Freitag ist Plattentag – und wir stellen euch wie gewohnt die wichtigsten Neuerscheinungen der Woche vor. Mit Viagra Boys, Ghost, Machine Head, Billy Idol, Aka Rinde, Bruit, Temple Fang, The Moonlandingz, Stereophonics, Sunflower Bean, Employed ToServe, Das Aus der Jugend, Caliban, Himalayas.
Freitag ist Plattentag
Album der Woche: Viagra Boys – “Viagr Aboys”
Viagra Boys (Foto: Fredrik Bengtsson)
In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod” – vermutlich haben die Viagra Boys noch nie in ihrem Leben einen Film von Alexander Kluge gesehen oder eins seiner Bücher gelesen, den Titel seiner Satire von 1974 beherzigen sie trotzdem. So wie Sebastian Murphy auf der Bühne mit jeder Faser seines Körpers seine Songs wieder und wieder durchlebt, so beweglich bleibt seine Band musikalisch. Auf ihrem vierten Album nun eben mit einer waschechten Liebesballade, Synth-Punk-Stompern und einigen von Murphys absurdesten Texten bisher. Und das beste: diese Band ist noch längst nicht am Ende, weil sie sich ständig neue Dinge einverleibt.
Neuer Papa, neues Kapitel, neues Album: nur der von Tobias Forge bereits perfektionierte Schlagerokkultismus bleibt gleich. Dabei bleibt er natürlich der unbestrittene Meister seines Fachs. Nur gegen den Bombast und Schmalz von 80s-Glam-Rock darf man zwischen Def-Leppard-Gedächtnis-Riffs und Status-Quo-Schunklern eben nichts haben.
Harte Schale, weicher Kern. Das ging bei Machine Head schon immer Hand in Hand. Auf “Unatøned” legt es Robb Flynn voll darauf an. So kommen Pathos und Drama im knallharten Metal-Blockbuster nicht zu kurz. Das Problem: Wer alles gleichzeitig sein möchte, dem glaubt man am Ende nichts. Die Meinungen in der Redaktion gehen daher weit auseinander.
Offensichtlich hat Billy Idol die besten Jahre bereits hinter sich. Idols achtes Album kann sich in Teilen einer gewissen großväterlichen Romantik also nicht ganz verwehren. Der 69-Jährige will mit seinen Gastsängerinnen in den besten Momenten mitreißen, die letzte Konsequenz fehlt ihm aber meist dabei.
Andrej Dietrich hatte vielleicht ursprünglich geplant, als Antithese zu Dÿse, ein Akustikalbum zu machen. Auf dem Weg dorthin hat aber der Wahnsinn übernommen. Musikalisch steht “Kids” also ziemlich alleine im Genre-Regal. Groove, Folk, Fingerakrobatik und Blues treffen in sympathischer Unfertigkeit aufeinander.
Bruits Kommentar zur Herrschaft der Algorithmen gerät zum fast unerträglichen Hörereignis. Und das mutwillig – und im besten Sinne. Jedes der fünf raumgreifenden Stücke wird übergroß aufgeblasen, taumelt von einer Steigerung in die nächste und überwältigt alle Schönheit der Kompositionen mit Schichten aus Krach und Verzerrung.
Mutmaßungen über grünes Kraut oder Scherze über die Räucherstäbchen, die Temple Fang live anzünden, sind unangebracht. Dafür klingt ihr zweites Album zu sehr nach geöffnetem Fenster als nach vernebelter Bude, aller Ausuferungen und allem Echo auf dem Gesang zum Trotz. Es ist die zweite Großtat der Niederländer in Folge.
Nein, Raketen brauchen The Moonlandingz wahrlich nicht. Hier brennt ohnehin alles lichterloh. Ein Album, gegen das die Generation Post-Punk der vergangenen fünf Jahre wirkt wie der Fernsehgarten – konsequent in seiner Knurrigkeit, musikalisch im Spagat zwischen Clubbing und Cocooning. Nichts für Feiglinge.
Stereophonics – “Make ‘Em Laugh, Make ‘Em Cry, Make ‘Em Wait”
Ihre trotzige und menschenfreundliche Haltung ziehen die Stereophonics eine halbe Stunde lang durch. Man fühlt sich sehr wohl in diesem Album, zumal, wenn beim achten Song “Feeling Of Falling We Crave” eine Steel-Guitar jault und Kelly Jones singt, als schaue er einem ganz, ganz tief in die Augen.
Eindeutig waren Sunflower Bean noch nie. Auf ihrem vierten Album treiben sie ihr hinterlistiges Spiel jedoch auf die Spitze. Ihren Indie-Fans dürften die Folkrocker einen gehörigen Schrecken einjagen, die unerwartet tief dröhnenden Shoegaze-Gitarren bringen aber eine erfrischende Nuance in den aufgeräumten Sound des Trios.
Auch zehn Jahre nach ihrem unbarmherzigen Debüt “Greyer Than You Remember” sind die Probleme bei Employed To Serve die gleichen: Unsicherheit, Hoffnungslosigkeit, innerer Schmerz. Daher gibt es auch auf ihrem fünften Album modernen Metalcore nach Formel – und er funktioniert.
Das Aus der Jugend – “Für immer niemals sein wie ihr”
Der Bandname macht es deutlich: Das Aus der Jugend verfügen über eine spezielle Art zynischen Humors. Drumherum rumpelt es in Power-Akkorden und mehrstimmig-lakonischen Gesängen, autonomer Randale und Samples von Stromberg bis zum Navigationsgerät. Wenn man diesen Mai eine Deutschpunkplatte hört, dann sollte es diese sein.
Caliban bleiben auch nach bald 30 Jahren Bandgeschichte bei ihrem trendresistenten Metalcore, an dem man nur wirklich etwas aussetzen kann, wenn einem das Genre zu den Ohren heraushängt. Experimente halten sich erwartungsgemäß in Grenzen. Schön, dass man sich noch auf etwas verlassen kann.
Himalayas aus Wales haben an musikalischer Expertise dazugewonnen: Auf ihrem zweiten Album verpassen sie ihrem Alternative Rock eine Grundsanierung mithilfe von Disco und Bluesrock-Einflüssen und zeigen sich geradliniger als auf ihrem Debüt vor zwei Jahren.