Direkt zu Beginn lässt Chelsea Wolfe für die EP “Undone” (Loma Vista, 30.08.) einige Songs ihres neuesten Albums “She Reaches Out To She Reaches Out To She” neu auflegen. Den Anfang machen Chino Moreno und Shaun Lopez und verpassen “Tunnel Lights” einen sphärischen Crosses-Anstrich inklusive Industrial-Beats, der gleich den eingehendsten Moment der EP darstellt. Atmosphärisch bleibt das Stichwort, die mystische und düstere Stimmung des Albums wird weitgehend beibehalten und noch verstärkt, laut wird es vor allem gegen Ende, wenn sich Full Of Hell in “Eyes Like Nightshade” den Frust von der Seele kreischen. Den einzigen Ausbruch aus diesem Schema stellt “House Of Self-Undoing” von Boy Harsher dar, der eher nach dem Soundtrack einer durchzechten Partynacht klingt.
Was bei Chelsea Wolfe nur ein knappes halbes Jahr gedauert hat, hat bei Hermano 15 Jahre in Anspruch genommen. Auf “When The Moon Was High” (Ripple, 04.10.) veröffentlicht die Band um Ex-Kyuss-Sänger John Garcia immerhin zwei neue Songs, sowie einige bislang unveröffentlichte Live-Versionen. Während “Breathe”, die erste der zwei Singles, 2023 entstanden ist und in den gewohnten Desert-Rock-Sphären der Band spielt, gibt sich “Never Boulevard” deutlich ruhiger. Entstanden ist der Song bereits 1998, er fiel der Band aber erst kürzlich beim Aufräumen für Reissues wieder in die Hände. Der Rest der EP setzt sich dann aus vier Live-Versionen bereits bekannter Songs zusammen, gleich drei davon aufgenommen 2016 beim französischen Hellfest. Fans der Band dürften die hier servierten Brotkrumen wohl mit Kusshänden entgegennehmen, auf eine umfassende Veröffentlichung von neuer Musik, müssen sie allerdings vorerst weiterhin warten.
Viel frischer geht es dagegen bei Sunflower Bean zu. Das Trio aus New York veröffentlicht mit “Shake” (Lucky Number, 27.09.) seine erste selbst produzierte EP, die nach Eigenaussage stark von Black Sabbath inspiriert sein soll, oder wie es die Band etwas allgemeiner fasst: “Rock’n’Roll ist ein Gefühl, kein Sound.” Dieses Gefühl bringen sie ihren Hörer:innen in fünf Songs näher, steigen in “Teach Me To Be Bad” aber mit Alternative Rock à la Royal Blood ein, massive Basslines inklusive. Spaß macht das durchweg, hätte an der ein oder anderen Stelle aber noch ein wenig mehr Tempo vertragen können.
An Tempo mangelt es House Of Protection dagegen keineswegs. Das Duo, bestehend aus Aric Improta und Stephen Harrison (beide Ex-Fever 333), schlägt die Brücke zwischen Hardcore und Electronica und veröffentlicht mit “Galore” (Red Bull, 13.09.) seine Debüt-EP. Der Opener “Pulling Teeth” gibt den Ton und die musikalische Ausrichtung an, auf den nachfolgenden fünf Songs wird weiter experimentiert: “Being One” stellt den ruhigsten Moment dar, “Better Off” schlägt dagegen fast in Trap-Kerben, während “Learn To Forget” Punk-Fans gefallen dürfte. Wenn House Of Protection dieses Niveau mit künftigen Veröffentlichungen aufrechthalten, dürften sie schon bald die Massen anziehen.
Ebenfalls mit einer Debüt-EP und gleichzeitig mit einer musikalischen Kehrtwende am Start ist Laura Jane Grace. Grace veröffentlicht mit “Give An Inch” (Dial Back, 06.09.) die erste EP mit den Mississippi Medicals, Teil der Band ist auch Grace’ Ehefrau Paris Campbell Grace, Matt Patton von Drive-By Truckers und Mikey Erg von den Ergs!. Auf der EP schlägt einem eine gewisse Country-Affinität entgegen, die sich durch die Songs zieht – mal mit Classic-Rock-Ansätzen wie in “Razorblade Blues”, mal mit ein wenig Punk-Spirit und bissigem Sarkasmus in “M*A*S*H”. Insgesamt ist das neueste Nebenprojekt von Grace aber gewöhnungsbedürftig und eher etwas für Liebhaber.