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Biffy Clyro im Interview über "Cultural Sons Of Scotland"

Biffy Clyro über ihre neue Doku

Söhne Schottlands
Heute erscheint der intime Dokumentarfilm “Biffy Clyro: Cultural Sons Of Scotland” auf Amazon Prime Video UK. Darin wird die Band begleitet, wie sie zum ersten Mal ein Album in ihrem Heimatland aufnimmt und das erste große Konzert nach dem Lockdown in Glasgow spielt. Wir sprachen mit dem Trio über seine schottischen Wurzeln und die spezielle Bindung zu seiner Heimat.
Foto: Kevin J Thomson

Im Titel eures neuen Films identifiziert ihr euch als kulturelle Söhne Schottlands. Wie ist das zu verstehen?

Simon Neil (Gitarre/Gesang): Wenn man in Schottland aufwächst, kommt man unvermeidlich mit dem Dichter Robert Burns in Berührung, der wie wir in Ayrshire geboren wurde. Ebenso sind wir mit Cèilidh aufgewachsen, einer traditionellen Tanzmusik. Diese Kulturparameter sind überall, auch wenn man sie vermeiden will. Ich hab mich in meiner Jugend zwar nicht aktiv mit schottischer Musik, Poesie oder Kunst beschäftigt, sondern vielmehr mit amerikanischem Rock’n’Roll, aber als Schotte wird deine Seele davon unterbewusst durchdrungen. Erst als die Welt stehen blieb, haben wir das erkannt. Wir leben hier an der Küste, die Landschaft ist gewaltig und wunderschön, das beeinflusst mich und meine Texte schon immer. Wir sind einfach kulturelle Söhne Schottlands – das können wir nicht leugnen.

Was ist diese Essenz des Schottischen, die wir in der Doku erleben können?

Neil: Das schottische Volk ist sehr widerstandsfähig und die Aufnahme unseres neuen Albums “The Myth Of The Happily Ever After” ist das beste Beispiel: Schottland ist ein ziemlich sozialistisches Land, in dem Zusammenhalt das Wichtigste ist. Manche Länder tun sich schwer mit dem Konzept des Maskentragens. Wenn wir Schotten etwas tun müssen, um die Sicherheit aller zu gewährleisten, dann tun wir es, verdammt. Diese Einstellung ist so essenziell, dass man die Gemeinschaft in der Musik hören kann. Allein die Tatsache, dass einige unserer Songs in den Pop-Charts vertreten sind oder von einem R’n’B-Sänger stammen könnten, aber sich gleichzeitig anhören, als wären sie von Behemoth gemacht worden – das ist unsere schottische Sturheit!

Kam das erst zum Vorschein, als ihr euer neues Album in Schottland aufgenommen habt?

James Johnston (Bass/Gesang): Ich denke, das war schon immer da. Unsere Songs wurden schon immer zu Hause geboren, wir haben sie nur manchmal in die Ferne mitgenommen. Aber unsere Heimat war immer das Rückgrat der Band. Ich glaube, dieses Mal war es noch deutlicher, weil wir es auch zu Hause aufgenommen haben.

Neil: Ich glaube, es gibt niemanden, der in den letzten Jahren nicht darüber nachgedacht hat, was Heimat bedeutet. Ist Heimat ein Ort? Ist Heimat eine Haltung? Ist Heimat eine Familie? Es ist das erste Mal seit zwanzig Jahren, dass wir länger als einen Monat zu Hause sind. Das ist ein ganz anderer Lebensstil. Zeit ist für uns ein seltsames Konzept geworden. Wir messen Zeit in Touren und Alben, aber das ist das erste Mal, dass wir sie als Wochentage betrachten. Ich weiß, das klingt so einfach, aber wir haben so etwas buchstäblich nicht mehr in Betracht gezogen.

Was war so besonders an den Aufnahmen in eurem Bauernhaus in Ayrshire?

Neil: Ben und James sind dort aufgewachsen und wir spielten unsere ersten Konzerte dort. Wir waren etwa vierzehn, fünfzehn Jahre alt. Es war also sehr seltsam, für die Platte dorthin zurückzukehren, denn das ist ein sehr privater Ort für uns. Das Bauernhaus, indem die Aufnahmen stattfanden, war anfangs sehr bescheiden und wurde von den Jungs zum Studio umgebaut. Ohne dieses Hauptquartier hätten wir wirklich zu kämpfen gehabt in der Pandemie – es wurde zu einer kleinen Welt für uns.

Ben Johnston (Schlagzeug/Gesang): Ich finde es immer seltsam, wie manche Bands durch Kontinente getrennt sind. Es ist wirklich wichtig, sich nahe zu sein – nicht nur gefühlsmäßig, sondern auch physisch. Es ist diese Gang-Mentalität. Man ist nicht wirklich man selbst, wenn man seine Jungs nicht um sich hat. Natürlich haben wir ein großartiges Album herausgebracht, das länger Bestand haben wird als wir, aber diese gemeinsame Zeit, in der wir trauerten, jubelten, unsere Frustrationen und Sorgen über die Zukunft teilten, ist viel wichtiger – das war die größte Lektion für mich.

Wie war es, nach so langer Zeit als erste Band vor Heimpublikum im Glasgow Green zu spielen?

Ben Johnston: Es war eine Ehre. Besonders weil es die erste Show in Glasgow nach dem Lockdown war. Wir hatten wirklich das Gefühl, dass wir die Musikszene aufmischen konnten. Es klingt ein bisschen zu offensichtlich für uns, aber das schottische Publikum ist absolut unglaublich. Auch wenn unser Name auf der Eintrittskarte stand, hatte ich das Gefühl, dass es dieses Mal noch mehr um das Publikum ging als sonst, weil die Leute endlich wieder zusammenkamen.

Neil: Man konnte einfach diese pure Freude spüren. Nach 18 Monaten Lockdown war es ziemlich intensiv, wieder mittendrin zu sein. Anfangs fühlten wir uns noch etwas verletzlich. Wir haben uns gefragt: Können wir das noch? Nachdem wir den ersten Akkord des Sets gespielt hatten, wussten wir aber: Hier gehören wir hin. Es war eine dieser Shows, bei denen man wirklich sagen kann, dass jeder genau in diesem Moment war. Das ist wirklich etwas, das wir alle vermisst haben, und ich glaube, dass die Musik uns mehr als alles andere über den Lockdown hinweggeholfen hat.

Werdet ihr weiterhin in Schottland aufnehmen?

Neil: Wir werden einen Teil unserer Aufnahmen wieder in Schottland machen, aber es geht auch darum, seine Komfortzone zu verlassen, um uns noch enger zusammenzubringen. Bei einem anderen Album könnte der Stress, ein Projekt zu vollenden, möglicherweise die Magie, die wir in Schottland hatten, zerstören. Bei “The Myth Of The Happily Ever After” gab es kein festes Ziel, deswegen haben die Songs während der Aufnahmen immer wieder verändert. Die Art und Weise, wie wir arbeiteten, hatte etwas Unschuldiges und Ungezwungenes.

Die Dokumentation “Biffy Clyro: Cultural Sons Of Scotland” seht ihr bei Amazon Prime Video.

Trailer: “Biffy Clyro: Cultural Sons Of Scotland”

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