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Slowkiss im Interview über Umzug nach Spanien und Geschlechter-Ungerechtigkeit

Slowkiss im Interview

Die Klamotten bleiben an
Immer weiter und alles geben – das ist die Devise von Slowkiss, die ursprünglich aus Chile kommen. Für den Erfolg ihrer Band sind Sängerin und Gitarristin Elisa Montes und Schlagzeuger Richi Polo sogar nach Spanien umgezogen. Dort erhoffen sich die beiden Kernmitglieder mehr Resonanz für ihren noisy Alternative-Grunge. Über ihren Umzug, Geschlechter-Ungerechtigkeit, Frauen im Musikbusiness und natürlich ihr neues Album „K.O.“ sprechen die beiden mit uns im Interview.
Slowkiss (Foto: Felipe Mardones)
Slowkiss (Foto: Felipe Mardones)

Guten Morgen! Danke, dass ihr euch so früh Zeit genommen habt. Wie gehts euch?

Richi Polo: Mir geht’s gut. Ich habe sowieso vormittags immer Zeit, da ich als Kellner arbeite und wie das in dem Job so ist, muss ich erst abends arbeiten.

Und du Elisa? Hast du normalerweise einen 9-to-5-Job?

Elisa Montes: Ich arbeite im Moment „nur“ an Slowkiss. Das heißt, ich habe mir ein paar Monate Zeit genommen, um an neuen Songs zu schreiben. Unser Album “K.O.”, das Anfang April herauskam, ist schon so lange in Planung gewesen – bereits 2020 haben wir angefangen, die Songs dafür aufzunehmen. Doch dann hat sich das Releasedatum immer weiter verschoben, daher hatten wir bereits viel Zeit an neuem Material zu arbeiten. Aber eigentlich arbeiten wir immer an neuem Zeug. Wir sind eine Nonstop-Band!

Habt ihr euch schon eine Deadline gesetzt für das kommende Album?

Elisa: Einige Songs sind schon so weit, um aufgenommen zu werden! Aber man weiß natürlich nie, wann sie dann wirklich veröffentlicht werden. Es ist sehr schwierig und aufopferungsvoll, eine unabhängige Band zu sein. Man hört nie auf zu arbeiten. Du musst nur dein Ding weiter durchziehen.

Ihr seid gerade nur zu zweit in der Band, oder?

Elisa: Ja, der Umzug war so ein Schritt, der bedeutete, alles für die Band zu geben. Nicht jede:r ist dazu in der Lage. Wir waren mal zu viert, aber einige unserer Bandkolleg:innen sind in Chile geblieben. Jetzt sind wir nur noch zu zweit und versuchen neue Mitglieder zu finden.

Also versucht ihr nun in Europa Fuß zu fassen?

Richi: Ja, wir haben in den letzten Jahren zwei Europatouren gespielt und gemerkt, dass es hier mehr Leute gibt, die unsere Art von Musik feiern. Ich denke auch, da wir auf Englisch singen, können wir eigentlich überall spielen, denn wenn du auf Spanisch singst, hört dir einfach niemand zu in Europa oder den USA. Das Touren ist hier auch einfacher. Irgendwie war daher die Idee, nach Europa zu ziehen, schon immer da.

Elisa: Als wir dann bei unserer ersten Tour nach Deutschland kamen, haben wir uns in das Publikum verliebt, besonders wegen: “ZU-GA-BE! ZU-GA-BE!” Ich liebe dieses verdammte Wort. Und jedes Mal, wenn wir gespielt haben, haben wir es bekommen. Also war eines unserer Ziele, ein Label in Deutschland zu finden, um die Band vor allem hierzulande bekannter zu machen.

Das mit dem deutschen Label hat nun schon geklappt, da ihr „K.O.“ über Gunner Records veröffentlicht habt. Wie ist das Album entstanden und gab es so etwas wie eine Hauptinspiration?

Elisa: Die wichtigste Inspiration war die Pandemie, der allgegenwärtige Tod, all die Unsicherheiten und das ganze Chaos. Das Album ist wie ein Spaziergang durch die Pandemie. Als all das hinter uns gelassen hatten, wurde es etwas heller, das ist der letzte Teil des Albums, der glücklicher ist und wieder ein bisschen Hoffnung gibt. Denn der Anfang der Platte ist pure Depression und Dunkelheit, Hoffnungslosigkeit und Gedanken über den Tod.

Klingt deshalb auch der Sound teilweise aggressiver und düsterer?

Richi: Ich denke, dass wir die verschiedenen Grenzen des Rocks durchqueren. Wir bedienen uns von allem, was uns gefällt, zum Beispiel der Rock aus den 90ern oder Alternative Rock im Allgemeinen. Manche Songs sind aber auch eher Metal, Punk oder Shoegaze. Wir nehmen alles von allem.

Elisa: „K.O.“ ist ziemlich experimentell. Die Zeit, in der das Album entstand, war rau und schwierig, weil wir nicht wussten, wie es weitergeht. Das spiegelt sich in dem Album wider.  Man kann hören und fühlen, dass es ein Slowkiss-Album ist, aber es ist auch der Versuch, tiefer zu gehen und es ist sogar noch emotionaler als das letzte Album.

Die Produktion des Albums klingt auch breiter als beim Vorgänger.

Richi: Die Qualität wurde auf jeden Fall teurer.

Elisa: Alle unsere Alben waren immer teurer als ihre Vorgänger.

Ich hoffe, dass das irgendwann mal aufhört. Sonst wird das zehnte Album ein Vermögen kosten.

Elisa: Nun, wir haben die Singles und das Mastering mit Ted Jensen gemacht. Das ist einer der wichtigsten Mastering-Tontechniker der Welt! Er hat Guns N’ Roses, Deftones, Bring Me The Horizon und Gojira gemastert.

Richi: Ich schätze, wir sind die ärmste Band, die je mit ihm gearbeitet hat.

Elisa: Aber der Sound ist unglaublich. Es ist professionell geworden und klingt super satt. Ted hat seine Seele in unsere Musik gesteckt und deshalb lieben wir das Ergebnis der Platte.

Beim Hören des Albums ist mir der Text des aggressiven “My Body” aufgefallen.

Elisa: In “My Body” geht es um den eigenen Körper. Wir Frauen haben diese kleine Box, in der wir existieren dürfen, so viel Druck, der dadurch auf uns lastet. Wir müssen dünn sein. Wir müssen hübsch sein. Wir müssen alles sein. Deshalb dachte ich, dass es wichtig ist, einen Song zu schreiben, der von unseren Körpern handelt, vom frei und glücklich sein, und davon, sich selbst zu akzeptieren. Es geht darum, dass niemand das Recht hat, dir zu sagen, wie dein Körper zu sein hat.

Ähnlich wie “My Body” hat auch “Girls United” eine ziemlich offensichtliche feministische Message. Würdet ihr euch als eine feministische Band bezeichnen?

Elisa: Wir wollen wachrütteln. Besonders wollen wir junge Frauen wachrütteln und dafür sorgen, dass sie sich wertvoll fühlen. Noch immer leben wir in einer Welt, in der Frauen quasi Menschen zweiter Klasse sind. Aber wir sind die Mütter, wir schenken Leben. Respektiert uns! Alle unsere Lieder sind von mir – einer Frau – geschrieben, sie kommen aus dem Kopf und der Perspektive einer Frau. Es ging mir von Anfang an darum, Sichtbarkeit von Frauen und Missständen zu schaffen, deshalb gab es auf unserem ersten Album zum Beispiel auch das Lied “Forever Together”, in dem es um einen Femizid geht. Wir hatten schon immer kraftvolle, feministische Songs. Das Thema ist uns wichtig.

Obwohl immer mehr Frauen und queere Personen über Sexismus und Diskriminierung in der Branche sprechen, gibt es immer noch viele Festivals, die nur Cis-Männer-Bands buchen. Wie seht ihr denn die Entwicklung innerhalb der Musikszene?

Elisa: Ja, das stimmt. Es ist eine wirklich schwierige Frage, wie dieses Problem überwunden werden könnte. Aber es ist halt ein grundsätzliches Problem, denn wenn du eine Frau bist, wirst du überall Sexismus erfahren, in jedem Beruf. Es wird immer von dir verlangt, sexy zu sein, deine Titten zu zeigen oder deinen Arsch. Und das sogar in der Punkrock-Welt, da ist es genauso, dass die ganzen Frauen das Gefühl haben sich ausziehen zu müssen. Ich habe das Gefühl, oft geht es nur um Sex und nicht um die Kunst. Das haben wir wieder gesehen, als wir letztes Jahr auf dem Lollapalooza in Chile gespielt haben; all die Frauen, die dort aufgetreten sind, waren praktisch nackt. Nur ich und eine weitere Künstlerin waren komplett bekleidet. Es ist doch furchtbar, dass so viele Frauen das Gefühl haben, sich ausziehen zu müssen, um wertgeschätzt zu werden oder überhaupt Aufmerksamkeit zu bekommen. Deshalb ist es auch so wichtig für mich, meine Kleidung anzubehalten. Ich will nicht, dass die Leute anfangen, über meinen Körper zu reden.

Also hast du das Gefühl, deine Kleidung anbehalten zu müssen, um als Musikerin und für deine Kunst ernst genommen zu werden?

Elisa: Ja, so ist es. Natürlich weiß ich, dass es normal ist, leichte Kleidung zu tragen und einfach das zu tragen, was du willst, wenn du dich darin wohlfühlst. Ich verurteile keine Person dafür, knappe Kleidung zu tragen. Aber es geht um den Kontext, in dem das stattfindet. Da wir in einer sexistisch denkenden Gesellschaft leben, werden bereits junge Menschen in diese Schönheitsideale gedrängt. Weiblich sozialisierten Personen wird beigebracht, sich ausziehen zu müssen und sich zu sexualisieren, sonst werden sie nicht ernst- oder wahrgenommen. All diese Instagram-Filter und so weiter, das führt alles dazu, dass Frauen das Gefühl haben, immer sexy sein zu müssen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass es immer um Sex gehen muss, aber – Sex ist doch eigentlich etwas so Normales.

Sollte man das Problem ganzheitlicher sehen?

Elisa: Etwas sehr Gutes und etwas sehr Schlechtes passiert gerade gleichzeitig: Wir leben aktuell in einer dichotomen Welt, denn ein Teil der Gesellschaft, der eher links, queer und offen eingestellt ist, wächst und wird diverser. Der andere Teil ist rassistisch und voller White Supremacists – und erstarkt auch immer weiter. Die Welt ist so verrückt gerade.

Vielleicht braucht es mehr Songs wie eure.

Elisa: Musik heutzutage ist voll von Oberflächlichkeiten. Wir brauchen in der Tat mehr Rock und mehr Leute, die sich trauen laut zu sein. Als wir jung waren, liebten wir es, Songs zu hören, von denen wir uns verstanden fühlten und Musik zu hören, mit der wir uns nicht mehr so allein fühlten. Diese Musik wollen wir jetzt auch machen.

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