Als Joaquin Phoenix 2019 in Clownsschminke über die Leinwände tanzte, jubelte die Kritik, doch unumstritten war diese Performance nicht. Denn die Verordnung der jüngsten Inkarnation des berühmt-berüchtigten DC-Bösewichts und Batman-Erzfeindes in unserem gesellschaftlichen Klima ist schwierig. Da ist einmal der Joker als Robin Hood des Spätkapitalismus, als Galionsfigur von “Kill the rich” und “ACAB”, der die Barbarei unserer Welt aufzeigt, die die Schwächsten fallen lässt und mit Füßen tritt. Dann ist da aber auch der Joker, der unangenehm an den domestic terrorism in den USA erinnert, an die weißen “Lone Wolfs” und Incels, die sich radikalisieren, weil sie nicht das bekommen, was ihnen ihrer Meinung nach zusteht – einen guten Job, eine Freundin, Respekt und Aufmerksamkeit. Die weitreichende Glorifizierung von Phoenix’ Rolle war in diesem Kontext beunruhigend.
Wie geht es fünf Jahre später also mit dem Joker weiter? Regisseur Todd Phillips (“Hangover”), der erneut das Drehbuch mit Scott Silver (“8 Mile”) geschrieben hat, kann der Materie wenig Neues hinzufügen. Joker/Arthur Fleck ist seit seinen Verbrechen des ersten Films im Arkham Asylum inhaftiert, wo er auf seinen Prozess wartet. Dort lernt er Lee Quinzel (Lady Gaga) kennen, die ihn für seine Taten bewundert und eine ungesunde Obsession für ihn entwickelt. Viele biografische und äußerliche Charakteristiken der Harley Quinn wurden hier gezielt außen vorgelassen, um einen weniger manischen, dafür umso manipulativeren und berechnenderen Gegenpart zum oft kindlich-naiven Arthur Fleck zu schaffen.
Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des ersten “Joker”-Films treten weitgehend in den Hintergrund, während “Folie À Deux” auf dem Drahtseil zwischen Romanze, verquerem Gerichtsdrama und Kabarett balanciert. Der dünne Plot fokussiert sich auf Flecks inneren Kampf mit seinem Alter Ego und seine verzweifelten Versuche, sein Leben und Gewissen mit seiner Schuld (oder vermeintlichen Unschuld) zu navigieren. Das hier ist nicht der Joker als kriminelles Mastermind, sondern als gebrochener Mann mit dem unbändigen Wunsch nach Liebe. Sein im ersten Teil stark überstrapaziertes hysterisches Lachen wurde dabei glücklicherweise auf ein Minimum reduziert.
In “Joker: Folie À Deux” gilt “style over substance”, denn Atmosphäre, Kameraarbeit und schauspielerische Performances können oft darüber hinwegtäuschen, dass die Handlung eher rudimentär ist. Dass der Film als Musical daherkommt, ist der einzige Grund, warum diese Story auf über zwei Stunden aufgeblasen werden konnte und ergibt in vielerlei Hinsicht Sinn: Schon im Vorgängerfilm spielten Songs wie Sinatras “That’s Life” eine große Rolle, nun illustrieren sie den Wahn Flecks und Quinzels. Alte Standards wie “Get Happy” und “That’s Entertainment” verdeutlichen ihre Flucht in eine Fantasiewelt, in der das ganze Leben eine Show ist – und sie die Stars sind; sie sind die nostalgische Sehnsucht nach einem vergangenen goldenen Zeitalter, in dem alles einfach und gut war. Ihre volle psychotische Wirkung entfalten die Show Tunes im Kontrast mit Hildur Guðnadóttirs düsterem, erneut preisverdächtigen Score – dennoch bringen die regelmäßigen musikalischen Einschübe die dünne Handlung immer wieder ins Stocken.
Am Ende der ganzen Chose weiß man kaum mehr über Arthur Fleck als zuvor, auch wenn Joaquin Phoenix und Lady Gaga alles aus ihren tragischen Anti-Held:innen herausholen. Als potenzielles Interquel vor weiteren Teilen dieser Geschichte könnte “Folie À Deux” nachträglich an Bedeutung gewinnen, aktuell kann man jedoch nur sagen: “It’s a vibe”, und wenig mehr.