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Blush Always im Interview zum neuen Album "An Ode To ?"

Blush Always im Uncut-Interview

Einfach weiterschwimmen
Nichtmal ein Jahr ist seit dem Release des Debütalbums von Blush Always vergangen, nun veröffentlicht die Leipziger Singer/Songwriterin Katja Seiffert bereits den Nachfolger. “An Ode To ?” geht der Frage nach, für wen Seiffert eigentlich Musik macht. Im Interview verrät sie mehr über die Rolle von Jeff Buckley in ihrer Musik, Träume und selbstauferlegten Druck.
Blush Always (Foto: Marina Monaco)
Blush Always (Foto: Marina Monaco)

Für VISIONS 379 haben wir mit Blush Always über ihr neues Album gesprochen. Das Uncut-Interview lest ihr jetzt hier.

Dein Debütalbum „You Deserve Romance“ hast du vor nicht mal einem Jahr veröffentlicht. Wie kam es dazu, dass der Nachfolger so schnell fertig war?

Katja Seiffert: Der Hauptgrund ist, dass die Songs, die auf dem ersten Album sind, schon eine ganze Weile rumlagen, bevor sie rauskamen. In der Zwischenzeit habe ich die ganze Zeit weiter geschrieben und deswegen wirkt das alles jetzt sehr schnell. Außerdem schreibe ich generell sehr viele Songs.

Hat ja auch was Gutes.

Total! Es ist mein Hobby und tut mir gut. Deswegen hatte ich nie das Gefühl von „Ich habe ein Album gemacht und muss jetzt das Zweite liefern“, sondern ich schreibe Songs und wenn ich ein Album machen möchte, suche ich mir passende Songs raus. Das nimmt den Druck von diesem großen Thema Album ein Stück weit weg.

Viele Musiker:innen sprechen schließlich auch von dem „verfluchten zweiten Album“. Das Problem hast du damit quasi umgangen.

Genau. Ich hatte dadurch auch nicht die Chance, das Gefühl zu bekommen, ein zweites “Coming of Age” machen zu müssen, eben weil die Songs schon fertig waren. Ich wusste nicht, was funktioniert und was nicht. Das Problem könnte ich beim dritten Album bekommen. Aber ich will Songs nicht mit dem Hintergedanken an einen möglichen Erfolg schreiben müssen.

Du hast in einem Interview zu deinem Debüt gesagt, dass du dich nie in Fußballstadien spielen siehst. Diese Meinung vertrittst du also weiterhin?

Ja, das ist genau so geblieben. Meine Musik funktioniert vor allem in kleineren Clubs, wenn es dunkel ist. Da habe ich eher das Gefühl, dass mir die Leute zuhören. Gerade auf Festivals verliert man schnell den Überblick und da wir keine Entertainment-Band sind, fordern wir die Leute auch nicht so explizit auf, uns Aufmerksamkeit zu schenken. Also sind Stadien eher nichts für mich. Aber ich habe ein neues Ziel: In Leipzig gibt es das UT Connewitz, ein altes Theater. Das ist wunderschön und es passen ungefähr 450 Leute rein. Da möchte ich gerne mal spielen.

Dein Debüt stand im Zeichen der verschiedenen Arten der Liebe. Welche Situationen und Erkenntnisse haben „An Ode To ?“ geprägt?

Ich versuche meine Albumtitel einem Überbegriff zuzuordnen und habe mich gefragt, was die größte Veränderung in meinem Leben in den letzten Jahren war. Und zwar: Ich habe angefangen Musik zu machen. Ich wollte schon sehr lange in einer Band spielen, dass ich damit angefangen habe, war eine Art Selbsterfüllung für mich. Als ich dann die Möglichkeit hatte, ein Album zu veröffentlichen, hatte ich plötzlich ganz andere Ansprüche und Erwartungen, die von einer professionellen Aufnahme der Songs bis zu einem möglichen Erfolg gingen. Das hat mich schnell unglücklich gemacht. Ich habe also reflektiert, wofür ich das alles mache – für das Geld schonmal nicht, weil ich beruflich noch anders eingespannt und dadurch erfüllt bin. Aber ich kann nicht aufhören Songs zu schreiben und möchte weiterhin Musik veröffentlichen und live spielen.

Davon handelt vermutlich auch der Song „Girl In A Band“?

Der Song fasst diesen Gedankenprozess zusammen. Mein ursprünglicher Wunsch war simpel und das hat sich so schnell geändert. Aber ich versuche dahin zurückzukehren. Auch die anderen Songs reflektieren dieses Gefühl auf ihre Art und Weise, „You’re My Favourite Place To Stay“ handelt von dem Gefühl, aufgrund von einer Tour lange vom Partner getrennt zu sein; „Enemy“ behandelt das Thema Konkurrenzkampf. All diese Reflektionsprozesse, die vorher in meinem Leben nicht stattgefunden haben, wurden durch die Musikindustrie ausgelöst, was „Bigger Picture“ behandelt.

Gab es in den vergangenen Jahren Momente, in denen du es bereut hast ins Musikbusiness zu gehen?

Nein, nie. Ich habe es höchstens mal bereut, kein Wochenende freizuhaben. Aber ich möchte es nie mehr hergeben, es ist die größte Erfüllung in meinem Leben. Ich bin so froh, dass ich durch Lennart [Eicke, Gitarrist der Leoniden] und Jakob [Amr, Sänger der Leoniden] die Chance bekommen habe, überhaupt Musik zu machen und zu veröffentlichen.

Was ist der schönste Moment, den du dank deiner Musik bisher erleben durftest?

Die Releaseshow meines ersten Albums in Leipzig letztes Jahr. Das war mein erstes richtiges Headlinekonzert – und es war ausverkauft. An dem Tag habe ich auch erstmals die Vinyl in den Händen gehalten und hatte das Gefühl von „Okay, ich habe jetzt ein Album gemacht und es kommen Leute zu meinem Konzert, die meine Musik hören wollen“, das kannte ich vorher nicht. Vor Leuten zu spielen, die für deine eigene Musik kommen, ist ein krasses Gefühl, das hat mir viel Selbstbewusstsein gegeben.

Mit Magnus Wichmann hast du nun schon zum dritten Mal zusammengearbeitet. Was gefällt dir an seiner Art zu arbeiten?

Ehrlich gesagt ist er der einzige Produzent, den ich kenne. Jakob und Magnus sind schon ewig beste Freunde, deswegen hatte mich Jakob direkt an ihn verwiesen. Bei den Aufnahmen zu meiner ersten EP fühlte sich das alles noch eher wie ein großer Scherz an, dass ich in einem Studio aufnehmen darf, die Leoniden mir aushelfen und ich die Möglichkeit habe, mit Magnus zusammenzuarbeiten. Er hat mir aber von vornherein das Gefühl gegeben, dass ich eine Daseinsberechtigung im Studio habe und mich ermutigt, möglichst viel selbst zu machen, obwohl ich immer schnell versucht habe, alles an andere zu vergeben. Magnus wusste aber, dass es einen Unterschied macht, wenn ich die Sachen selbst in die Hand nehme. Jetzt, wo ich die EP höre, weiß ich, dass ich das alles selbst eingespielt habe und bin sehr dankbar und stolz auf das Endprodukt.

Neben den Leoniden hast du dieses Mal auch mit Pabst zusammengearbeitet. Welche Rolle spielen die beiden Bands für dich?

Ohne die Leoniden würde es Blush Always nicht geben. Lennart hat mich auf einem meiner ersten Konzerte in Kiel gesehen und angesprochen. Die Band hat mir sehr viel ermöglicht und ich habe die krasseste Unterstützung von ihnen bekommen. Mit Pabst hält es sich ähnlich, die haben mich recht früh mit auf Tour genommen und wir haben uns angefreundet.

In „You Are My Favourite Place To Stay“ hört man den Pabst-Drummer Tore Knipping auch singen. Wie ist es dazu gekommen?

Pabst nehmen auch mit Magnus auf und haben mir auf Tour erzählt, dass sie eine Songdemo haben, die es nie aufs Album geschafft hat, obwohl sie sie sehr mögen. Ich habe dann gefragt, ob ich die Demo mal hören darf und habe sie anschließend während unserer gemeinsamen Tour im Auto rauf und runter gehört. Ich habe versucht, etwas daraus zu machen und Pabst haben mir die Demo überlassen, allerdings wollte Tore, der die Demo ursprünglich geschrieben hat, mir im Studio aushelfen. Singen ist eine totale Überwindung für ihn und ich finde die Story hinter dem Song jetzt so cool.

„I’ve got no idea where I’m going, but i’m on my way“ heißt es in „Time Of My Life“. Der Song klingt für mich wie eine Hymne auf die seltsamen Mittzwanziger. War das auch deine Inspiration?

Ich freue mich jetzt schon darauf, 30 zu werden, weil ich das Gefühl habe, dass ich mehr für diese Zeit gemacht bin als für die Zwanziger. Davon handelt der Song auch, dass man in den Zwanzigern immer gesagt bekommt „Das ist die beste Zeit deines Lebens, die musst du genießen und du wirst die Leute kennenlernen, die dich dein ganzes Leben lang begleiten.“ Dieses Gerede hat mich sehr unter Druck gesetzt, denn gerade mit Anfang 20 ging es mir unfassbar schlecht. Ich hatte das Gefühl, dass ich überhaupt keine authentischen Freundschaften und Beziehungen finde. Es fühlte sich eher so an, als würde ich mein Leben verschwenden. Das ging auch darauf zurück, dass ich mich nicht getraut habe, aus Kiel wegzuziehen. Erst als ich nach Leipzig gezogen bin, habe ich realisiert, wie wichtig es für mich war, aus der Stadt wegzuziehen.

Du hattest vergangenen Monat Geburtstag. Was wünschst du dir für das nächste Lebensjahr?

Ich wünsche mir, dass ich gelassener mit dem Release umgehen kann. Es ist nicht mehr ganz so aufregend, neu und ungewiss wie beim ersten Mal, deswegen hoffe ich, dass ich gelassen da rangehen kann.

Als erste Single hast du „My Mum’s Birthday“ veröffentlicht. War der vergessene Geburtstag deiner Mutter wirklich der Aufhänger?

Ja. Als ich noch in Kiel gewohnt habe, hatte ich einen Job, der mich komplett fertig gemacht hat. Das habe ich mir aber nicht eingestanden und habe so lange weitergemacht, bis ich eine Art Nervenzusammenbruch hatte. Währenddessen habe ich dann den Geburtstag meiner Mutter vergessen, obwohl ich an dem Tag sogar noch mit ihr geschrieben hatte, weil ich ihre Hilfe bei etwas brauchte. Geburtstage sind etwas Schönes, gerade von der Familie denke ich meist dran, deswegen war das ein Aufwachmoment für mich.

Mit „Just Keep Swimming“ und „Song About Drowning“ gibt es außerdem zwei neue Songs über das Wasser zu hören. Hängen die beiden zusammen?

Nein. „Just Keep Swimming“ handelt von einer Freundin, die Schwimmen über alles liebt, deswegen ist der Song auch ein bisschen kitschig. „Song About Drowning“ dagegen handelt von Jeff Buckley. Ich hatte eine Phase, da war ich sehr inspiriert von ihm, habe mir alle Dokus reingezogen, Bücher über ihn gelesen, seine Musik gehört und war fasziniert von seinem Tod. Die Zeile „How do you shape a sound in order to fit that feeling“ ist außerdem ein Zitat von ihm und ich dachte „Hey, ich mache einen Song zu dem Gefühl, dass ich traurig bin, dass du ertrunken bist.“

Auf der Vinylversion deines Albums findet sich noch ein Song namens „Autoimmunity“, der zunächst nicht digital veröffentlicht werden soll. Warum hast du dich gegen eine offizielle Veröffentlichung entschieden?

Das ist schon ein sehr alter Song, einer der ersten, die ich geschrieben habe, und er ist sehr punkartig. Wir haben ihn aufgenommen, aber mir war schnell klar, dass er nicht zum Rest passt. Ursprünglich war die Idee, ihn gar nicht zu veröffentlichen, aber darüber war ich sehr traurig. Deswegen finde ich es so cool, dass man jetzt denkt, dass das Album vorbei ist und dann kommt dieser Song so reingeballert. Der Song handelt von meinen chronischen Gelenkproblemen und -schmerzen in meinen Händen und Fingern. Wenn ich einen Schub habe, werden meine Hände ganz steif und ich kann nicht viel machen – das ist natürlich für das Gitarre spielen denkbar problematisch. Früher, als ich schon lange in einer Band spielen wollten, habe ich mir eingeredet, dass ich das nicht kann, weil ich diese Erkrankung habe. Jetzt ist es eine Erinnerung für mich daran, dass ich es geschafft habe, obwohl ich diese Einschränkung habe.

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