand der Welt abgelegt, und zeigen sich von ihrer kämpferischen Seite. Vor allem die widerständige Hymne “Can’t” verdeutlicht diesen Wandel und lässt von der Zerbrechlichkeit früherer Alben nur noch Bruchstücke übrig.
Auf “The Greater Wings” sind Gitarre, Klavier und Streichinstrumente die tonangebenden Werkzeuge, die dem Album zwischen all dem Kummer Hoffnung verleihen und mindestens so viel Schönheit wie Schmerz transportieren. Ein Gefühl, das sich nicht zuletzt durch Julie Byrnes charakteristische Stimme und die teils dominierenden Harfenklänge (“The Moon”) einstellt.
Plaiins – “Puppet”
Mit ihrer ersten EP “Puppet” kreist das lärmige Alternative-Trio Plaiins inhaltlich um mentale Gesundheit, politische Missstände und Liebeskummer, allerdings ohne viel Melancholie und Herzschmerz. So gleicht “Wooha! (speak easyyy)” einer kontrollierten Sprengung, während “Your friends All Bore Me” die Eintönigkeit früherer Beziehungen thematisiert.
Das kommende Biopic “Bob Marley: One Love” erzählt die Geschichte der Reggae-Ikone mit Kingsley Ben-Adir (u.a. “One Night In Miami…”, “Peaky Blinders”) als Bob Marley und Lashana Lynch (u.a. “No Time to Die”), die seine Frau Rita spielt. Regie führte Reinaldo Marcus Green (u.a. “King Richard”), das Drehbuch stammt unter anderem von Terence Winter (“The Wolf Of Wall Street”, “The Sopranos”, “Boardwalk Empire”). Auch ein Teil der Marley-Familie war an der Produktion beteiligt.
Darin soll es vor allem um die Zeit nach einem Attentat auf Marley im Jahr 1976, als er sich darauf vorbereitet, 1978 für das “One Love Peace Concert” nach Jamaika zurückzukehren. Weiterhin feiere der Film laut Paramount Pictures “das Leben und die Musik einer Ikone, die Generationen durch seine Botschaft der Liebe und Einheit inspiriert hat”.
Bob Marley machte ab Mitte der 70er Reggae und die Rastafari-Kultur einem größeren Publikum in der westlichen Welt zugänglich. Weiterhin setzte er sich für die Rechte der afrikanischen Bevölkerung, gegen Ungleichheit und Rassismus ein. Er starb 1981 mit nur 36 Jahren an Krebs.
“Bob Marley: One Love” soll am Freitag, den 12. Januar 2024, in die Kinos kommen.
Casper hält das Tempo hoch: nachdem er Mitte Juni überraschend noch für diesen November ein neues Studioalbum angekündigt und wenig später mit “Emma” die erste Single geteilt hatte, folgt nun bereits der zweite Vorgeschmack. Auf “Sommer” holt er sich dabei die Unterstützug von Rapper Cro, mit dem er bereits 2012 auf dem Solotrack “Nie Auf” zusammengearbeitet hat.
Auf “Sommer” beschäftigen sich die Beiden erneut unter anderem mit Selbstzweifeln (“Nein ich bin kein Gewinner/ Eis wird immer dünner”) und nutzen dafür auch kalendarische Metaphern: “Kalender sagt Mai, doch fühlt sich an wie Winter”. Zudem bleiben auch in den Strophen die Bilder und Vergleiche mit dem Wetter präsent, zum Beispiel durch Zeilen wie “den Kopf in den Wolken”, “Thermometer steigt doch es fühlt sich wie Herbst an” oder “hör das Prasseln an der Scheibe und es donnert”. Auch mentale Probleme werden vor allem von Casper, ähnlich wie auf “Emma”, ebenfalls wieder thematisiert: “Jalousie zu, denn im Kopf ist Gewitter”. “Sommer” wird trotzdem von einem eher simpleren und zurückgelehnten Beat getragen, der im ersten Moment nicht zwingend auf eine eher ernstere Thematik schließen lässt. Produziert wurde der Song vom Kollektiv Hitimpulse mit Sitz in Berlin.
Emotionale Themen in seinen Songs zu verarbeiten, ist für Casper nichts Neues. Bereits 2017 besingt er auf “Lang lebe der Tod” in “Deborah” seine Depressionen oder erzählt in “Billie Jo” aus seinek aktuellen Album “Alles war schön und nichts tat weh” die Geschichte seiner Cousine in den USA, die von ihrem Mann erschossen wurde oder den Auswirkungen des Hurricanes Katrina auf den Teil seiner Familie in New Orleans.
Das dazugehörige Video zeigt Casper und Cro in verschiedenen Szenarien in einem zusammenhängenden Wohnblock. Dabei gibt es Szenen in und mit Fußballfans, einem Beziehungsstreit, älteren Damen beim Kartenspiel oder beim Workout auf dem Balkon.
Caspers neues Album “Nur Liebe, immer” erscheint am 24. November und kann weiterhin in verschiedenen Varianten vorbestellt werden. Mit dem Album spielt er im kommenden Jahr nur ein einziges Konzert in der Bielefelder Schüco-Arena. Die Show ist allerdings bereits ausverkauft. Cro hatte im August 2022 sein aktuelles Album “11:11” veröffentlicht.
Live: Casper
02.07. Sankt Gallen – OpenAir St.Gallen
05.08. Bonn – Green Juice Festival