Die perfekte Clubnacht – so könnte sie aussehen: Den Auftakt macht Jamie xx. Im Gegensatz zu Romy Madley Croft und Oliver Sim ist der The xx-Produzent bereits beim zweiten Soloalbum. Auf das farbenfrohe “In Colour” (2015) folgt das schwarz-weiß gehaltene “In Waves” (Young, 20.09.), dessen Cover einen ebenso schwindlig macht wie die Eleganz, mit der Jamie xx produziert. Zusammen mit The Avalanches sampelt er etwa in “All Your Children” artistisch Kinderchöre und bringt eine eigentlich abgegriffene Botschaft wieder zum Leuchten. Ein Überhit wie “Gosh” fehlt “In Waves”, dafür wirkt das Album konsistenter. Dafür spricht auch, dass es diesmal als Einzel-LP erscheint, beim Vorgänger waren die Tracks noch auf drei Maxis verteilt.
Von Jamie xx übernimmt Caribou. Dan Snaith schmiert einem im wahrsten Sinne des Wortes Honig um den Mund: “Honey” (City Slang, 04.10.) ist durchdrungen von guter Laune und Euphorie, wenngleich Veränderung das zentrale Thema des Albums zu sein scheint. “And I know it got to change”, fordert Snaith nicht nur im wahnsinnig clever zusammengeklauten “Volume”, das auf “Pump Up The Volume” von M.A.R.R.S. aufbaut, sondern auch im abschließenden “Got To Change”, in dem Snaith das Vocal-Sample wieder aufgreift. Dazwischen erinnert er sich an “August 20:24”, zündet für uns das “Campfire” an und tut alles, der liebenswerteste promovierte Mathematiker der Welt zu bleiben. Auffällig ist, wie schnell die Songs zum Punkt kommt, teils haben sie Längen, wie man sie sonst vom Punk kennt.
Caribou übergibt das DJ-Pult an Whomadewho. Ursprünglich mal als Band mit Gitarre, Bass und Schlagzeug gestartet, haben sich die drei Dänen in den vergangenen fast 20 Jahren zu einem Dance-Act entwickelt, der beim Coachella Festival ebenso gefragt ist wie auf Ibiza. Auf ihrem Album “Kiss & Forget” (The Moment, 13.09.), das auf ihrem eigenen Label erscheint, unterfüttern sie ihren discoiden House mit der für sie typischen Melancholie. Bei Whomadewho gibt es keine Abfahrt ohne das mitschwingende Gefühl, dass man von diesem High wieder runterkommen muss. Der Hit der Platte ist” Miracle” mit Adriatique, in dem dieses Konzept formvollendet aufgeht, aber auch die Dänen sorgen sich um die Zukunft und geben deshalb “Children” eine Stimme. Offen bleibt lediglich die Frage, ob Whomadewho inzwischen so groß sind, dass sie es sich leisten können, auf Tour im November nur einmal in Deutschland Halt zu machen, oder sie hierzulande immer noch übersehen werden.
Toro Y Moi wäre eigentlich prädestiniert dafür, im Anschluss alle wieder runterzubringen, aber “Hole Erth” (Dead Oceans, 06.09.) ist dafür zu kaputt. Im Opener klingt Chaz Bear, der Kopf hinter dem Projekt, als hätte er zuletzt viel Lil Yachty gehört, mit Death Cab For Cuties Ben Gibbard weckt er in “Hollywood” Erinnerungen an The Postal Service und in “Heaven” zeigt er, dass man auch zu akustischer Gitarre rappen kann. Mit dem Chillwave seines Debüts “Causers Of This” (2010) hat “Hole Erth” nicht mehr viel gemeinsam.
Fürs Frühstück nach dem Kater durch die Partynacht steht Dave Guy parat. Guy ist Trompeter bei The Roots und ist in dieser Funktion auch für andere Künstler wie Sharon Jones, Lizzo oder Pharrell Williams der Go-to-guy. Sein Solodebüt hat seine Wurzeln im Jazz, der aber eine Symbiose mit HipHop eingegangen ist. Wenig überraschend ist, dass Leon Michels (El Michels Affair) an “Ruby” (Big Crown, 20.09.) beteiligt ist, ansonsten spart sich Guy aber das Namedropping und lässt vor allem die Vielfältigkeit seines Hauptinstruments sprechen – und zwar mit genau der richtigen Zurückhaltung, um das Pochen hinter den Schläfen nicht zusätzlich zu triggern.