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Milk & Honey - Songwriter und Indiepop im Februar 2023

Indiepop mit Daniel Thomas

Norwegen bleibt stabil!
Milk & Honey – das sind Singer/Songwriter-Alben, die so unaufdringlich sind, dass man sie gern übersieht. VISIONS-Autor Daniel Thomas hält das allerdings für einen großen Fehler und stellt jeden Monat fünf dieser zarten Pflanzen vor. Diesen Monat mit Fagelle, Dina Ögon, H.C. McEntire, Glosser und Tuvaband.
Dina Ögon (Foto: Kalle Ahnlund)
Foto: Kalle Ahnlund
Das Bild von den fortschrittlichen skandinavischen Ländern, in denen Wohlstand auf funktionierende Sozial- und hervorragende Bildungssysteme trifft und die glücklichsten Menschen der Welt zu Hause sind, hält sich hartnäckig, obwohl in Schweden eine rechts-konservative Regierung an der Macht ist, die nicht so recht in dieses Bild passt und die Gesellschaft tradierter dastehen lässt, als angenommen. Bei Fågelle hat sich darum eine innerliche Wut angestaut. Sie nimmt besonders die Rolle der Frauen in ihrer Heimat ins Visier, auf die in ihren Augen Druck ausgeübt wird, als sozialer Klebstoff zu funktionieren und immer konsensorientiert zu handeln. Die Songs der Platte, deren Titel auf Deutsch „Die schwedische Wut“ bedeutet, sind vor diesem Hintergrund erstaunlich friedfertig geraten. Den svenska vreden (Medication Time/Import)wirkt eher wie eine köchelnde Emulsion aus bedächtigem Free-Jazz, Dungen und Sigur Ros, die zwar jederzeit unkonventionell, aber immer beherrscht ausfällt.

Die von Fågelle angeprangerte Selbstbeherrschung, sie klingt in ihrer eigenen Musik an, und rüttelt trotzdem an jenem schwedischen Gesellschaftsbild, das ihre Landsleute von Dina Ögon (Foto) befeuern. Das Quartett um Sängerin Anna Ahnlund agiert auf seinem zweiten Album noch verspielter und bekräftigt den Eindruck der schwedischen Frohnatur. Sie beschreiben ihre Band als Hummel, groß und flauschig. Dabei klingen die Gitarren in Mormor eher wie ein angriffslustiges Paar Lachmöwen und der Bossa-Nova im leichtfüßigen Vi Smälter wie zwei stolze Bachstelzen. Der erste Auftritt dieser Songs ist entzückend, spannender wird es danach nicht mehr. Sie verharren als eindimensionales, musikalisches Flügelschlagen. Eine Ausnahme bildet Oas (Playground/Cargo), das mit seinem Text über den Alltag, der auf die Verliebtheit folgt, am ehesten im Gedächtnis bleibt.

Wieviel von H.C. McEntire hängen bleibt, wird sich noch zeigen. Fürs Erste gleicht Every Acre einem ähnlichen Dahinplätschern, angereichert um lyrische und naturalistische Querverweise. Innerhalb des Southern-Roots- und Country-Kontextes schafft Heather McEntire zwar ein musikalisch vermögendes Album, in Sachen Songwriting bleiben die Stücke allerdings spannungsarm und behäbig. Gitarre und Piano gefallen sich gleichermaßen im Verlangsamen und das Schlagzeug steht ausnahmslos auf der Bremse. „Bend me, break me, split me right in two/ Mend me, make me, I’ll take more of you“, singt McEntire. Das könnte dauern.

Da schonen Glosser den Geduldsfaden besser. Das Pop-Duo aus Washington D.C. legt nach seiner beachtlichen Debüt-EP fürs erste Album eine Schippe drauf. Inspiriert von Lorde und Beach House schaffen Riley Fanning und Corbin Sheehan eine angenehme Leichtfüßigkeit für den Shuffle-Modus. Downer (Bandcamp) ist über weite Strecken gefälliger, sepiafarbener Dreampop, wie gemacht für einen schönen Frühling, wo Synthesizer zum Humus für Fannings Melodien werden. Am schönsten gelingt das im sehnsuchtsvollen PBE.

Tuva Hellum Marschhäuser alias Tuvaband überzieht ihren Dreampop indes mit einem Hauch von Shoegaze im Allgemeinen und der Mystik der Cocteau Twins im Speziellen. Wegen dieses Kniffs ist der Titelsong von Enter The Void von 2019 nach wie vor im Ohr. Auf ihrem nunmehr vierten Album New Orders (Passion Flames) knüpft sie daran nahtlos an, ohne sich zu übertreffen. Die in Oslo lebende Songwriterin, Produzentin und Multiinstrumentalistin warnt in ihren Songs, passend zum Sound, vor Menschen, die Güte und Freundlichkeit als Schwäche auslegen. Immerhin bleibt Norwegen stabil.