Zugegeben, aufgelegt habe ich Rancids “… And Out Come The Wolves” (1995) seit einigen Jahren nicht mehr. Das lag weniger daran, dass ich bis vor kurzem das Album nicht auf Vinyl, sondern nur auf einer mittlerweile verschollenen CD besessen habe, sondern eher daran, dass ich es als eine der wenigen Platten komplett auswendig mitsingen kann und längst totgehört habe.
Auch sonst wurde mein Verhältnis zu einer der Bands – nach Green Day, NOFX und den Sex Pistols -, mit denen ich Punk für mich in den frühen 2000ern entdeckte, immer kühler. Grund: Ihr Auftritt beim Groezrock 2016, bei dem sie “… And Out Come The Wolves” komplett und der Reihenfolge nach gespielt haben, war perfekt. So perfekt sogar, dass kein Unterschied zur Platte zu spüren war. Man hätte das Album auch einfach auflegen können. Tim Armstrong hatte nicht wirklich Bock, Ansagen und Interaktionen gab es maximal von einem minimal enthusiastischeren Lars Frederiksen. Das, was ich mir als absolutes Happening à la “eine Lieblingsband spielt ein Lieblingsalbum” vorgestellt hatte, hatte einen ziemlich bitteren Nachgeschmack. Und auch sonst: die vergangenen drei Alben, die mehr nach lieblosen Remakes klingen und zuletzt sogar den obligatorischen Ska-Song vermissen ließen, schafften es nicht, meine Liebe zu Rancid aufzuwärmen.
Meine Liebe zu Rancid und “… And Out Come The Wolves” war zuletzt also eher ein verblichenes Polaroid – an guten Tagen. Zumindest bis vor kurzem. Anstoß für die Annäherung gab es durch Frontmann Jordan Cardy von Rat Boy, der sich im Interview und bei unserem kurzen Treffen ein paar Stunden vor seinem Auftritt auf dem Reeperbahn Festival als Rancid-Ultra erwies. Sein Enthusiasmus für die Band ist ansteckend und nach der Show von Rat Boy im Molotow, die den Spirit von Rancid und unpeinlichen Ska-Punk überraschend furios aufleben ließ, erstand ich diese Testpressung von “… And Out Come The Wolves” am Epitaph-Stand (Der Erlös ging an sea-watch.org, es kann auch noch gespendet werden). Wohl von einer Reissue. Aber egal, we are back!
Über das Album selbst muss man nicht viel sagen: Es ist Rancids bestes und hat verdient auch im Mainstream Erfolg gehabt. Mindestens eine 12/12 im VISIONS-Ranking. Matt Freemans Basslines in “Maxwell Murder” sind vermutlich die besten in einem Punk-Song überhaupt, “Time Bomb” und “Old Friend” haben der dritten Ska-Welle einen gehörigen Arschtritt verpasst und “Ruby Soho”, “Olympia, WA” oder “Journey To The End Of East Bay” sind Hits für die Ewigkeit.
Klar, poppige Zugänglichkeit und dieses omnipräsente Gefühl, nicht dazu zu gehören, machen es einem als Jugendlicher leicht, mit dem harten Image dieser vermeintlichen Paradepunks Anknüpfungspunkte zu finden. Das wissen zwar auch die Millionen auf Tim Armstrongs Konto, was man ihm aber lassen muss: Er schaffte es, mit seinen oft ernsthaften Geschichten über das Leben auf der Straße der East Bay Area sowie dem städtischen und sozialen Verfall sich von frustrierten Teenager-Songs übers Kiffen und Masturbation (Hallo, Green Day) abzuheben und in seiner Nietenjacke auch glaubwürdig zu wirken. Sogar – oder gerade – für 13-Jährige aus dem Ruhrpott. Was man nicht vergessen darf, trotz allem sind Rancid wie NOFX nie zu einem Major gegangen. Nur haben letztere nicht aufgehört, sich zu entwickeln, und nebenbei die einfallsreicheren Cover auf dem gemeinsamen Split-Album gespielt – aber das ist eine andere Geschichte.
Ich wünschte, ich könnte wie meine Kolleg:innen auch einen Deep Cut oder Geheimtipp vorstellen, und nicht so eine offensichtliche Konsensplatte, aber “Wiederhören” trifft für mich aktuell auf kein anderes Album mehr zu. In diesem Sinne: “The only thing different is the way I feel about you.”