Liebe Lesende,
ich möchte heute etwas Pikantes besprechen, etwas Anrüchiges gar, ein Thema, an das sich viele, wenn überhaupt, nur heimlich unter der Bettdecke mit der Taschenlampe herantrauen. Heute wird es schmierig, schamlos und schmerzhaft – und nein, wir reden hier nicht über Till Lindemann, sondern über etwas, das ungefähr 50 Prozent der Menschheit einmal im Monat die Lampe ausknipst: Menstruation!
„Blut“ ist ja in der Rockmusikgeschichte eine gern verwendete Metapher und nicht selten ein verzweifelter Versuch, einem mittelklassigen Song ein wenig Tiefe oder die nötige Bösartigkeit zu verleihen. Eiserne Jungfrauen schwören sich Blutsbrüderschaft, andere nehmen ein gepflegtes Bloodbath – ob es nun Blut regnet oder ob Blut regiert: Die Menstruation jedenfalls ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Das Lustige: All jene Bands, die sich am meisten in der roten Suppe suhlen, machen so gut wie nie die Erfahrung einer anständigen Blutung, es sei denn, sie haben sich beim Axtweitwurf auf dem Mittelaltermarkt in Windischeschenbach versehentlich den kleinen Finger abgetrennt. Da der Anteil der Menstruierenden in der professionellen Rockmusikwelt noch verschwindend gering ist, ist es meines Erachtens umso wichtiger, an dieser Stelle für Aufklärung zu sorgen.
Zunächst ein paar Fakten: Ein Menstruationszyklus dauert ca. 28 Tage und besteht aus mehreren Phasen, die durch ein feuchtfröhliches Zusammenspiel hochprozentiger Hormoncocktails gesteuert werden. Je nach Promillegehalt wird mal geheult, gelacht oder das Bewusstsein verloren. Ähnliche Zustände dürften auch nicht-menstruierende Menschen in Bands kennengelernt haben. Schätzungsweise 75 Prozent der Menstruierenden leiden gelegentlich unter dem prämenstruellen Syndrom (auch bekannt als PMS – lohnt sich, das zu googeln) – ein listiger Unhold, der einem das Leben zur emotionalen und körperlichen Hölle macht. Während der eigentlichen Menstruation verliert ein Mensch ein paar Teelöffel Blut pro Tag – und das für einen Zeitraum von bis zu sieben Tagen pro Monat. Diese besonders freigiebigen Tage fallen, was mich betrifft, nicht selten in den Zeitraum einer Tournee mit meiner Band.
Jedes Mal denke ich mir: „Verdammt, hättest du mal besser nachgerechnet!“ – zu meiner Verteidigung macht die Tatsache, drei Menstruierende in der Band zu haben, die Planung nicht unbedingt leichter. Also packe ich meine Menstruationstasse (eine der wenigen Menstruationsartikel, die noch nicht von einem Skandal betroffen sind) ein, bevorrate mich mit Paracetamol, positiven Affirmationen („Jo, ich schaffe das“), Wechselunterwäsche und trete tapfer den Kampf vor, auf und hinter der Bühne an. Schnell bemerke ich, dass ich auch dieses Mal den Kürzeren ziehe:
Mit jedem vergossenen Tröpfchen Blut erleichtert sich mein System um 0,05 ml Aufmerksamkeitsspanne und Bereitschaft, mich dem Gleichklang der Welt hinzugeben. Mindestens fünf Tage donnert eine stattliche Kakophonie durch mein Innenleben, die sich mit Phil Collins‘ Gedächtnis-Pauken durch die Hirnhaut schlägt, grindcoremäßig durch die Magenschleimhaut keift, um schließlich im Dickdarm in einem tosenden Flatus zum Grande Finale aufzufahren. Das Herz spielt dazu eine schiefe Geige. Menstruation statt Meditation, Morrissey statt Mady Morrison – der Körper betreibt reine Selbstzerstörung an einst brauchbarem Körpermaterial. Übrig bleibt ein verkümmerter Haufen Selbstmitleid.
Es gibt Leute, die diese monatliche Schieflage als wunderbares Phänomen betrachten (was es rein biologisch gesehen auch ist), aber ich hingegen möchte jedes Mal buchstäblich einfach nur kotzen. Umso schwieriger, in diesem unglücklichen Zustand kraftstrotzend ein Konzert zu spielen und abzuliefern, um danach noch freudestrahlend Platten zu signieren. Davon muss ich rein rechnerisch auch noch eine Menge verkaufen, um die durchschnittlich knapp 5.000 Euro wieder reinzuholen, die ein Mensch bis zur Menopause für Menstruationsartikel ausgibt.
Aber hey, kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken – sammelt man während der Menstruation doch ausreichend trübe Gedanken für mindestens zwei Radiohead-Alben. Das Bild der leidenden Künstler:in – romantischer geht’s kaum. Ich fürchte nur, dass Menstruieren allgemein nicht zu den „Leiden“ zählt, für die sich ein handfester Fankult lohnt. In der Regel haben wir dann ja nur „die monatliche Seuche“ oder „Besuch von Tante Rosa“ und werden nicht ernst genommen, weil mal wieder „einer dieser Tage“ ist. „Was dich nicht umhaut, macht dich nur stärker“, sagte einst ein beschwipster Blutsbruder auf dem Mittelaltermarkt in Windischeschenbach. Na wenigstens einer, der hier noch den Durchblick hat.
Herzlichst,
Eure Kat