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Die Welt als Bühne

Als Joaquin Phoenix 2019 in Clownsschminke über die Leinwände tanzte, jubelte die Kritik, doch unumstritten war diese Performance nicht. Denn die Verordnung der jüngsten Inkarnation des berühmt-berüchtigten DC-Bösewichts und Batman-Erzfeindes in unserem gesellschaftlichen Klima ist schwierig. Da ist einmal der Joker als Robin Hood des Spätkapitalismus, als Galionsfigur von “Kill the rich” und “ACAB”, der die Barbarei unserer Welt aufzeigt, die die Schwächsten fallen lässt und mit Füßen tritt. Dann ist da aber auch der Joker, der unangenehm an den domestic terrorism in den USA erinnert, an die weißen “Lone Wolfs” und Incels, die sich radikalisieren, weil sie nicht das bekommen, was ihnen ihrer Meinung nach zusteht – einen guten Job, eine Freundin, Respekt und Aufmerksamkeit. Die weitreichende Glorifizierung von Phoenix’ Rolle war in diesem Kontext beunruhigend.

Wie geht es fünf Jahre später also mit dem Joker weiter? Regisseur Todd Phillips (“Hangover”), der erneut das Drehbuch mit Scott Silver (“8 Mile”) geschrieben hat, kann der Materie wenig Neues hinzufügen. Joker/Arthur Fleck ist seit seinen Verbrechen des ersten Films im Arkham Asylum inhaftiert, wo er auf seinen Prozess wartet. Dort lernt er Lee Quinzel (Lady Gaga) kennen, die ihn für seine Taten bewundert und eine ungesunde Obsession für ihn entwickelt. Viele biografische und äußerliche Charakteristiken der Harley Quinn wurden hier gezielt außen vorgelassen, um einen weniger manischen, dafür umso manipulativeren und berechnenderen Gegenpart zum oft kindlich-naiven Arthur Fleck zu schaffen.

Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des ersten “Joker”-Films treten weitgehend in den Hintergrund, während “Folie À Deux” auf dem Drahtseil zwischen Romanze, verquerem Gerichtsdrama und Kabarett balanciert. Der dünne Plot fokussiert sich auf Flecks inneren Kampf mit seinem Alter Ego und seine verzweifelten Versuche, sein Leben und Gewissen mit seiner Schuld (oder vermeintlichen Unschuld) zu navigieren. Das hier ist nicht der Joker als kriminelles Mastermind, sondern als gebrochener Mann mit dem unbändigen Wunsch nach Liebe. Sein im ersten Teil stark überstrapaziertes hysterisches Lachen wurde dabei glücklicherweise auf ein Minimum reduziert.

In “Joker: Folie À Deux” gilt “style over substance”, denn Atmosphäre, Kameraarbeit und schauspielerische Performances können oft darüber hinwegtäuschen, dass die Handlung eher rudimentär ist. Dass der Film als Musical daherkommt, ist der einzige Grund, warum diese Story auf über zwei Stunden aufgeblasen werden konnte und ergibt in vielerlei Hinsicht Sinn: Schon im Vorgängerfilm spielten Songs wie Sinatras “That’s Life” eine große Rolle, nun illustrieren sie den Wahn Flecks und Quinzels. Alte Standards wie “Get Happy” und “That’s Entertainment” verdeutlichen ihre Flucht in eine Fantasiewelt, in der das ganze Leben eine Show ist – und sie die Stars sind; sie sind die nostalgische Sehnsucht nach einem vergangenen goldenen Zeitalter, in dem alles einfach und gut war. Ihre volle psychotische Wirkung entfalten die Show Tunes im Kontrast mit Hildur Guðnadóttirs düsterem, erneut preisverdächtigen Score – dennoch bringen die regelmäßigen musikalischen Einschübe die dünne Handlung immer wieder ins Stocken.

Am Ende der ganzen Chose weiß man kaum mehr über Arthur Fleck als zuvor, auch wenn Joaquin Phoenix und Lady Gaga alles aus ihren tragischen Anti-Held:innen herausholen. Als potenzielles Interquel vor weiteren Teilen dieser Geschichte könnte “Folie À Deux” nachträglich an Bedeutung gewinnen, aktuell kann man jedoch nur sagen: “It’s a vibe”, und wenig mehr.

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»c/o Punk«

Reza, wie kam es zur Entscheidung, ein neues Festival ins Leben zu rufen?

Reza Danaei: Kai [Suffa-Friedel] und ich haben bereits in der Vergangenheit viele Konzerte organisiert. Nach der Pandemie fiel uns auf, dass in den Subkulturen, in denen wir sozialisiert wurden – insbesondere Punk und Hardcore – ein frischer Wind weht. Eine neue Generation ist in dieser Szene herangewachsen, wie die Punk-Welle im UK oder die Post-Punk- und New-Wave-Szene in Deutschland. Diese Entwicklungen haben uns auf die Idee gebracht, ein Festival im Ruhrgebiet zu organisieren, um all diese “nischigen” Strömungen zusammenzubringen und ihnen eine Plattform zu bieten.

Welche Rolle spielt der Verein hinter dem Festival?

Wir haben ziemlich schnell gemerkt, dass wir mehr machen wollen als nur ein Festival. Also haben wir den Verein Zinnober e.V. gegründet – einerseits, um unsere Events unter einem Dach zu bündeln und aber auch um den Umgang mit den Finanzen zu erleichtern, damit das Finanzamt glücklich ist. Das ist dann der weniger punkige Teil des Ganzen.

Wie würdet ihr das übergeordnete Konzept hinter dem Zinnober Festival beschreiben?

Das Zinnober Festival ist ein urbanes Underground-Festival, das Musik, Kunst und Design verbindet, mit Fokus auf Nachwuchsförderung und der Unterstützung von neuen Künstler:innen.

Warum findet das Zinnober in Essen statt? Warum fiel die Wahl auf das Delta?

Das Delta ist ein altes Industriegelände mit urbanem Charme, das perfekt zur Idee vom Zinnober passt. Da es aber hauptsächlich als Mainstream-Club genutzt wird, wollten wir das Angebot dort ergänzen und die Location für unsere Vision „erobern“.

So etwas wie eine „Networking Lounge“, in der Musiker:innen und andere Aktive der Szene zusammenkommen, sieht man auf größeren Festivals eher selten. Könnt ihr die Idee dahinter noch etwas genauer erläutern?

Das kommt aus unserem Background: Kai arbeitet in der Kreativ-, ich in der Musikbranche. Unsere Vision war es, Bands und Künstler:innen aus verschiedenen Bereichen in einer lockeren Atmosphäre mit Profis aus der Industrie zusammenzubringen, um Netzwerke zu schaffen – ganz bewusst ohne Panels oder Gesprächsrunden. Weniger Vorträge, mehr direkte Kommunikation miteinander.

Kann man das Festival als Bestreben verstehen, die alternative Musikszene des Ruhrgebiets etwas näher zusammen zu bringen?

Ja, definitiv. Wir haben auch durch Feedback von außen gemerkt, dass eine Nachfrage nach einer Plattform für alternative Musik da ist. Sozusagen eine Art “c/o Pop” für Underground-Musik. Man könnte unser Festival auch als “c/o Punk” bezeichnen.

Die Auswahl an Bands ist ziemlich breit, was Genres und Herkunft angeht. Was waren eure ausschlaggebenden Kriterien fürs Booking?

Uns war wichtig, nur Bands zu buchen, die wir selbst gut finden und hinter denen wir stehen. Die Genres der Bands und Künstler:innen sind allerdings sehr unterschiedlich, von New Wave über Hardcore bis hin zu Synthpop oder Black Metal mit türkischen Texten. Was sie jedoch verbindet, ist eine geistige Verwandtschaft: Kreativität, eine DIY-Haltung und das „Außenseitertum“.

Habt ihr schon Pläne für die Zukunft?

Ja, wir machen auf jeden Fall weiter! Das nächste Event findet bereits im November statt und wird ein Highlight an einem sehr ungewöhnlichen Ort in Essen. Leider kann ich noch nicht zu viel verraten, da die Ankündigung nach dem Festival erfolgt. Folgt uns also auf unseren sozialen Medien – es lohnt sich!

 

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Neues Selbstbewusstsein

Seit Nat Gray sich als nicht-binär und pansexuell geoutet hat, spielen Boysetsfire bessere Konzerte denn je. Gray strahlt ein neues Selbstbewusstsein aus, trägt blondierte Haare und ein langes, schwarzes Outfit, in dem die Frontperson befreit über die Bühne tanzt. Alte Scham und Angst sind abgelegt, nun spricht Gray offen über Gefühle und inspiriert Menschen, sie selbst zu sein. Mit Boysetsfire gelingt das im Post-Hardcore-Gewand besser denn je.

Boysetsfire, Hamburg (Foto: Sebastian Madej)
Nat Gray im schwarzen Gewand und mit neuem Selbstbewusstsein (Foto: Sebastian Madej)

Die Band feiert ihr 30-jähriges Jubiläum auf der “Thirty And Counting”-Tour, allerdings könnten die Konzerte die letzten in gewohnter Besetzung sein. Gray hatte schon im vergangenen Sommer angekündigt, auszusteigen und sich auf die queere Band The Iron Roses zu konzentrieren. Bassist Robert Ehrenbrand hat in einem Interview verraten, dass seine erfolgreiche Yoga-Beschäftigung immer mehr Raum in Anspruch nimmt und kaum noch Zeit für Musik und Boysetsfire bleibt. Umso schöner, dass die Band heute mit großer Spielfreude und Leichtigkeit auftritt.

Mit dem Opener “After The Eulogy” reisen Boysetsfire ins Jahr 2000, bevor Gray sich ausgesprochen höflich und ausführlich beim Publikum bedankt, dass es Karten und Merchandise gekauft hat. Die Worte klingen im ersten Moment leicht übertrieben, aber Gray möchte betonen, dass das Gesagte ernst gemeint ist und von Herzen kommt. Boysetsfire haben Wertschätzung und Respekt schon immer großgeschrieben. Besonders Gray liegt viel daran, dass alle Besucher:innen sich auf den Konzerten sicher und willkommen fühlen. Das ist Grundvoraussetzung dafür, dass Songs wie “Cavity”, “Requiem” und “Cutting Room Floor” so intensiv ankommen.

Boysetsfire, Hamburg (Foto: Sebastian Madej)
Gitarrist Chad Istvan und Bassist Robert Ehrenbrand beim Duell (Foto: Sebastian Madej)

Besonders zu “My Life In The Knife Trade” wird es emotional: Gray hat sich seit dem 14. Lebensjahr oft fremd gefühlt und immer wieder mit Ängsten gekämpft, was andere über ihn denken – auch auf der Bühne. “Scheiß darauf, was andere Menschen denken! Sei du selbst”, heißt es dann. Selbstermächtigung spielt heute Abend eine große Rolle, Zeilen wie “Your comfort in my suffering, is no longer disturbing” oder “And I’ll go on my way” kommen unglaublich positiv und kathartisch beim Publikum an. Boysetsfire wirken auf der Bühne viel harmonischer, persönliche Gefühle und musikalische Härte finden die goldene Mitte.

Boysetsfire, Hamburg (Foto: Sebastian Madej)
Non-binär trifft auf Yoga-Muskeln (Foto: Sebastian Madej)

Zwischen Songs wie “Closure”, “Prey” und “Empire” spricht Gray auch die politische und gesellschaftliche Lage an, etwa dass die aktuellen Wahlergebnisse alarmierend seien und queere Menschen nach wie vor Hass und Gewalt erfahren. “Wenn ihr später nach Hause geht und euch das nächste Mal mit Freund:innen, Familien oder Kolleg:innen trefft, wenn irgendjemand etwas Sexistisches, Rassistisches, Diskriminierendes oder Faschistisches sagt, dann seid laut und schreit nein!”

Mit “Pure” packen Boysetsfire anschließend einen Song aus 1997 aus, bevor Solo-Support-Act Michael Rudolph Cummings das Intro von “Walk Astray” auf der Akustikgitarre begleitet. Der Sänger und Gitarrist von Backwoods Payback eröffnete den Abend vor Strike Anywhere, mit denen Boysetsfire seit Jahren eng befreundet sind.

Strike Anywhere, Hamburg (Foto: Sebastian Madej)
Thomas Barnett von Strike Anywhere ist schon lange mit Boysetsfire befreundet (Foto: Sebastian Madej)

Gegen Ende erinnert Gray nochmal daran, wie wichtig Musik für subkulturell geprägte Menschen ist: “Wir hören Musik, weil sie uns wirklich etwas bedeutet. Darum sind wir hier, darum gehen wir überhaupt auf Shows. Darum hören wir Musik. Weil sie unser verdammtes Leben gerettet hat!” Was überdramatisiert klingt, dürfte dem lautstarken Applaus nach auf einen Großteil der Besucher:innen zutreffen. Genau so treffen die anschließenden “One Match” und “Rookie” dann auch ins Herz: “I used to be a lot like you, but now I’m only me.”

Blur-Doku ab Ende Oktober im Kino

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Nach dem Kinostart des Blur-Dokumentarfilms “Blur: To The End” in Großbritannien und Irland steht nun fest: Auch in Deutschland wird der Film im Kino zu sehen sein. Das sind sicherlich gute Nachrichten für alle Fans der Band, rund um Damon Albarn, Graham Coxon, Alex James und Dave Rowntree, die ein durchaus turbulentes Jahr hinter sich hat.

In “Blur: To The End”, einer gut zweieinhalbstündigen Dokumentation, die in einer Zusammenarbeit von Regisseur Toby L und dem Produzenten Josh Connolly entstand, welche schon für Liam Gallaghers “Knebworth 22” oder “Rip Up The Road” über Foals zusammenarbeiteten, bekommt man jetzt auch die Möglichkeit hinter die musikalischen Kulissen von Blur zu schauen.

Blur im Backstagebereich des Wembley Stadions in "Blur: To The End"
Blur im Backstagebereich des Wembley Stadions in “Blur: To The End” (Credit: Altitude)

Die Doku bietet erstmals Einblicke in die Studioarbeit und das Leben auf Tournee rund um die Zeit der Veröffentlichung von Blurs neunten Studioalbum „The Ballad Of Darren“ im letzten Jahr. Dazu basiert der Film auf bisher unveröffentlichtem Archivmaterial und Aufnahmen, die aus der Anfangszeit der Band stammen. Mit dieser Kombination von Aufnahmen aus aktuellen und vergangenen Zeiten wird schon im Teaser eine gewisse Sentimentalität vermittelt, welche das Porträt der emotionalen Freundschaft der vier Bandkollegen und ihrer Zusammenarbeit über drei Jahrzehnte unterstreicht. „Blur: To The End“ startet am 24. Oktober in ausgewählten deutschen Kinos.

Dazu passend und als kleiner Vorgeschmack ist am 15. Oktober, der ebenfalls von Toby L und Josh Connolly produzierte, Konzertfilm „Blur: Live At Wembley“ zu sehen. Dieser wird jedoch ausschließlich an diesem Tag im Kino gespielt. Hier wurde die Atmosphäre, der mit 150.000 verkauften Tickets ausverkauften Reunion-Show der Band in Londons ikonischem Wembley-Stadion mit verschiedenen Einstellungen eingefangen. Rund zwei Stunden lassen sich die beliebtesten Songs der Band erleben, die auch auf dem begleitenden Live-Album zu hören sind.

Nachdem der erste Auftritt von Blur im Rahmen des diesjährigen Coachella-Festivals nur auf mäßige Resonanz gestoßen war, gab Damon Albarn auf der Bühne mehr oder weniger spontan mit den Worten “Ihr werdet uns nie wieder sehen” die zwischenzeitige Auflösung der Band bekannt. Gerüchte einer zügigen Rückkehr halten sich aber aufgrund Aussagen einiger Mitglieder aber schon länger. Auch die in beiden Filmen behandelten Wembley-Shows waren in Interviews immer wieder Thema, welches Leadsänger Albarn im Vorfeld sehr beschäftigte: “Ich wollte eigentlich nicht auf die Bühne gehen, dann war ich auf der Bühne und es war sehr schön”, sagte Albarn im Interview mit KROQ. Er selbst beschreibt die nun in der Dokumentation festgehaltenen Momente als “unvergesslich”.

Die Fehden der Vergangenheit

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Slipknot– und Stone Sour-Frontmann Corey Taylor ist für seine öffentlichen Streitigkeiten mit anderen Bands bekannt. Für ein Youtube-Video wurde er jetzt seinem Bandkollegen Shawn “Clown” Crahan gegenübergestellt, um neben Fragen, etwa nach Crahans Lieblings-Popstar, drei seiner Fehden in ein Ranking einzuordnen. Zur Auswahl standen dabei die Konfrontationen mit Limp Bizkit-Frontmann Fred Durst, Nickelback-Sänger Chad Kroeger und Machine Gun Kelly.

Taylor argumentierte: “Aus meiner aktuellen Perspektive heraus, würde ich sagen, dass vieles, was ich damals gesagt habe, meinem Ego, meinen Unsicherheiten, meiner Arroganz entstammte. Aus der Perspektive dieses hässlichen Egos würde ich sagen: An oberster Stelle kommt Limp Bizkit. Mit der Band hatte ich eigentlich keine Probleme. Nur mit Fred. Es ging nicht um sie und ihre Musik, sondern darum, was Fred damals dargestellt hat, die Dinge, die er gesagt hat, und die andere Leute aus der Band über uns gesagt haben.”

Machine Gun Kelly ordnete er dann in der Mitte seines Beef-Rankings ein: “Vor dem Streit habe ich ihn respektiert, und seine Musik habe ich auch gemocht. Wir haben uns über einen Song, für den er mich eingeladen hat, sowohl kreativ als auch mit unseren Egos die Köpfe gestoßen. Wir beide sind uns sehr ähnlich, und ich hoffe, dass er seine Probleme geregelt bekommt, denn er hat einiges durchmachen müssen.”

Über seinen Streit mit Nickelback erinnerte sich dann wie folgt: “Ehrlich gesagt: Sie sind wie ein musikalisches Echo. Alles was sie machen ist gleich. Manches davon finde ich gut – ‘How You Remind Me’ ist etwa ein sehr guter Song.”

Die medial ausgetragenen Streitigkeiten liegen teilweise schon länger zurück: Der Vorfall mit Machine Gun Kelly, den Taylor beschreibt, hatte 2022 zur Folge, dass der Pop-Punk-Rapper bei Auftritten zu Beleidigungen gegen Slipknot ausholte. Beide Seiten scheinen sich zudem uneins, wer den Streit eigentlich angefangen habe. Chad Kroeger bezeichnete Stone Sour 2017 in einem Interview als “Nickelback light”, und ließ sich über Slipknots übertriebene Bühnenshow aus. In einem Interview 1999 meinte Fred Durst, Slipknot Fans seien “dicke, hässliche Kinder”, woraufhin Taylor in einem Live-Interview sagte, dass große Schnittmengen zwischen Slipknot- und Limp-Bizkit-Fans herrschten, und drohte Durst danach mit Gewalt. Mittlerweile sind die meisten Konflikte der Bands wieder erkaltet.

Der will Blut sehen

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Mit der Single “Blind Side Sonny” führen Coheed And Cambria auch einen neuen Bösewicht in ihrem komplexen “The Amory Wars/Vaxis”-Universum ein, der auf dem Nachfolger zum 2022 erschienenen Album “Vaxis Act II: A Window Of The Waking Mind” vermutlich eine exponierte Rolle einnehmen wird.

Musikalisch ist der Song für Coheed And Cambria ungewöhnlich aggressiv und geradeaus. Zur Single haben die New Yorker auch ein Video gedreht. In dem Clip von Max Moore feiert der neue Bösewicht seinen ersten Auftritt und schiebt sich durch die Menge bei einer Performance der Band in Nashville. Was der knochige Typ mit der schnellen Brille im Schilde führt, verrät der Clip nicht, im Refrain heißt es allerdings: “Blood/ We want Blood/ Yeah, yeah, yeah/ Give us some”.

“‘Blind Side Sonny’ ist ein Song über Rache”, sagt Sänger Claudio Sanchez über das Stück. “Was für den einen wie eine unschuldige Entscheidung aussieht, kann für den anderen der Nährboden für ein bösartiges Missverständnis sein. Die Wahrnehmung kann dein schlimmster Feind sein”, so der Frontmann weiter.

Wann ein Nachfolger zu “Vaxis II: A Window Of The Waking Mind” erscheinen wird, steht bislang nicht fest. Wer bis dahin noch einmal im komplexen Universum von Coheed And Cambria versinken will, kann das etwa mit unserem Back To 2003 zu “Keeping Secrets Of Silent Earth: 3” tun oder noch einmal nachhören, welches Riff von Coheed And Cambria für uns zu den 222 besten Riffs aller Zeiten gehört.

Die perfekte Clubnacht

Die perfekte Clubnacht – so könnte sie aussehen: Den Auftakt macht Jamie xx. Im Gegensatz zu Romy Madley Croft und Oliver Sim ist der The xx-Produzent bereits beim zweiten Soloalbum. Auf das farbenfrohe “In Colour” (2015) folgt das schwarz-weiß gehaltene “In Waves” (Young, 20.09.), dessen Cover einen ebenso schwindlig macht wie die Eleganz, mit der Jamie xx produziert. Zusammen mit The Avalanches sampelt er etwa in “All Your Children” artistisch Kinderchöre und bringt eine eigentlich abgegriffene Botschaft wieder zum Leuchten. Ein Überhit wie “Gosh” fehlt “In Waves”, dafür wirkt das Album konsistenter. Dafür spricht auch, dass es diesmal als Einzel-LP erscheint, beim Vorgänger waren die Tracks noch auf drei Maxis verteilt.

Von Jamie xx übernimmt Caribou. Dan Snaith schmiert einem im wahrsten Sinne des Wortes Honig um den Mund: “Honey” (City Slang, 04.10.) ist durchdrungen von guter Laune und Euphorie, wenngleich Veränderung das zentrale Thema des Albums zu sein scheint. “And I know it got to change”, fordert Snaith nicht nur im wahnsinnig clever zusammengeklauten “Volume”, das auf “Pump Up The Volume” von M.A.R.R.S. aufbaut, sondern auch im abschließenden “Got To Change”, in dem Snaith das Vocal-Sample wieder aufgreift. Dazwischen erinnert er sich an “August 20:24”, zündet für uns das “Campfire” an und tut alles, der liebenswerteste promovierte Mathematiker der Welt zu bleiben. Auffällig ist, wie schnell die Songs zum Punkt kommt, teils haben sie Längen, wie man sie sonst vom Punk kennt.

Caribou übergibt das DJ-Pult an Whomadewho. Ursprünglich mal als Band mit Gitarre, Bass und Schlagzeug gestartet, haben sich die drei Dänen in den vergangenen fast 20 Jahren zu einem Dance-Act entwickelt, der beim Coachella Festival ebenso gefragt ist wie auf Ibiza. Auf ihrem Album “Kiss & Forget” (The Moment, 13.09.), das auf ihrem eigenen Label erscheint, unterfüttern sie ihren discoiden House mit der für sie typischen Melancholie. Bei Whomadewho gibt es keine Abfahrt ohne das mitschwingende Gefühl, dass man von diesem High wieder runterkommen muss. Der Hit der Platte ist” Miracle” mit Adriatique, in dem dieses Konzept formvollendet aufgeht, aber auch die Dänen sorgen sich um die Zukunft und geben deshalb “Children” eine Stimme. Offen bleibt lediglich die Frage, ob Whomadewho inzwischen so groß sind, dass sie es sich leisten können, auf Tour im November nur einmal in Deutschland Halt zu machen, oder sie hierzulande immer noch übersehen werden.

Toro Y Moi wäre eigentlich prädestiniert dafür, im Anschluss alle wieder runterzubringen, aber “Hole Erth” (Dead Oceans, 06.09.) ist dafür zu kaputt. Im Opener klingt Chaz Bear, der Kopf hinter dem Projekt, als hätte er zuletzt viel Lil Yachty gehört, mit Death Cab For Cuties Ben Gibbard weckt er in “Hollywood” Erinnerungen an The Postal Service und in “Heaven” zeigt er, dass man auch zu akustischer Gitarre rappen kann. Mit dem Chillwave seines Debüts “Causers Of This” (2010) hat “Hole Erth” nicht mehr viel gemeinsam.

Fürs Frühstück nach dem Kater durch die Partynacht steht Dave Guy parat. Guy ist Trompeter bei The Roots und ist in dieser Funktion auch für andere Künstler wie Sharon Jones, Lizzo oder Pharrell Williams der Go-to-guy. Sein Solodebüt hat seine Wurzeln im Jazz, der aber eine Symbiose mit HipHop eingegangen ist. Wenig überraschend ist, dass Leon Michels (El Michels Affair) an “Ruby” (Big Crown, 20.09.) beteiligt ist, ansonsten spart sich Guy aber das Namedropping und lässt vor allem die Vielfältigkeit seines Hauptinstruments sprechen – und zwar mit genau der richtigen Zurückhaltung, um das Pochen hinter den Schläfen nicht zusätzlich zu triggern.


»Was passiert hier?«

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Auch wenn Geordie Greep jetzt ohne Black Midi weiter macht, erinnert das intensive Riff seiner neuen Single “Blues” erstmal nach den Fingerverrenkungen, die er auch bei seiner alten Band gerne abgezogen hat. Nach einigen gesprochenen Einlagen fährt er den immer drängenderen Song dann ab der Hälfte gegen die Wand und sein Orchester impft dem Song ein Hauch des jazzy Latin-Salsa-Flairs ein, das er auf der ersten Single “Holy, Holy” noch zum Star des Songs machte.

Im Interview am Rande des Reeperbahn Festivals (in Kürze mehr dazu) erklärte uns Greep zum Albumopener: “Ich denke, es ist gut, das gleich vorwegzunehmen. Ein Album mit diesem intensiven Gefühl von ‘Was passiert hier? Das wird jede Minute auseinanderfallen’ zu beginnen, wurde in gewisser Weise der improvisierteste Song. Und von da an (schnippt mit den Fingern) kommt man zum zweiten Track, der vielleicht der raffinierteste ist. Man gibt sofort etwas vor, das dazu passt, und dann beginnt es zu fließen und es wird entspannter.”

Über dreißig Studiomusiker waren an der Entstehung von “The New Sound” beteiligt, auf zwei Kontinenten, in São Paulo und London. “Einige der Tracks hatten wir bereits anderswo aufgenommen, aber es hat einfach nicht gepasst, also haben wir sie mit neuen Leuten neu eingespielt”, erklärte Greep zur Platte. Live tritt er auf verschiedenen Kontinenten mit verschiedenen Sessionmusikern auf. Wie befreit Greep mit seiner neuen Band dabei aufspielt, gab es in Deutschland bereits beim Reeperbahn Festival zu sehen, bevor er im Dezember nochmal auf eine kleine Europatour geht.

“The New Sound” (Review) erscheint am Freitag und kann noch vorbestellt werden.

Seine ehemalige Hauptband pausiert bis auf Weiteres. Greep verkündete im August das vorläufige Ende der Experimental-Rock-Lieblinge. Im Interview mit VISIONS deutete er auch an, dass es erstmal nicht so schnell zu einem Comeback kommen dürfte, da er bereits an einem zweiten Soloalbum arbeitet und generell das Dasein als Solokünstler genießt. Aber: “Wenn es einen Grund gibt, es zu tun. Warum nicht? Aber es muss sich wirklich aufregend anfühlen und darf nicht nur um der Sache willen sein”, sagte Greep zu einer möglichen Black-Midi-Reunion. “Sag niemals nie, aber ich denke, dass diese “New Sound”-Sache im Moment spannender für mich ist und ich will es richtig angehen.”

Live: Geordie Greep

05.12.2024 Berlin – Lido
06.12.2024 Amsterdam – Bitterzoet
07.12.2024 Nijmegen – Doornroosje (Zeitgeist Festival)
10.12.2024 Düdingen – Bad Bonn

Die Vernichtung des Tannhäusers

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Refused haben die Auflösung ihrer Band Anfang September groß angekündigt: Neben einer Tour durch die USA wird auch ihr erfolgreichstes Album “The Shape Of Punk To Come” neu aufgelegt, zusammen mit einer Compilation aus Coversongs des Albums. “The Shape Of Punk To Come Obliterated” soll am 8. November erschienen und unter anderem Cover von Brutus, Gel, Touché Amoré und Snapcase enthalten.

Der erste Song ist vor wenigen Stunden veröffentlicht worden – Cult Of Luna interpretieren den zehnminütigen Brecher “Tannhäuser/ Derivè” neu.

Johannes Persson, Gitarrist und Sänger von Cult Of Luna kommentierte das Cover: “Wir fühlten uns sehr geehrt, als Refused uns baten, einen ihrer Songs zu covern. Sie sind nicht nur eine Band, mit der wir aufgewachsen sind und zu der wir aufgesehen haben, sondern sie waren auch der Höhepunkt des Hardcore in Umeå.  Die Szene war die Geburtsstätte unserer Band. Nach der Aufnahme von ‘The Shape Of Punk To Come’ erinnere ich mich, wie Dennis [Lyxzén] mit diesem 6-minütigen epischen Song, ihrem ‘Tannhäuser’, prahlte. Das ist der Grund, warum ich den Song ausgewählt habe. Wenn du ‘episch’ willst Dennis, dann geben wir dir episch! Und danke für das Vertrauen.”

Die Special-Version von “The Shape Of Punk To Come” kann bereits über Epitaph oder die Webseite von Refused vorbestellt werden.

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