14 Wild Mood Swings
VÖ: 1996 | Label: Fiction/Elektra
Immer mal wieder zieht sich Robert Smith an den eigenen Haaren selbst aus dem Sumpf der Schwermut, versucht sich an Lockerheit. Oft genug geht das gut – wie diese Liste zeigen wird. Hier klappt’s nicht. Mit “Want” bietet das Album einen einzigen brauchbaren Cure-Song. Danach versinkt die Platte in einem artifiziellen Sound – und auch die meisten Songs taugen nichts. Weil sie klingen, als habe die Band sie am Rechner zusammengebaut, statt sie zu spielen. Rätselhaft, warum Robert Smith bei seinem Versuch, The Cure an den Britpop anzunähern, so krachend scheiterte.
13 The Cure / 4:13 Dream
VÖ: 2004/2008 | Label: I Am/Suretone/Geffen
Zwei Alben, die man zusammenfassen kann, weil sie erstens gleichhässliche Artworks haben und zweitens beide versuchen, The Cure an den Alternative Rock der mittleren Nullerjahre anzudocken. Auch das geht schief. Weil The Cure nie gut sind, wenn sich an den Zeitgeist orientieren. Vor allem der Schlagzeugsound irritiert: Auf beiden Alben klingen die Drums, als habe es im Studio nicht genug Mikrofone geben. Beide Alben besitzen einige wenige Höhepunkte, auf “The Cure” überzeugen das erste (“Lost”) und das letzte Stück (“The Promise“), “4:13 Dream” startet mit den tollen Songs “Underneath The Stars” und “The Only One”, um danach im Klangmorast zu versinken. „I can’t do this anymore“, singt Smith beim letzten Song “It’s Lost”. Nicht wenige glauben, dies sei das Ende der Band. Es wäre kein Happy-end gewesen.
12 The Top
VÖ: 1984 | Label: Fiction/Sire
Robert Smith steht 1983 und 1984 auf Psychedelic. Er bringt Siouxsie & The Banshees als Gitarrist neue Farben bei, gründet das vielfarbige Nebenprojekt The Glove, das mit “Blue Sunshine” ein überzeugendes Album veröffentlicht, bei dem die Balance stimmt. Für “The Top” gilt das nicht. Es gibt tolle Songs wie das nervöse “Shake Dog Shake” oder die verspielten Popsingle “The Caterpillar”. Gerade in der zweiten Hälfte wird das Album aber zähflüssig: Der Druck des Anfangs, erzeugt von atemlosen Songs wie “Give Me It”, verschwindet, die Melancholie bannt sich ihren Weg, klingt aber längst nicht so überzeugend wie auf den Kernwerken der Band. Kurz: “The Top” ist ein Album wie ein unnötiger Zwischenschritt.
11 Japanese Whispers
VÖ: 1983 | Label: Fiction/Sire
Auf den drei Platten zuvor haben The Cure Albträume vertont. Verständlich, dass Robert Smith jetzt auch mal über süße Träume singen will. Er tut das in Form einer kurzen Compilation, die nicht einmal eine halbe Stunde lang läuft. Am besten nähert man sich “Japanese Whispers” mit der Vorstellung einer verkappten Sammlung von Singles, mit starken A-Seiten wie “Let’s Go To Bed”, “The Lovecats” oder dem von New Order beeinflussten “The Walk” sowie soliden B-Seiten wie “Speak My Language” oder “The Dream”. Über die volle Distanz fehlt “Japanese Whispers” die Tiefe der Platten zuvor. Was sie jedoch bietet: gute Unterhaltung.
9 Bloodflowers
VÖ: 2000 | Label: Fiction/Polydor/Elektra
Robert Smith konzipiert “Bloodflowers” als Album, das aus “Pornography” und “Disintegration” eine düster funkelnde Trilogie werden lässt. Es fehlt nicht viel, aber ganz gelingt das nicht. Vor allem fehlt es “Bloodflowers” an einem erzählerischen Rahmen. Das Album bietet eine bandtypische Fassade, doch dahinter glüht zu wenig. Die großen Ausnahmen sind der starke Titeltrack sowie insbesondere “The Last Day Of Summer”, ein Lied, das alles, was The Cure mit ihrer Musik aussagen können und wollen, zusammenbringt: Der Herbst kommt – und nach ihm der Winter.
9 Seventeen Seconds
VÖ: 1980 | Label: Fiction
Die Fans feiern noch die frühen Singles wie “Boys Don’t Cry”, da schalten The Cure in den Nacht- und Nebelmodus. “Seventeen Seconds” ist das erste Album, das seine Kraft aus Robert Smiths ewiger Schwermut zieht. Der Albtraum “A Forest” ist ein Gothic-Hit für Schwarzlichtdancefloors, mit “Play For Today” oder “At Night” stellen The Cure ihre ganz eigene Formel auf. Mitten im Nebel schimmert ein Liebeslied: “M”, geschrieben für Smiths damalige Freundin und seit vielen Jahren Ehefrau Mary Poole. Das Geheimnis um die titelgebenden 17 Sekunden hat Smith nie offiziell gelüftet. Interessant ist, dass die Zeitspanne in ihren Weg in die Popkultur gefunden hat, als Episodentitel für Serien wie “Grey’s Anatomy” oder “Piccard” sowie als Regel für Motivations- und Selbstoptimierungsprogramme von Influencern.
8 Three Imaginary Boys / Boys Don't Cry
VÖ: 1979/1980 | Label: PVC/Fiction
Für dieses eine, erste Album und die frühen Singles erfinden die blutjungen The Cure einen Klang, den sie nachher nie wieder spielen. Eine minimalistische New-Wave-Variante, beeinflusst von Schriftstellern wie Albert Camus, Post-Punks wie Wire, dem Erfindungsgeist von David Bowie. Trocken eingespielte Songs wie “Grinding Halt” und “Fire In Cairo” sind heimliche Klassiker, “10.15 Saturday Night” packt Smith bis heute auf die Setlists. Ein Jahr später kommt das Debüt in neuer Form noch einmal auf den Markt, nun mit dem Titel “Boys Don’t Cry”, neuem Cover, erweitert um diese und andere fantastische Singles wie “Jumping Someone Else’s Train” und “Killing An Arab”.
7 Kiss Me, Kiss Me, Kiss Me
VÖ: 1987 | Label: Fiction/Elektra
Erneut ein Album, das den Spagat zwischen Pop und Schwermut wagt – und hier gelingt er. Es zahlt sich aus, dass Smith die Platte als Doppel-LP anlegt, mit fast 75 Minuten Spielzeit. Die schweren Bretter wie “The Kiss”, “Torture” oder “The Snakepit” erhalten genügend Zeit, um sich zu entfalten. Die Gitarren kreischen, die Wunden liegen offen. Im Kontrast dazu gibt es perfekten Pop: “Just Like Heaven”, “Catch”, “The Perfect Girl” – besser geht’s nicht. Und: The Cure spielen Funk (“Hot Hot Hot !!!”) und Blue-Eyed-Soul (“Why Can’t I Be You”) – und auch das funktioniert. Die Geheimtipps des Albums: “Fight”, eine Kampfansage an die Depression, und “How Beatiful You Are”, beeinflusst von einem Gedicht von Charles Baudelaire, arrangiert mit Akkordeon, beginnend mit den Zeilen: „You want to know why I hate you? Well, I’ll try and explain/ You remember that day in Paris, when we wandered through the rain.“
6 Faith
VÖ: 1981 | Label: Fiction
Nach “Seventeen Seconds” ist “Faith” das zweite Album der ersten Dunkelphase. Smith, Kind aus einem katholischen Elternhaus, schwört beim ersten Song “The Holy Hour” dem Glauben ab. Danach macht er sich – nicht ohne Selbstmitleid – auf die Suche nach Dingen, denen er überhaupt vertrauen kann. Viel findet er nicht. Vielleicht die Liebe – mit der Möglichkeit der größtmöglichen Enttäuschung. Eine zweite Erzählebene sind Songs wie “The Drowning Man” oder “All Cats Are Grey”, die Szenen aus Mervyn Peakes Kult-Romanreihe “Gormenghast” vertonen, eine Fantasy-Geschichte wie Tolkiens “Herr der Ringe”, jedoch mit weniger Hokuspokus, dafür mehr soziopolitischen Analogien.
5 Wish
VÖ: 1992 | Label: Fiction/Elektra
Bei der Veröffentlichung wird “Wish” bei den Fans skeptisch empfangen. Da ist diese unverschämt eingängige Single “Friday I’m In Love”, mit der The Cure ihren Weg ins Formatradio finden, wo sie zwischen Westernhagen und Right Said Fred laufen. Bei dieser Ungeheuerlichkeit geht zunächst unter, dass “Wish” die perfekte Platte für alle ist, die sich nicht zwischen den poppigen und schwermütigen Cure entscheiden wollen. Stücke wie “High”, “Doing The Unstuck” und eben “Friday I’m In Love” machen gute Laune. Den Gegenpol bieten Songs wie “Trust” oder “To Wish Impossible Things”, die Hoffnungslosigkeit in Schönheit kleiden. Im Herzen des Albums steht der psychedelische Rausch “From The Edge Of The Deep Green Sea” – damals kaum beachtet, heute ein Geheimfavorit von Fans und Band.
4 Songs Of A Lost World
VÖ: 2024 | Label: Fiction/Polydor/Capitol
Es fällt schwer und ist vielleicht unmöglich, das neue Album schon jetzt in ein Ranking einzuordnen. Diese Position ist aber eine Vermutung. Was Robert Smith bei “Bloodflowers” noch nicht gelang, geht nun auf: “Songs Of A Lost World” baut auf “Pornography” und “Disintegration” auf. Das Thema das Albums ist der Tod. Smith verlor seine Eltern und seinen Bruder. Seine Gedanken gehören der Frage, was bleibt, wenn Menschen gehen. Das Ergebnis seiner Überlegung: nichts. Nicht die Liebe, nicht die Lieder. Das ist eine sehr traurige Erkenntnis. Doch The Cure überführen sie in eine schwere, marschierende Musik, die dennoch nicht niederschmettert, sondern erhebt.
3 The Head On The Door
VÖ: 1985 | Label: Fiction/Elektra
Was bei “The Top” nicht gelang, funktioniert nur ein Jahr später: “The Head On The Door” ist die 80s-Platte von The Cure. Die Singles “In Between Days” und “Close To Me” sind heute Klassiker, glänzen nicht nur durch ihre Melodien, sondern durch den Druck ihrer Produktion. Mit “Push” wartet ein weiterer mitreißender potenzieller Hit auf der Platte, der jedoch nicht als Single erscheint. Im Unterschied zu den Vorgängeralben überzeugen auch die zwielichtigen Lieder wie der “Kyoto Song” sowie “The Blood”, bei dem die Band mit Flamenco-Elementen experimentiert. Die Erweiterung des Klangs tut dem Album gut. Es endet mit “Sinking”, einem Vollbad aus Synthie-Sounds, ausgestattet mit einem geheimnisvollen Groove.
2 Pornography
VÖ: 1982 | Label: Fiction/A&M
Das Album, mit dem The Cure die Schrecklichkeit der Existenz sezieren. Auf Basis der schlimmsten Gefühle wie Scham und Angst. Wichtig ist: Es gibt auf “Pornography” zwar einen Song mit dem Titel “Cold”, doch entspricht die Stimmung des Albums eher dem Design des Covers, das ein verwaschenes Rot mit schemenhaften Figuren zeigt, wie aus den Abgründen eines David-Lynch-Films. Robert Smith sagt nach den Aufnahmen, es habe nur zwei Wege gegeben: aufzugeben – oder mit diesen acht Songs alle Gifttöpfe zu öffnen. Das Resultat ist ein Album, gegen das die von Joy Division nach guter Laune klingen. Und doch gibt es auf “Pornography” auch Pop-Momente wie die Single “The Hanging Garden”.
1 Disintegration
VÖ: 1989 | Label: Fiction/Elektra
Robert Smith beendet die bunte psychedelische Phase mit einer dunklen psychedelischen Platte, deren Atmosphäre genau den Farbtönen des Covers entspricht. Smiths rote Lippen stechen heraus, ein Verweis auf das Lippen-Cover von “Kiss Me, Kiss Me, Kiss Me” und die Liebeslieder dieser Platte. Um die Liebe geht es auf “Disintegration” auch. Und zwar vor allem um die Angst, sie zu verlieren. Mit Liedern wie dem eröffnenden “Plainsong”, “Pictures Of You” oder “Prayers For Rain” findet die Band einen neuen Klang, der die Schwermut mit unmittelbarer Schönheit verbindet. Das Gift in den Gedanken, in der Musik ist milder. Dazu bietet “Disintegration” Hits. Nicht für die Goth-Disco, sondern fürs Radio, fürs Musikfernsehen, für herkömmliche Partys. Mit “Lullaby” geht’s in die Geisterbahn, “Love Song” ist ein weiterer Tribut an Smiths große Liebe Mary Poole, “Fascination Street” ist ein ungewohnt wuchtiger Song, basierend auf einer feucht-fröhlichen Nacht rund um die Bourbon Street in New Orleans. Also doch: The Cure sind eben auch eine Rockband.
Inhalt
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