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Farrell schlug Navarro ins Gesicht

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Während der Aufführung des Songs “Ocean Size” am 13. September im Leader Bank Pavilion in Boston kam es zu Ausschreitungen auf der Bühne, als Sänger Perry Farrell Gitarrist Dave Navarro anrempelte und ihn beschimpfte, bis er unter körperlicher Gewalt von der Bühne gezerrt wurde.

Jetzt hat Dan Cleary, der seit 17 Jahren als Gitarren- und Basstechniker für die Band arbeitet, im Podcast “Rare Form Radio” Host Todd Newman wissen lassen, dass die Auseinandersetzung hinter der Bühne weiterging. Newman selbst ist seit 30 Jahren mit Navarro befreundet.

Cleary sagt, dass die Show “entgleist ist, um es milde auszudrücken”, um dann zu bestätigen, dass es “die Band nicht mehr gibt”. Zu dem Vorfall liegt Audiomaterial vor, in dem man eine Konfrontation hinter der Bühne hört, bei der Farrell seiner Frau Etty Lau sagt, dass die anderen Mitglieder versucht haben, “seine Show abzufucken”.

Navarro fragt daraufhin Farrell: “Wie bitte, du Motherfucker!?” Danach hört man ein Handgemenge, bei dem anscheinend Farrell Navarro ins Gesicht schlägt, so Cleary. Er erklärt: “Wir wussten schon vor der Show in Boston, dass es nicht rund laufen würde. [Farrell wirkte] nicht ganz bei sich.”

Cleary erwähnt auch einen Clip aus den sozialen Medien, bei dem Navarro Farrell auf den Arm tippt, um ihm zu erklären, dass er sein Solo noch mal spielt, weil Farrell eine Minute zuvor darübergesungen hat und er innehielt, weil er bemerkte, dass Farrell nicht wusste, wo im Song die Band ist.

Farrell, so Cleary, ist davon “sofort irritiert”, als Navarro, Bassist Eric Avery und Schlagzeuger Stephen Perkins sich zusammenschließen, um darüber zu diskutieren, wie es jetzt weiterlaufen soll. “Ab dem Punkt gibt es anscheinend eine Art paranoides Hirngespinst” bei Farrell, so Cleary. “Er denkt, dass sie über ihn reden, was sie auch tun – aber eben nicht auf die Weise, wie er glaubt. Sie versuchen, zu klären, wie sich das Problem beheben lässt. Also geht er rüber und schreit ihnen Songtexte entgegen, was einfach nur merkwürdig ist.”

Bei “Ocean Size” fällt alles auseinander: “Perry wird immer wütender, und es ist fast so, als würde man jemandem dabei zuschauen, wie er sich in einen Werwolf verwandelt.” Newman spielt danach einen Clip ein, in dem Farrell sagt: “Fick diese Motherfucker… fick ihn.”

Cleary erinnert sich an die Szenerie: “Ich liebe Dave, und es fühlte sich an, als würde ein Kind auf dem Schulhof für etwas drangsaliert werden, mit dem es gar nichts zu tun hat. Und er musste durch genug Scheiße in seinem Leben waten und hat hart dafür gearbeitet, wieder an diesen Punkt zu kommen, an dem er jetzt ist. Das mit ansehen zu müssen, hat etwas in mir getriggert: ‘Das darf diesem Kerl nicht zustoßen!’ Eric empfand genau so.”

Nach der Rangelei auf der Bühne kommt es dahinter zu dem Zwischenfall, bei dem Farrell Navarro ins Gesicht geschlagen haben soll. “Mich ärgert es”, sagt Cleary, “dass manche Leute es verdrehen oder etwa Etty [Lau, Farrells Frau] sich darauf fokussiert, dass Eric Perry zweimal geboxt hat – und dass er unnötig brutal vorgegangen sei. Tut mir leid, aber wenn jemand es auf meinen Freund abgesehen hat und ich ihn verteidige, das hat nichts mit unnötiger Brutalität zu tun.”

Schon der Beginn der Nordamerika Tour in Las Vegas im August steht unter einem schlechten Stern. Farrell will die Band verlassen, während bereits die ersten Fans ins Venue strömen. Das Management hält ihn wohl davon ab, erinnern sich Cleary und Newman im Podcast.

Es gab Unstimmigkeiten und Spannungen wegen der Bühnenshow vor der Tour. Dabei hatten sich Jane’s Addiction als “Demokratie” wiedervereint und vereinbart, dahingehend die Dinge abzustimmen. Man einigte sich darauf, dass es nur “vier Typen auf der Bühne – keine Backup-Sängerinnen, keine Tänzer und ähnliches” geben solle. “Die Oldschool-Musik spricht für sich selbst. Und ich erinnere mich, wie es von Perry direkt Gegenwind deshalb gab.” Farrell will Tänzerinnen zurückholen – und seine Frau Etty soll eine davon sein. “Aber der Rest der Band wollte das nicht”, was zu mehr Gegenwind und Problemen führt.

Die Band arbeitet an Video-Content ohne Tanz, das Farrell nicht gutheißt. “Also nimmt er eine Kamera-Crew mit in die Wüste und filmt Material, das er den anderen präsentieren will”, so Cleary, der festhält, dass Farrell in dieser Zeit die Bandproben sausen lässt. Das Material, dass Farrell gedreht hat, bekommt der Rest der Band erst vor der Show in Las Vegas zu sehen, “aber das sind Dinge, die normalerweise Wochen, wenn nicht Monate vor der ersten Show ausgearbeitet werde. Aber so ging es bis zur letzten Minute.”

Die Band ist mit dem Material jedenfalls nicht einverstanden. “Es ist 2024 und eine andere Zeit”, so Cleary: “Spärlich bekleidete Frauen auf der Bühne oder im Video – ich glaube nicht, dass das so empowernd ist, wie die Farrells es glauben.” Da das Ehepaar aber an seiner Entscheidung festhält, schaukelt sich der Streit derart hoch, dass der Sänger die Band kurz vor der Show verlassen will.

Das Konzert findet zwar statt, “aber ab diesem Punkt entfremdet sich Perry vom Rest der Band.” Trotz des schweren Starts ist die Band – laut Cleary – sehr unterstützend. “In Momenten, in denen Perry nicht wusste, bei welchem Teil des Songs sie sind, halfen sie ihm. Wenn es eine gute Show war, waren sie die ersten, die ihn beglückwünschten.”

Etty Lau hat in einem Post auf Social Media angegeben, dass es Soundprobleme auf der Bühne gab, dass Farrell sich nicht hören könnte und die Band so laut war, dass er immer lauter singen musste, um mitzuhalten. Cleary sagt, dass dem ganz gewiss nicht so ist, und dass die Show in New York so katastrophal schlecht war, weil “Perry fucked up” gewesen sei. “Er wusste nicht, wo sie in den Songs waren. Er kannte den Text nicht. Er sang Zeilen aus anderen Songs. Das hat nichts mit dem Sound zu tun. Der Sound wechselt nicht, er ist der gleiche die ganze Zeit.”

Nach dem Auftritt in New York gab es anscheinend einen Streit, bei dem sich alle ihrem Ärger Luft machen. “Nach einigen schlechten Shows mit schlechter Stimmung nahm Navarro Perry [bei der zweiten New York Show} zur Seite, nahm ihn in den Arm, sagte ihm ‘ich liebe dich, und jetzt lass uns ein paar Ärsche treten.’ Und das war wohl eine der besten Shows, die ich die Band in den letzten 17 Jahren habe spielen sehen.”

Farrell hat sich bereits bei seinen Fans und insbesondere Navarro über Instagram entschuldigt. Seine Frau sagt, dass er sich jetzt Zeit zum “Reflektieren und Heilen” nimmt und einen HNO-Arzt und einen Neurologen aufsucht.

Zuletzt teilten Jane’s Addiction noch den neuen Song “True Love”, nachdem sie bekanntgegeben hatten, dass sie auf unbestimmte Zeit pausieren.

»Wenn ich eine Sache bereue …«

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Nach jahrelangen Andeutungen haben The Cure ihr neues Album “Songs Of A Lost World” mit der Single “Alone” offiziell angekündigt. Auf Instagram teilte die Band nun ein Video, in dem sich Frontmann Robert Smith zur Entstehung des Albums äußert.

“Ich denke nicht, dass es einen richtigen Anfang für das Album gab, weil es eine furchtbar lange Zeit über immer wieder in mein Leben und wieder raus gedriftet ist. Wenn ich eine Sache bereue, dann dass ich 2019 schon etwas darüber gesagt habe – das hätte ich wirklich nicht tun sollen”, so Smith.

“Es gab mehrere Zeitpunkte, zu denen ich dachte: “Wir werden ein neues Album machen”, […] Aus verschiedenen Gründen wurde die Idee aber verdrängt. […] Der Schlüssel in der Geschichte der Band war immer, wenn ich den ersten und den letzten Song kenne, ist das Album zur Hälfte fertig. Das ist der Schlüssel zu einem Album.”

 

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Die Single “Alone” wird der Opener des neuen Albums. Er ist zwar neu veröffentlicht, aber nicht ganz neu: The Cure hatten ihn, zusammen mit einigen anderen Songs bereits bei Konzerten gespielt. “Endsong” – vermutlich der Closer – wurde ebenfalls schon live gespielt, in einer Instagram-Story ist nun der erste Ausschnitt davon zu hören. Außerdem führt die Story über einen Link zur Webseite songsofalost.world, eine kryptische Informationsseite zum Albumrelease.

“Songs Of A Lost World” soll am 1. November erscheinen, Vorbestellungen laufen bereits. Es ist das erste Album der Band seit 16 Jahren.

Ausverkauft

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Schon bevor die letzte Band am 2. August dieses Jahres beim Wacken zu sehen war, hatte der Vorverkauf der Tickets für 2025 begonnen, die am Festival-Wochenende selbst mit einer Drohnenshow ergänzt wurde, die die ersten Hauptacts für nächstes verriet. Die Hälfte der Karten ging dann auch direkt in den ersten zwölf Stunden über den Ladentisch, knapp zwei Monate später ist das Wacken Open Air 2025 nun komplett ausverkauft.

Holger Hübner (Gründer & Veranstalter) erklärte dazu: “Tausend Dank für euer Vertrauen! Wir betrachten nichts als selbstverständlich – und ganz besonders das nicht. Daher versprechen wir euch: Das W:O:A 2025 wird fantastisch!”

 

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Über 80.000 Fans kommen jährlich zum Metal-Festival nach Schleswig-Holstein, das 2025 vom 30. Juli bis 3. August zum 34. Mal stattfindet. Der Campingplatz öffnet für besonders ungeduldige Fans sogar schon am 27. August. Ein Ticket für das Szenetreffen bekam man in den vergangenen Wochen noch für 333 Euro, wer bisher leer ausging, kann sich ab jetzt in eine Ticket-Warteliste eintragen. Restkarten gibt es darüber hinaus auch noch über Kontingente der offiziellen Reisepartner von Wacken.

 

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Als bisherige Headliner für das Wacken 2025 sind Machine Head, Papa Roach, Saltatio Mortis und Gojira gesetzt, des Weiteren wurden unter anderem Clowns, Dool, Destruction, Obituary und Ministry bestätigt. Mehrere Bands spielen zudem besondere Jubiläums- oder Albumshows auf dem Wacken, darunter Grave Digger (45 Jahre Bandbestehen), Orange Goblin (30 Jahre), Saltatio Mortis (25 Jahre), Exhorder (Albumshow zu „Slaughter In The Vatican“) und Night Demon (Jubiläumsshow zu „Curse Of The Damned“). Weitere Acts sollen noch bekannt gegeben werden.

Jetzt auch in Gelb

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Auch wenn sie damit nicht zwingend zur Pflichtlektüre in der Schule werden: Die Ärzte gibt es bald auch als gelbes Reclam-Heft. “Gerade noch so zu Lebzeiten versammelt diese Universal-Bibliothek-Ausgabe sprachprägende, wortschöpfende, wichtige, freigeistige, manchmal verblüffend staatstragende Werke der Band. Und etliche lustige, randständige, offenherzige und -hosige, absurd-verspielte. Kurz: einmal quer durch den ganz normalen die-ärzte-Kosmos, kuratiert und kommentiert von einem profunden Kenner von Mensch und Material, Michael Loesl”, heißt es auf der Verlagsseite zur Veröffentlichung “Die Ärzte: 40 Songtexte aus Berlin”, die die Band damit laut Reclam auch direkt “ganz offiziell Klassiker im deutschen Kulturkanon” kürt.

Herausgeber Loesl arbeitet als freier Kulturjournalist, der vom “Playboy” bis zum “Rolling Stone” für etliche Kulturpublikationen und Feuilletons geschrieben und die Ärzte bereits zu zahlreichen Interviews getroffen hat.

Die 40 ausgewählten Songtexte auf 128 Seiten zwischen den klassisch gelben Buchdeckeln sind ab dem 11. Oktober beim Verlag erhältlich. Das weniger klassische Reclam-Artwork stammt von Bela B höchstpersönlich.

Bela B war als Autor ganz nebenbei selbst wieder tätig: Sein zweiter Roman “Fun” erscheint im Januar. Ab März geht er damit auf ausgedehnte Lesetour.

Live: Bela B liest “Fun”

30.03.25 – Berlin – RBB Sendesaal
31.03.25 – München – Deutsches Theater
05.04.25 – Frankfurt a. M. – Alte Oper
06.04.25 – Mannheim – Nationaltheater/Altes Kino Franklin
07.04.25 – Köln – Flora
08.04.25 – Nürnberg – Meistersingerhalle
15.04.25 – Leipzig – Gewandhaus
25.04.25 – Hamburg – Deutsches Schauspielhaus
26.04.25 – Rostock – Volkstheater
27.04.25 – Dresden – Staatsschauspiel
29.04.25 – Graz (AT) – Orpheum
30.04.25 – Wien (AT) – Volkstheater
05.05.25 – Basel (CH) – Volkshaus
06.05.25 – Zürich (CH) – Volkshaus
13.05.25 – Stuttgart – Theaterhaus
16.05.25 – Mainz – Staatstheater
07.06.25 – Kassel – Staatstheater
08.06.25 – Beverungen – Orange Blossom Special Festival

»Die Leute haben uns für verrückt erklärt«

Frank, Frederic, ihr macht Arctic Rodeo nach 19 Jahren dicht. Warum nicht nach 20?
Frank Georgiadis: Ich hätte auch gerne 100 Veröffentlichungen erreicht. Aber es hat sich schon seit einigen Jahren abgezeichnet, dass sich unsere beruflichen Situationen, die Branche und das gesamte Umfeld geändert haben. Qualitativ mit Künstler:innen arbeiten zu können, das nimmt viel Zeit in Anspruch. Der Rahmen dafür ist immer enger geworden.
Frederic Klemm: Wir hatten das Gefühl, für die ein oder andere Veröffentlichung nicht den Mehraufwand betreiben zu können, der früher möglich gewesen wäre. Wir kommen aus einer Generation, für die Fanzines und Printmagazine wichtiger waren als ein Netz aus Influencern. Und wenn bekannte Mechanismen nicht mehr greifen, dann liefert man vielleicht nicht mehr so ab, wie es der Künstler oder die Künstlerin von uns erwarten dürfte.

Wie genau haben sich die Rahmenbedingungen für euch geändert?
Klemm: Wir haben uns immer als Punk-Label verstanden. Für uns war es wichtig, dass wir Timings einhalten, mit den Künstlern faire Deals machen und unsere Alben zu fairen Preisen anbieten. Durch den Vinyl-Hype wurden die Wartezeiten länger und die Fertigungskosten für eine hochwertige Platte sind exorbitant gestiegen. Wir haben angefangen, unsere Alben für 12 Euro zu verkaufen, und zuletzt waren wir bei 20. Wenn die Rahmenbedingungen nicht mehr zur Philosophie passen, ist es vielleicht der richtige Zeitpunkt, das Feld anderen zu überlassen.

Hat sich der zeitliche ähnlich zum finanziellen Aufwand entwickelt?
Georgiadis: Es war immer ausschlaggebend, was für ein Release es war und wie schnell wir uns einigen konnten. In unserem Katalog gibt es Platten, in die viel Liebe zum Detail geflossen ist.
Klemm: Wir haben uns auch immer geweigert, lange Vorläufe bei Vorbestellungen zu haben, weil wir es unmoralisch fanden, den Leuten ein Dreivierteljahr vorher die Kohle abzuknöpfen und die Ware erst viel später zu liefern. Ansonsten haben wir relativ spontan geplant und nie große Kampagnen gefahren. Die Budgets dafür hatten wir auch nicht. Es war eher: Wie lange brauchen wir, um ein schönes Artwork zu layouten? Wie sieht es mit dem Packaging aus, wie lange wird die Fertigung dauern?

Noch mal kurz zurück zum Anfang. Euer erster Release war die Soloplatte von Ian Love von Rival Schools, ihr habt auch viel mit J. Robbins von Jawbox und Jonah Matranga von Far zusammengearbeitet. Warum habt ihr euch auf diese “alten Helden” fokussiert?
Klemm: Letzten Endes sind das Bands, die wir lieben. Sehr viel von dem, was wir gemacht haben, basiert auf Connections. Ich war zum Beispiel damals um ein paar Ecken mit Walter Schreifels bekannt. Dann bin ich durch Zufall auf das Soloalbum des Rival-Schools-Gitarristen gestoßen. Da habe ich Walter gefragt: Kannst du mir den Kontakt geben? Die Platte gibt es in Europa ja gar nicht. Ian hat sich gefreut, dass jemand sein Album rausbringen will. Damals fühlte sich das echt wie ein Jackpot an. Ein paar Releases später, das weiß ich noch genau, war ich gerade in Stuttgart, der Stadt, aus der Frank und ich kommen. Plötzlich klingelt mein Handy, und dann war es Jonah Matranga, der meinte: Ich habe gerade ein Album bei Ian aufgenommen und der sagte, ich soll mich mal bei euch melden, vielleicht habt ihr da Bock drauf. Und wir so: Ey, fucking Jonah Matranga!

Habt ihr euch auch in Stuttgart kennengelernt? Wann war das?
Georgiadis: Das muss 1992 gewesen sein. Ein Freund, den Frederik von früher kannte, ist zur Oberstufe zu uns auf die Schule gewechselt. Mit dem habe ich dann angefangen, Musik zu machen, und über die Connection kam ein erster Gig mit Frederics Band zustande. Ich habe auch eine Zeitlang das Booking für die Jungs übernommen und wir haben im selben Plattenladen in Stuttgart gearbeitet, aber nie gleichzeitig.

Und wie kam es letztlich zu Arctic Rodeo?
Georgiadis: Die Idee entsprang einer Kooperation zwischen dem Hamburger Label, für das Frederic gearbeitet hat, und meinem Arbeitgeber, einer Managementagentur. Diese Kooperation lief irgendwann inhaltlich nicht mehr so gut. 2005, da war Frederic schon länger in Hamburg, bin ich wieder zurück nach Stuttgart gegangen. Genau dann kam von ihm die Idee, die Zusammenarbeit als eigenes Label weiterzuspinnen.
Klemm: Die Leute haben uns für verrückt erklärt. Der Vinylmarkt war tot, die Szene war tot, niemand wollte wissen, was der Drummer von Texas Is The Reason heute macht. Wir haben uns trotzdem durchgebissen. Wir waren damals zur richtigen Zeit die richtige Anlaufstation für viele coole Bands, die Bock hatten, mit einem kleinen Label zu arbeiten.

Wie seht ihr das Ende des Labels jetzt, mit etwas Abstand?
Klemm: Am Ende kam mir die Idee, zur Abschieds-Pressemitteilung noch ein paar O-Töne von Künstlern einzuholen. Ich war echt überwältigt, was da an tollen, wohlwollenden Kommentaren kam. Arctic Rodeo lief immer nebenher, aber im Rückblick zu hören, dass das was hinterlassen hat, ist wirklich cool und ein gebührender Abschluss. Unser Shop bleibt zwar online, aber wir haben für uns entschieden, dass es die richtige Zeit ist, keine weiteren Veröffentlichungen mehr zu planen.

Zum Abschied von Arctic Rodeo verlost das Label drei Überraschungspakete mit je fünf LPs.

Turbostaat spielen »Vormann Leiss«

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Zum achten Mal findet kommenden Dezember das Lieblingsplatte Festival im Düsseldorfer Zakk statt: Das heißt in diesem Jahr sieben Tage, sieben Bands und Solokünstler:innen und sieben Alben, die für die deutsche Musiklandschaft prägend waren und an jeweils einem Abend in voller Länge gespielt werden. Mit dabei: Patrice und Jeremias mit ihren Debütalben, Rapperin Cora E. mit “… und der MC ist weiblich” (1998), die Krautrocker Guru Guru mit “Moshi Moshi” (1997), Die Braut haut ins Auge mit “Was nehm ich mit?” (1995), die Hamburger-Schule-Vorläufer Ostenzonensuppenwürfelmachenkrebs mit “Leichte Teile, kleiner Rock” (1998) und Turbostaat mit ihrem dritten Album “Vormann Leiss” (2007).

Das Festival-Abschlusskonzert von Turbostaat inklusive Aftershowparty findet am 21. Dezember statt und wird von VISIONS präsentiert. Tickets gibt es im Vorverkauf beim Zakk.

Die Show wird die einzige Gelegenheit sein, Turbostaat dieses Jahr in NRW zu sehen. Ende Oktober gehen die Husumer Punks auf Jubiläumstour zum 25ten Bandgeburtstag und spielen jeweils ein Album, inklusive Livealbum “Nachtbrot”, bei nur einem Termin, bevor sie auch ihr neues Album “Alter Zorn” im Januar mit einer Releaseshow in Hamburg feiern. Vier Konzerte der Tour sind bereits ausverkauft.

Zu “Vormann Leiss”, das beim Lieblingsplatte Festival im Fokus steht, erinnerte sich die Band wie folgt: “Nachdem wir 2004 durch die Aufnahmen von ‘Frieda und die Bomben’ den Produzenten Moses Schneider (u.a. Tocotronic, Olli Schulz, Dendemann, Kreator) kennengelernt haben, änderte sich für die ‘Vormann Leiss’ zum ersten Mal die Plattenaufnahme. Ich weiß noch, wie wir fünf uns im Vorfeld verrückt gemacht haben eine Platte zusammen, live und in einem Raum aufzunehmen. Moses saß mit seiner guten Laune dann in der Mitte von uns. Mit Sätzen wie: ‘Ganz egal wie ihr das Tempo ändert im Lied, solange ihr das zusammen macht, ist das doch voll geil.’ und ‘Wir bauen den größten Kassettenrecorder der Welt.’

Also bauten wir alles auf, als würden wir ein Konzert geben. Danach spielten wir die Lieder ein paar Mal. Und auf einmal war die Platte aufgenommen. Manchmal gab es eine ‘Nach dem Essen’-Version. Schön müde ist manchmal gut. Und wenn Moses sagt: ‘Wir haben es. Besser wird es eh nicht!’ …. dann hat er recht. Es war nicht immer perfekt gespielt, aber es hatte ‘ne Haltung. Aus Zweifel wurde Begeisterung. Abgesehen von der Aufnahme konnten wir dadurch auch auf allen anderen Ebenen lernen. Einfach machen. Und heute ist es schwer zu glauben, dass wir unsere Platten irgendwann anders aufgenommen haben. Danke Moses.”

VISIONS empfiehlt: Lieblingsplatte Festival

14.-21.12. Düsseldorf – Zakk

Live: Turbostaat

24.10.2024 Lübeck – Treibsand “Flamingo” (ausverkauft)
25.10.2024 Bremen – Schlachthof “Schwan”
26.10.2024 Chemnitz – AJZ Talschock “Vormann Leiss”
27.10.2024 Berlin – SO36 “Das Island Manöver” (ausverkauft)
28.10.2024 Göttingen – MUSA “Stadt der Angst”
30.10.2024 Frankfurt – Zoom “Abalonia”
31.10.2024 Nürnberg – Z-Bau “Uthlande”
08.11.2024 Husum – Speicher “Nachtbrot” (ausverkauft)
16.01.2025 Hamburg – Markthalle “Alter Zorn” (ausverkauft)

Große Gesten, kleine Clubs

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Mittwoch, 18.09.

The Shivas, RBF 2024 (Foto: Jan Schwarzkamp)
Kristin Leonard von den Shivas, bevor sie hinter dem Schlagzeug hervorkommt (Foto: Jan Schwarzkamp)

21:30 Uhr: Eine der primären Aufgaben des Reeperbahn Festivals ist es, junge, frische Künstler:innen dem Publikum (und den Branchenmenschen) vorzustellen. Doch mogeln sich manchmal Bands dazwischen, die sind gar nicht jung und neu. Etwa The Shivas. Die vierköpfige Band aus Portland existiert seit fast 20 Jahren und hat bereits acht Alben veröffentlicht. Das aktuelle hört auf den Namen “Can’t Stop Coming Around” und ist erst im Juli erschienen. Darauf ist ebenfalls nichts zu finden, was neu oder frisch wäre. Aber das ist auch nicht Ziel der Band, die sich unsterblich in die Sound-Palette der 60er verliebt hat und zweifelsfrei in der Lage ist, in ihrem einstündigen Set im Nochtspeicher Unterschiedlichstes zu bedienen. Dafür darf man das überstrapazierte Adjektiv “authentisch” bemühen. Die bezaubernde Kristin Leonard sitzt zunächst singend am Schlagzeug, was sich nach einigen Songs ändert und sich ihre eigentlich Gitarre-spielenden Kollegen hinter das Set setzen, damit sie die Soul-Sängerin am Bühnenrand geben kann. Soul ist nur ein Aspekt. Hinzu gesellen sich Surf, Garage, Psych, Westcoast Pop und Doo-Wop. Nicht neu – aber zeitlos. (js)

Donnerstag, 19.09.

Spookey Ruben, RBF 2024 (Foto: Jan Schwarzkamp)
Spookey Ruben geht 30 Minuten lang steil im Uwe (Foto: Jan Schwarzkamp)

17:30 Uhr: In diesem Jahr hat sich Kanada im Uwe im Klubhaus St. Pauli am Spielbudenplatz eingemietet. Dort bekommt ein besonderer Gast seine 30 Minuten im Rampenlicht: Spookey Ruben, geboren in Ottawa, Ontario und aufgewachsen unter anderem in Verden, Niedersachsen, weil sein Vater Raumfahrtingenieur bei der ESA war. Spookeys aktuelles Album ist bereits von 2016. Aber das macht nichts, denn die ihm zur Verfügung stehende halbe Stunde füllt er mit reichlich Wahnwitz, mit der Betonung auf letzterem. Nach zwei Songs auf der Akustikgitarre – darunter sein 90s-Indie-Hit “Running Away” – spielt er seine kruden, selbstgedrehten Videos zum ebenfalls aus den 90ern stammenden “Wendy McDonald” und der hanebüchenen deutschen Version des 2016er Songs “Mr. Everywhere” ab – und singt einfach noch mal drüber. Dabei springt er wie der Frontmann einer Hardcore-Band mit Deerstalker-Mütze über die kleine Bühne. Eine Parade der “What the fuck?!”-Momente. Und zum Finale gibt es selbstverständlich das Thema der WDR-Sendung “Zimmer frei”, nämlich Spookeys Hit “These Days Are Old”. (js)

Neumatic Parlo im Häkken: die deutschen Fontaines? (Foto: Jonas Silbermann-Schön)
Neumatic Parlo im Häkken: die deutsche Antwort auf Fontaines D.C.? (Foto: Jonas Silbermann-Schön)

21:00 Uhr: Sänger und Gitarrist Vincent Göttler sieht mit seiner schnellen Brille und seinem weißen Sportanzug aus wie ein zu extravaganter Speed-Dealer vom Düsseldorfer Rheinufer – oder eben wie ein neues Mitglied von Fontaines D.C. nach ihrer radikalen Rundumerneuerung. Da er mit seiner im Vergleich schlicht gekleideten Band Neumatic Parlo im kleinen und gut besuchten Häkken auf der Bühne steht, stimmt beides nicht, aber die irischen Post-Punk-Posterboys sind generell ein guter Anknüpfungspunkt. Mit lakonisch-angepisstem Sprechgesang und einer ähnlich ungestümen Energie wie die von “Dogrel” (2019) schwingt sich die Band zu einer Düsseldorfer Version von Fontaines D.C. auf – nur beherrschen sie eben bereits das, wozu die Iren mehrere Alben brauchten. Hinter Neumatic Parlos aufgekratztem Garage Rock verbergen sich schon jetzt der Breitwand-Sound der Artic Monkeys, Radiohead-Momente und generell eine Wall Of Sound, die sich Mitglied Simon Hartmann mit seinem Oasis-Sticker auf der Gitarre wohl von den Britpop-Ikonen abgeschaut hat. Aber noch viel bemerkenswerter als der breitgefächerte Klang: Neumatic Parlo geben sich mit ihrem erratischen Frontmann, der sich schweißgebadet ums Mikro wickelt, herrlich unprätentios und legen eine Club-Show hin, der Fontaines D.C. längst entwachsen sind. (jss)

22:10 Uhr: Bass, Gitarre, Drums und ein bisschen Synthie sagen mehr als tausend Worte: Das hat in Hamburg längst die Runde gemacht, weshalb das Headcrash gut gefüllt ist, als das Berliner Trio Zahn zur gepflegten Apokalypse bittet. So fühlt sich nämlich ihr krautiger Noise-Post-Rock an, der zwischen meditativ-harmonisch und brutal-erdrückend pendelt. So oder so ein immersives und ziemlich lautes Erlebnis. Sich darauf einzulassen, lohnt sich. Nicht immer ganz einfach bei den endlosen Instrumentalschleifen, die aber durch eine ansteckenden Performance von vor allem Chris Breuer, stets mit langer Matte über Bass oder Synthie gebeugt, mitreißen. So wie auch die Songs des zweiten Albums “Adria” (2023), die klingen wie reihenweise Kinnhaken auf einem Retro-Italien-Trip. (jss)

Plaiins, RBF 2024 (Foto: Jan Schwarzkamp)
Chris Reardon, Sänger von Plaiins, geht auf die Knie (Foto: Jan Schwarzkamp)

23:00 Uhr: Seit zwei Jahren veröffentlichen Plaiins Single um Single, gebündelt zu EPs. Nur ein Album fehlt noch. Doch mit Long Branch haben sie nun ein Label, auf dem das erscheinen soll. Die Hannoveraner richten den heutigen Abend im Bahnhof Pauli aus – und Plaiins sind die Headliner. Die Band ist in Hamburg ansässig, der charismatische Frontmann Chris Reardon ist jedoch Brite mit dem richtigen Duktus und Vokabular, um den rasanten Mix aus Post-Hardcore und halsbrecherischem Alternative Rock passend zu illustrieren. Dazu gibt es ein Feuerwerk der Rock’n’Roll-Gesten, bei denen sich Gitarrist Florian Kaninck auf den Arsch legt und Reardon auf die Knie geht, bis er – mittlerweile fast obligatorisch – das Publikum bittet, sich auf den Boden zu setzen, um zum musikalischen Ausbruch aufzuspringen und auszurasten. So empfehlen sich Plaiins für die großen Bühnen. (js)

23:10 Uhr: Kaum ist das Ende von Black Midi – zumindest vorerst – besiegelt, hat Sänger und Gitarrist Geordie Greep schon ein Soloprojekt am Start, das er im Knust vorstellt. Zur Seite stehen ihm fünf Gastmusiker, die infolge seiner anstehenden Tour je nach Kontinent und Verfügbarkeit  rotieren werden. Sein mit 30 Musikern von aller Welt aufgenommenes Solodebüt auf die Bühne zu bringen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Ebenso unmöglich: Greeps improvisierte Math-Rock-Fingerübungen, die sich in den ersten rund zehnminütigen Song hineinschrauben, in dem er sich zum verschwitzten Prediger aufspielt und vor Spielfreude explodiert. Dabei sprengt er von Jazz, über Yacht Rock, sämtliche Latin-Music-Einflüsse bis Musical-Anleihen fast noch mehr Genregrenzen als mit seiner ehemaligen Band, zur Grenzerfahrung lässt er es aber nicht kommen. Erstaunlich eingängig und unterhaltsam dirigiert Greep sein Team, mimt mal die große kubanische Sängerin Celia Cruz, heißt schmalzigem 80s-Rockgesang willkommen, zieht aber im richtigen Moment wieder die noisy Avantgarde-Schraubzwinge an. So richtig geht das Publikum aber erst bei “Holy, Holy”, dem bisher einzigen veröffentlichten Song mit. Trotzdem: Kaum zu glauben, was der 25-Jährige hier in Eigenregie auf die Beine gestellt hat. (jss)

Freitag, 20.09.

Polymoon, RBF 2024 (Foto: Jan Schwarzkamp)
Im Dachstuhl des Grünen Jäger grooven sich Polymoon durch ihren kühlen Prog (Foto: Jan Schwarzkamp)

14:00 Uhr: Unweit vom Garage Sale der lokal ansässigen Indie-Labels vor dem Knust ist der Grüne Jäger. Den hat heute die finnische Delegation übernommen, um mit vier Bands ihr Portfolio vorzustellen. Polymoon ist eine davon. Die Band ist gesignt auf Robotor – dem Label ihrer Freunde Kadavar. Ihr Stil ist eigen. Da trifft 70s Prog auf Space Rock, sphärischer Psych auf kühle Synthesizer und einen gewissen Wave-Gestus, über den vor allem Sänger Kalle-Erik Kosonen verfügt. Überhaupt: Kaum eine Band auf dem RBF sieht so sehr nach Band aus, wie Polymoon mit ihren Vintage-Outfits zwischen 70s und 80s. Live unter dem Dachstuhl des Grünen Jägers kommen die Grooves von Schlagzeuger Tuomas Heikura und dem fingerfertigen Neuzugang Marco Menestrina (auch: Kaleidobolt) und seinem silbern glänzenden Bass besonders gut zur Geltung. (js)

16:00 Uhr: Wir treffen das von Epitaph-Sublabel unter Vertrag stehende Genre-Chamälon Sam Akpro aus Peckham, London vor der Davidwache zum Interview. Mitten auf der Reeperbahn erzählt Akrpo zwischen eingeschlafenen Feierwütigen und angeheiterten Festivalgänger:innen von seiner gestrigen Show, dem bevorstehenden Showcase im Molotow und der Entwicklung seines Soloprojekts. (jss)

Battlesnake, RBF 2024 (Foto: Jan Schwarzkamp)
Battlesnake laden im Molotow Backyard zum Metal-Zirkus (Foto: Jan Schwarzkamp)

18:00 Uhr: Dass diese Band gekommen ist, um bleibenden Eindruck bei den Anwesenden im Molotow Backyard zu hinterlassen, verrät schon der aufgekratzte Moderator des Aussie BBQ, in dessen Rahmen – richtig – nur australische Bands spielen. Die letzte ist Battlesnake, die gekommen sind, um den Thrash von King Gizzard mit dem Metal von Judas Priest und dem Kostüm-Quatsch von Ghost zu vereinen. Die Band hat sichtlich Spaß dabei, die Joker-Position einzunehmen und komplett am Rad zu drehen. Unter ihren mit goldenen Nieten und Ketten verzierten Roben ziehen sie (fast) blank. Zu sechst, und bewaffnet mit Keytar, unternehmen sie schon bald Ausflüge ins Publikum, dann aufs benachbarte Dach, die Traversen hoch und – mithilfe einer Leiter – über die Köpfe des Publikums. Der Zirkus macht jedenfalls mehr Spaß, als es die Substanz der Songs hergibt. (js)

19:30 Uhr: Der Molotow-Club steht seit 19 Uhr im Zeichen des Label-Showcase-Events Make Noise For Safe Passage. Über zwei Projektoren laufen auf den Wänden des Clubs Musikvideos sämtlicher Acts von Epitaph und deren Sublables Anti- und Hellcat in Dauerschleife und in der hinteren rechten Ecke baut das Team einen Stand mit vielen seltenen Testpressungen von etwa Bad Religion, Tim Armstrong, Rancid, NOFX und den Architects sowie verschiedenstem Merch wie unterschriebenen Skateboards, Descendents-Kaffee und Punk-O-Rama-Hoodies auf. Heute Abend soll es aber nicht allein um Epitaph und die drei Label-Acts Sam Akpro, Rat Boy und Late Night Drive Home gehen; die Einnahmen des Standes und den Spendenboxen an der Bar gehen an Sea-Watch und kommen damit der zivilen Such- und Rettungsaktionen im zentralen Mittelmeer zugute. Vor allen drei Konzerten hält ein Vertreter der Non-Profit-Organisation jeweils Power-Point-artige Vorträge über die Arbeit von Sea-Watch. So richtig wahrgenommen wird das ernste Thema in der launigen Kneipenatmosphäre erstmal nur von den ersten paar Reihen. Am Ende dürfte die Botschaft der lebenswichtigen Arbeit von Sea-Watch aber trotzdem angekommen sein. Und auch rund 950 Euro wurden bisher eingenommen. Über sea-watch.org kann allerdings noch bis Ende des Jahres gespendet werden. (jss) 

Sam Akpro im Molotow (Foto: Jonas Silbermann-Schön)
Sam Akpro im Molotow (Foto: Jonas Silbermann-Schön)

Für Stimmung soll aber erstmal Anti-Records-Act Sam Akpro sorgen. Seinen von Dub und Jazz-Einflüssen durchtränkten Post-Rock und -Punk nimmt der junge Londoner zwar alleine auf, damit er selbst abgehen kann, überlasst er die Musik aber gewinnbringend seiner fünfköpfigen Band. Was bei Akpro auf Platte nach ausgefeilten Arrangements, Beat-Tüfteleien und sphärischem Sprechgesang klingt, bringt er live mit erstaunlich viel Wucht und Inbrunst rüber. Minutenlang lässt er dichte Grooves, Samples und Gitarrenschichten um sich herum aufbauen, bevor sich die Songs im fast schon wütenden Rap von Akpro entladen. Auch wenn er als Frontmann oft nicht einmal singt, hat er das Publikum fest im Griff. Ergebnis: Das kollektive Kopfnicken zu krachenden Schlagzeugbeats und Jazz-Einschüben geht weit über die ersten Reihen hinaus. Ein unerwartet draufgängerischer und intensiver Auftritt eines Solokünstlers, der zumindest in seiner Heimat mit diesem Sound sicherlich das Zeug hat, groß zu werden. (jss)

Rat Boy im Molotow (Foto: Jonas Silbermann-Schön)
Rat Boy im Molotow (Foto: Jonas Silbermann-Schön)

21:20 Uhr: Eine ganz andere Stimmung als beim Label-Kollegen herrscht bei der Hellcat-Band Rat Boy aus Essex. Die springen mit denkbar breiter Brust auf die Bühne, stellen direkt nochmal explizit klar, dass sie aus “ESSEX!” kommen und beweisen, dass sie mit Ende 20 schon längst alte Hasen im Business sind, und wissen, wie man eine Punk-Show abzieht. Entsprechend fackelt Frontmann und Gründer Jordan Cardy nicht lange, akzeptiert kein müdes Kopfnicken. Er will die Leute tanzen sehen. Beachtlich, das auf Anhieb beim oft lahmarschigen Branchenpublikum bei Showcase-Festivals hinzukriegen. Doppelter Respekt dafür, die Menge mit mittlerweile oft belächeltem Ska-Punk in Bewegung zu halten. Aber Rat Boy machen schon seit zehn Jahren Musik und wissen als Rancid-Fans und Schützlinge von Tim Armstrong genau was sie tun: die Songs ihres nächste Woche erscheinenden Albums “Suburbia Calling” lassen eigentlich Blur, The Specials oder Madness, inklusive Bläsern und Piano anklingen, live prügeln sich die vier Freunde durch ihr Set wie einst Operation Ivy, versorgen sich gegenseitig mit Bier und laden das Publikum zur Mini-Wall-Of-Death ein – nicht nur ein Mal. Im üppigen Finale teilt Cardy den Club in zwei Hälften und bringt nach kollektivem Countdown wohl auch noch die letzten Skeptiker zum Abgehen. Eine der wohl wildesten und sympathischsten Punkshows beim Reeperbahn Festival der vergangenen Jahre. (jss)

Girl And Girl, RBF 2024 (Foto: Jan Schwarzkamp)
Die Australier Girl And Girl spielen wunderbaren Jingle-Jangle-Indie (Foto: Jan Schwarzkamp)

21:55 Uhr: Wie Battlesnake aus Australien und heute bereits zum zweiten Mal auf der Backyard-Bühne sind Girl And Girl. Die veröffentlichten seit 2020 diverse Singles und EPs und sind 2023 von Sub Pop gesignt worden. Verständlich: Ihr Jingle-Jangle-Indie hat reichlich Garage-Rock-Dringlichkeit und erinnert zuweilen an die Violent Femmes und Jonathan Richman. Vor allem ist Gitarrist und Songwriter Kai James mit seinem engen, silbernen Topp ein Blickfang. Immer wieder holt er ein Vibrato raus, was den Songs vom im Mai erschienenen Album “Call A Doctor” das gewisse Etwas verleiht. (js)

22:50 Uhr: Nach Anti- und Hellcat wird es Zeit, dass mit Late Night Drive Home endlich eine Band auf die Bühne des Molotow Clubs kommt, die tatsächlich beim Mutter-Label Epitaph unter Vertrag steht. Die vier jungen Männer aus El Paso, Texas veröffentlichen seit 2019 Songs. Damals waren sie gerade mal 16 bis 19 Jahre alt. Auf Platte ist ihr Mix aus Indierock, sanften Emo-Anklängen, verträumtem Shoegaze und Verbeugungen an The Strokes recht schüchtern. Live ist das weniger der Fall. Mit aufgerissenen Jeans und dickbesohlten Doc Martens präsentieren sie ihre Songs lauter, dringlicher, krachiger als auf Platte – selbst wenn zwischendurch mal ein Pedal von Gitarrist Juan “Ockz” Vargas schlapp macht. (js)

Jazz-Electropunk-Duo O. in der Prinzenbar (Foto: Jonas Silbermann-Schön)
Jazz-Electropunk-Duo O. in der Prinzenbar (Foto: Jonas Silbermann-Schön)

23:45 Uhr: Allein die mehrstöckige Kulisse mit Stuck und massivem Kronleuchter ist ein Highlight: Joe Henwood und Tash Keary von O. überlassen in der Prinzenbar trotzdem nichts dem Zufall. Das Londoner Paar besteht auf einen akribischen Soundcheck, bevor Henwood das infernale Dröhnen seines Baritonsaxofons in der Venue erklingen lässt. Es folgt ein atemloser Instrumental-Mix aus Art-Punk, Dub, Jazz und Electro, mit dem die beiden auch schon auf der Fusion gespielt haben und folgerichtig ihren eigenen kleinen Minirave in der Prinzenbar starten. Entsprechend des Titels ihres Albums “Weirdos” ist ihr skizzenhafter Sound bewusst vertrackt und unberechenbar, aber vor allem tanzbar, da Keary ihr Schlagzeug und Drumpad mit klinischer Präzision in Hochgeschwindigkeit bearbeitet. Fast permanent hat Keary ein zufriedenes Grinsen auf den Lippen, während sich Henwood die Seele aus dem Leib pustet oder zwischendurch immer wieder Witze reißt. Wen das nicht in Bann zieht, der ist irgendwo falsch abgebogen. Nur Kearys Tamagotchi ist zu entschuldigen. Es schläft gerade, scherzen die beiden “Eltern”, die sich am Ende einer der auch visuell beeindruckendsten Shows dieses Wochenende gegenseitig nochmal ihre Liebe erklären. (jss)

Des Rocs, RBF 2024 (Foto: Jan Schwarzkamp)
Geborener Entertainer: Des Rocs aus New York bei seinem ersten Deutschlandauftritt (Foto: Jan Schwarzkamp)

00:10 Uhr: Extrovertierter gibt sich Des Rocs im Nachtclub Moondoo (das zukünftige neue Molotow), in dem rosa beleuchtete Tische oder: Striptease-Plattformen unmittelbar vor der Bühne platziert sind. Danny “Des Rocs” Rocco, Pizzabäcker in vierter Generation aus New York, trägt ein tightes Leder-Outfit und eine Greaser-Tolle. Im Power-Trio-Gefüge ballert er laut- und ausdrucksstark Danko Jones, The Black Keys, Queens Of The Stone Age, The Cult, Muse, Jimi Hendrix (Gitarrensolo auf dem Rücken) und Elvis Presley zusammen und erinnert bei seinen Ansagen (und auch äußerlich) an den jungen Robert De Niro. Es kommt auf jeden Fall eine gute Portion des Sounds vom digitalen Helferlein, was die Sache noch bombastischer macht. Das hier ist prädestiniert für große Arenen. Doch bei seiner ersten Deutschland-Show – einer “kinky show”, wie er sagt – bringt er die Arena in den Club. (js)

Samstag, 21.09.

19:45 Uhr: Ihren Bandnamen haben Jools von Late-Night-Talkshow-Host Jools Holland geklaut, als er Shame zu Gast hatte. Entsprechend austariert ist die sechsköpfige Band um die beiden Frontleute Mitch Gordon und Kate Price in die Richtung Post-Punk, die man im UK eben gerade so spielt. Als zweistimmige Idles könnte man die Band aus Leicester abtun, doch nicht nur von den Looks (Gordon heute mit Wolle-Petry-Frisur und Rüschenhemd, Price in Lederklamotten) richten sich Jools aber wesentlich extravaganter, flamboyanter aus. Zwischen versteckten Popmelodien und der Wucht von Rage Against The Machine im Nacken haben Jools im vollgepackten 25 Club trotz Soundproblemen einiges zu bieten: Die Energie stimmt, die Botschaft (“It’s not a shame to dress like a woman”) sowieso. Noch fehlen Jools aber bis auf die Single “FKA” die Hits, die aus ihrem Ohrfeigen-Sound live herausstechen können. Das dürfte sich mit einem Album beim Label Hassle hoffentlich bald ändern. (jss)

22:00 Uhr: Gut eine Stunde dürfen Eat Them im Karatekeller im Molotow ran. Das ist auch gut so, denn die drei Bochumer haben sich zwischen dem LoFi-Geschmetter der frühen Cloud Nothings, artsy Punk-Ausflügen, Shoegaze und Mathrock denkbar breit aufgestellt. Darin liegt aber auch die Herausforderung: Gerade wenn einen ihr krachiger All-over-the-place-Indie packt, driftet das Trio in langsame, vertracktere Jam-Sessions ab. Da das trotzdem nicht verschroben wirkt, und sie sich immer weiter in den schwer zu greifenden Stilmix hineinsteigern, gehen die Experimente dieser durchaus ungewöhnlichen Band aus dem Ruhrgebiet trotzdem auf. (jss)

23:55 Uhr: Es ist satte 17 Jahre her als “Made Of Bricks” die Indiewelt aufmischte. Damals war Kate Nash gerade 20 Jahre alt, ihrer Texte aber voll kluger Lebensweisheit. 2013 hat sie die Frisur gewechselt und wird zur Indierockerin. Dann dauert es fünf Jahre und dann noch mal sechs Jahre, bis neue Alben von ihr erscheinen. Dafür erfindet sich die Britin nebenbei vor allem mit der Girl-Wrestling-Serie “Glow” als Schauspielerin neu – und als queere Ikone. Es ist ruhiger um sie geworden, aber sie ist nicht vergessen. Sonst wäre die Große Freiheit 36 nicht so gut gefüllt und Nash nicht an der Position, als Headlinerin in einem der größten Venues des RBF das Festival abzuschließen. Erst im Juni hat sie “9 Sad Symphonies” veröffentlicht – ein melancholisches Popalbum, das über Kill Rock Stars erscheint, was Nash viel bedeutet, wie sie betont. Das Label habe schließlich eine wichtige Punk-Historie. Stilistisch ist ihr eigenes Album davon zwar weit entfernt, dafür geht es live zwischen Pop und Party, Punk und Publikumstuchfühlung einmal durch ihren überschaubaren Katalog. Nash tanzt im Sailor-Moon-meets-Playboy-Bunny-Outfit mit silbernen Stiefeln über die Bühne, nimmt irgendwann die akustische Gitarre, dann den Bass – und tanzt bald ohne Stiefel weiter. Klar, viele sind wohl hauptsächlich wegen eines Songs da – aber bis dahin bleibt es kurzweilig. Und dann kommt das unzerstörbare “Foundations”, bei dem das Publikum laut mitsingt: “And I smile/ I know I should forget but I can’t”. (js)

Freikarten zu gewinnen!

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Das Zinnober Festival lädt am 4. Oktober zum ersten Mal in den Essener Delta Music Park ein. Dabei setzt das DIY-Punk-Festival auf eine vielfältige Mischung aus Musik, Design und Kunst. Außerdem soll eine Networking-Gelegenheit für Menschen aus der Musikbranche und eine Plattform für aufstrebende Indie-Musiker:innen schaffen.

Das Line-up besteht zum Großteil aus vielversprechenden Newcomern. Mit dabei sind unter anderem das Post-Punk-Duo Lambrini Girls, die Doom-Metal-Band Hexer oder die Hardcore-Band Hippie Trim. Im Rahmenprogramm wird es Ausstellungen lokaler Künstler im Art Yard geben, den Beginn der eintägigen Veranstaltung bildet eine Lesung des Autors Philipp Meinert aus seinem Buch “Homopunk History”.

VISIONS verlost 2×2 Plätze auf der Gästeliste. Wir wünschen allen Teilnehmenden viel Glück!

Geoff Barrow verkündet Ausstieg

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Die Trennung des Schlagzeugers von Beak> scheint im Guten zu sein, wie sich aus den Statements der beiden verbliebenen Bandmitglieder, Billy Fuller und Will Young, sowie aus dem von Geoff Barrow herauslesen lässt.

Als Grund für seinen Ausstieg führt Schlagzeuger Barrow unter anderem gesundheitliche Probleme an: “Wegen eines kaputten Sprunggelenks und anderer Dinge, um die ich mich kümmern muss, bevor ich dafür zu alt werde, ist es für mich leider Zeit, den nuschelnden Schlagzeuger hinter mir zu lassen.”

Im Weiteren gibt er zudem einen Ausblick auf seine musikalische Zukunft: “Ich werde weiter zusammen mit Ben Salisbury an Filmmusik arbeiten, zudem habe ich meinen ersten eigenen Film abgedreht, der noch dieses Jahr veröffentlicht wird. Ich weiß, dass Beak> noch ein paar Killer-Alben veröffentlichen werden und freue mich schon auf meine neue Rolle als idiotischer und musikalisch ungeeigneter A&R der Band bei Invada Records.”

Fuller und Young bekräftigen in ihrem Statement, dass es für Beak> nach der letzten gemeinsamen Tour mit Barrow weitergehen wird – die Frage ist nur wann. “Was zukünftige Aktivitäten von Beak angeht, können wir sagen, dass immer noch Leben in uns steckt, aber wir brauchen Zeit, um Geoffs Abschied zu betrauern. Neue Musik wird es von uns geben, wenn die Zeit reif ist.”

Als Trio haben Beak>, seit sie sich vor 16 Jahren spontan auf einer Weihnachtsfeier von Barrows Label Invada zusammenfanden, vier Alben und den Soundtrack zu dem Film “Couple In A Hole” veröffentlicht. „>>>>“, eine unserer Schönheiten in VISIONS 376, veröffentlichten sie im Mai dieses Jahres ohne Vorankündigung. Zuletzt hat die Band ein Rework des Gazelle-Twin-Tracks “Fear Keeps Us Alive” produziert.

Ab 30. Oktober sind Beak> auf Tour und spielen unter anderem zwei Konzerte in Deutschland. Zudem gibt es noch einige Konzerte in den Beneluxländern und in Frankreich.

Live: Beak>

25.11. München – Hansa 39
27.11. Berlin – Gretchen

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