Wer die HBO-Serie “The Young Pope” mit einem überragenden Jude Law in der Hauptrolle gesehen hat, weiß wie viele Allegorien in Orangen heranreifen. Itasca scheinen das auch zu wissen und singen nicht nur im Titelsong von Orangenbäumen, sie pressen sie in eine sepiafarbene Verspieltheit, die konträr zum Albumtitel viel mehr den Frieden als den Krieg imitiert. “Imitation Of War” (Paradise Of Bachelors, 09.02.) zeugt von einem kompositorischen Geschick und einer Finesse, die Songwriterin Kayla Cohen der Reduktion abringt. Fein ziselierte Gitarren sind das Mark ihrer Stücke, ihre Stimme die poetischen Nervenbahnen. “Like the apple tree that hangs on/ Myth changes to an actor’s call/ The bell rings, the curtains fall/ And storyless I’m off”, heißt es in “Molière’s Reprise”. Es ist Sinnbild eines Albums, das sich anfühlt wie eine mediterrane Frucht: erfrischend, leicht und mythologisch aufgeladen.
Im Vorprogramm von Alice Phoebe Lou laden Loving aktuell ihren Bekanntheitsgrad auf. Die im kanadischen British Columbia ansässige Band besteht aus den Multiinstrumentalisten Jesse Henderson und David Parry. Beide sind Charmeure ihrer Kunst. Sie schreiben Songs, die dem Blick in den Schaukasten vor dem Programmkino gleichen, wo exakt dieser Moment von ihrer Musik in einem der gezeigten Filme mit romantischer Note untermalt wird. Eine perfekte Schleife also. So erklärt sich nicht nur die gleichbleibende Monotonie ihrer Platte “Any Light” (Last Gang, 09.02.), sie entschuldigt sie auch. Indiefolk in Zeitlupe, glasiert mit einem zuckersüßen Psychpop-Sound – das macht in dieser Beharrlichkeit nur, wer um jeden Preis gefallen möchte.
Unter völlig anderen Vorzeichen taugen auch Mildlife für Cineasten. Der Space-Jazz der Australier auf “Chorus” (Heavenly, 01.03.) entwirft trotz der psychedelischen Note gestochen scharfe Bilder. Aus interstellaren Synthesizern und knackigen Gitarrenakkorden formt die Band ein Amalgam, das mehr gediegene Funk-Momente bietet, als Funkadelic Silben beansprucht. Mildlife verstehen sich auch als Brückenbauer von der Gegenwart in die 70er und zurück. Pure Nostalgie ist nicht ihre Sache, in ihrem kosmischen Wohlfühlbad überwiegt das kontemporäre Moment.
Marry Waterson & Adrian Crowley setzen dagegen ungewollt auf maximale Zeitlosigkeit. Sie bilden ein so unwahrscheinliches wie logisches Duo. Waterson, wesentlicher Bestandteil der englischen Folk-Geschichte, und Crowley, eines der größten Talente Irlands, landen mit der Unterstützung von Jim Barr (Portishead) bei einer puristischen Version von Low. Mit einfachen Mitteln oktavieren beide ihre Stimmen und verdoppeln die Strahlkraft ihrer Poesie. Sind die spartanischen Folk-Gitarren ohnehin nur Zierde, verzichten sie in “One Foot Of Silver, One Foot Of Gold” gänzlich auf Untermalung und belassen es bei der Verflechtungen ihrer puren Stimmen. Das ist schon jetzt der A-capella-Song des Jahres, auf einem Album mit dem Titel “Cuckoo Storm” (One Little Independent, 08.03.), das von Cork bis Manchester reicht und unbewusst die aktuell günstige Stimmung für eine Wiedervereinigung Irlands zu unterstreichen scheint.
Bei Would vereinen sich indes gekonnt Bandname und Albumtitel. Wenn der primär unspektakuläre Projektnamen erst mit dem vielsagenden Albumtitel seine Bedeutung erlangt, vermag dieser elegante Kunstgriff nicht immer die Erwartungen zu halten, die er schürt. Trotzdem klingt “Be Okay To Not Be Okay” (Devil Duck, 23.02.) keinesfalls nach Resterampe. Es ist das Soloprojekt von Matthias Schwettmann, Frontmann der Hamburger Indieband Palila. Was für seine Hauptband zu soft ausgefallen wäre, verwandelt er in kleine, entzückende Indiesongs, die nach Tagebucheinträgen mit norddeutschem Lokalkolorit klingen.