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"Es wird dauern" - Danny Bengston von Together Pangea über Feuer und Folgen in Los Angeles

Danny Bengston über Feuer in LA

»Es wird dauern«
Kurz bevor die verheerenden Großbrände in Südkalifornien und vor allem rund um Los Angeles vollständig eingedämmt sind, sprechen wir mit Danny Bengston von Together Pangea über die Situation. Weil sein Haus nicht direkt betroffen ist, hilft der Bassist die vergangenen Wochen aus, wo er nur kann. Während er eine ungemeine Solidarität aus der Community erlebt, wird die Stadt aber noch lange brauchen, sich zu erholen. Die ebenfalls betroffene Musikszene geht trotz der prekären Lage langsam aber sicher zum “normalen” Tagesgeschäft über.
Die Trümmer von Altadena und der in LA ansässige Musiker Danny Bengston
Das zu Los Angeles zugehörige Gebiet Altadena liegt nach dem Großbrand im Januar in Trümmern. Bassist Danny Bengston von Together Pangea hilft aus, wo er nur kann. (Fotos: David McNew/Getty Images & Emma Sophia Valles)

Hallo Danny, wo bist du gerade und wie ist die Lage dort?
Ich bin in La Jolla, Kalifornien. Ein sehr schöner Ort mit toller Wildnis direkt um die Ecke. Und ja, mir geht’s gut.

Nur ein kurzer Ausflug, um nach dem ganzen Chaos mal aus Los Angeles rauszukommen?
Eigentlich bin ich gerade auf der Arbeit. Abgesehen von der Musik, arbeite ich in einer Produktion für Werbespots. In den vergangenen zwei Wochen wurden alle Jobs gestrichen. Das hier ist der erste Auftrag seitdem, und ich bin sehr glücklich darüber. Trotzdem mal ganz nett rauszukommen, auch wenn ich nur in San Diego bin.

Hast du allgemein das Gefühl, dass so etwas wie Normalität einkehrt?
Jein. Ich war gerade auf Instagram unterwegs und habe gesehen, wie zwei meiner engsten Freunde gepostet haben, wie sie die Überreste ihrer Häuser in Altadena durchwühlt haben. Es ist also immer noch ziemlich wild. Die ganze Stadt hat sich in den vergangenen Wochen wie eine einzige Beerdigung angefühlt. Aber diese Woche sieht der Himmel etwas besser aus, die Brände sind so gut wie erloschen. Nur: Ich bekomme gerade gefühlt eine Million Benachrichtigungen, dass in der Nähe meines Heimatortes heute ein neues Feuer ausgebrochen (23. Januar) ist.

Mit dem Klimawandel im Hinterkopf: Denkst du, dass es Los Angeles künftig noch härter treffen könnte?
Ich bin in Los Angeles aufgewachsen, Brände gehörten hier schon immer dazu – aber nie in diesem Ausmaß. So etwas gab es noch nie. Das ist eine Erfahrung der nächsten Stufe. Ich bin mir sicher, dass solche Ereignisse in Zukunft häufiger vorkommen. Es ist echt seltsam, dass Los Angeles und ganz Kalifornien in den vergangenen zehn Jahren mit einer extremen Dürre zu tun hat. 2024 hatten wir hier einen sogenannten El Niño, es hat dadurch so viel geregnet, dass die Böden wieder feucht waren. Dieses Jahr hat es dann nicht ein einziges Mal geregnet. Ich habe einen Freund, der in den Bergen lebt, etwa anderthalb bis zwei Stunden von Los Angeles entfernt, wo es normalerweise viel Schnee gibt – und dort ist es staubtrocken. Kein Schnee. Es ist einfach kalt und trocken.

Das klingt beunruhigend.
Allerdings. Vergangenes Jahr war es fast lästig, dass es ständig geregnet hat. Ich dachte: „Oh cool, vielleicht kommen wir aus der Sache raus und haben wieder normale Jahre mit regelmäßigen Regenfällen.“ Doch dieses Jahr: kein einziger Tropfen. Ein Freund von mir ist Feuerwehrmann bei Cal Fire – das sind diejenigen, die sich hauptsächlich um die Waldbrände kümmern. Vor sechs Monaten habe ich ihm gegenüber zufällig eine Bemerkung darüber gemacht, wie trocken es war, und dass die letzten Feuer eine Weile her sind. Er sagte: „Mach dich auf was gefasst, denn wenn es keine Brände und keinen Regen gibt, verändert sich der Planet rapide.“ Trotzdem glaube ich nicht, dass irgendjemand erwartet hat, dass es so schlimm werden würde.

A sign warning of critical fire danger is seen burned among the ruins of a kiosk at the entrance to Vogel Flats campground in an area known as Stonyvale in Big Tujunga Canyon the Angeles National Forest northwest of Los Angeles on Tuesday morning, Sept. 1, 2009. (AP Photo/Reed Saxon)
In vielen Teilen Südkaliforniens herrschte große Trockenheit – die extremste seit Beginn der Aufzeichnungen (Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Reed Saxon)

»So etwas habe Ich in meinem ganzen Leben noch nie gesehen.«

Danny Bengston

Lass uns noch einmal zurückgehen: Wie hast du die Situation erlebt, als die Brände ausbrachen?
Ich weiß noch, dass es windig war, unglaublich windig. So heftig wie ich es in meinem ganzen Leben in L.A. noch nicht erlebt habe. Schon früher an dem Tag war ich im San Fernando Valley und bemerkte dort Rauch, der von der Westseite kam. Wie gesagt: Wenn man in Los Angeles lebt und hier aufwächst, ist das nichts Ungewöhnliches. Aber es war schon sehr viel Rauch und dann kam der Wind dazu. Ich hatte schon ein ungutes Gefühl. Als ich dann schlafen gehen wollte, schrieb mir jemand, dass im Eaton Canyon in Altadena ein Feuer ausgebrochen sei.

Das war aber noch nicht bei dir in der Nähe, oder?
Ich wohne in Alhambra, unterhalb von Pasedana. In Altadena gehe ich aber gerne wandern und habe eine Menge Freunde dort. Es war einer meiner Lieblingsorte in L.A. Ich ging also in dieser Nacht zu Bett und dachte nicht wirklich darüber nach, sondern machte mir eher Sorgen über den Wind und die Trümmer, die überall herumlagen. Ich hatte nicht wirklich registriert, dass der komplette Eaton Canyon kurz davor stand, Feuer zu fangen – oder dass es so ausarten würde. Dann wachte ich gegen 4:45 Uhr morgens auf und bekam einen Anruf von einer Freundin. „Wir evakuieren gerade Eagle Rock”, sagte sie. Sie erwähnte auch, dass meine Bandkollegen evakuiert werden, weil sie alle in Highland Park sind. In meinem Kopf dachte ich nur so: „Was, wie kann das denn sein?“ Es war eine Art Schockreaktion. Aber dann merkte ich, dass auch mein Haus nach Rauch roch. Ich habe mir die Nachrichten angesehen und geschaut, wo das Feuer war. Ich beschloss nach einem langen Tag allerdings, dass es noch nicht zu nah ist, also ging ich wieder ins Bett und wachte um 7 Uhr morgens mit einer Menge verpasster Nachrichten und Anrufe auf. Ich schaute nach draußen und überall lag Asche, der Himmel war orange.

Apokalyptische Zustände.
Ja, das kann man wohl sagen. Mein Auto war komplett mit Asche bedeckt. Ich ging an diesem Tag erstmal ohne Maske aus dem Haus. Ich dachte mir nichts dabei, da ich Waldbrände seit meiner Jugend gewohnt bin. Doch dann wurde mir klar, dass es tatsächlich Altadena war, das brannte – und nach und nach sah ich Freunde, die in Altadena lebten und darüber sprachen, wie besorgt sie seien und dass sie nicht wüssten, was los sei, weil man sie evakuierte. Im Laufe des Tages sah ich dann den Social-Media-Post eines Freundes, der sein Haus verloren hatte.

February 8, 2025, Pacific Palisades, California, USA: February 8, 2025: A son (left) assists his father in looking through his home destroyed by the Palisades Fire with his son in Pacific Palisades. (Credit Image: © Mark Edward Harris/ZUMA Press Wire
Bei den Aufräumarbeiten unerlässlich: der Schutz vor Asbest und anderen giftigen Stoffen (Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Mark Edward Harris)

»Ich denke, es wird dauern – und L.A. wird Hilfe brauchen.«

Danny Bengston

Darauf hast du den Leuten ziemlich tatkräftig geholfen. Du hast etwa deinen Truck angeboten und Masken verteilt. Wie hast du die Solidarität im Allgemeinen erlebt?
Es ist absolut verabscheuungswürdig, dass sich unsere Regierung nicht hat blicken lassen. Die Gemeinschaft hat sich für die Gemeinschaft eingesetzt. Wenn man nach Altadena oder in die Palisades fährt, sieht man überall die Nationalgarde mit Maschinengewehren und die Polizei, die die Straßen abgesperrt haben. Dann sieht man auf der anderen Straßenseite wie das Pasadena Job Center kostenloses Essen, Kleidung, Wasser und Masken verteilt. Es ist ekelhaft zu sehen, wie wenig die Regierung wirklich eingegriffen hat, um den Menschen dort zu helfen. Sie scheinen sich mehr um den Schutz von Eigentum zu kümmern.

Doch du hast direkt mit angepackt.
Mein Haus ist noch da, mir ging es gut, ich war in Sicherheit. Als ich merkte, dass das normale Leben für die nächsten Wochen vorbei sein wird, wollte ich nicht abhauen oder evakuiert werden, sondern ich habe in der Zeit getan, was ich konnte, um in irgendeiner Weise zu helfen. Am ersten Tag stellte ich fest, dass ich noch etwa 20 N95-Masken hatte. Im Baumarkt waren sie komplett vergriffen. Auch das Wasser und andere Vorräte. Das erinnerte mich ein wenig an die Covid-Zeiten.

Auch viele Musiker:innen haben ihre Häuser verloren haben. Einige von ihnen hatten Heimstudios. Wie erholt sich die lebendige Musikszene von L.A. deiner Meinung nach?
Alle sind in kollektiver Trauer. Es werden aber immer mehr Benefizkonzerte angekündigt. Das ist großartig. Das Veranstaltungszentrum Zebulon hat etwa alles geschlossen und sich in ein Spendenzentrum verwandelt. Aber im Moment beginnt sich der Staub zu legen. Diese Woche hat sich wie die erste normalere Woche angefühlt. Ich zögere, „normal“ zu sagen, weil es nicht normal ist. Es ist immer noch ziemlich beschissen, aber diese Woche fühlt es sich definitiv leichter an.

Kim Gordon verglich ihre Gefühlslage mit der, die sie nach dem 11. September hatte. Würdest du dem zustimmen?
Ich habe diesen Vergleich schon ein paar Mal gehört. Ich war noch ziemlich jung, als der 11. September passierte. Ich glaube nicht, dass ich die Tragweite der Situation in diesem Moment wirklich einschätzen konnte. Was ich aber sagen kann: Es wird lange dauern, bis wir uns davon erholt habe und alles wieder aufgebaut haben. Es ist totales Chaos da oben, Mann. Wirklich. So etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nie gesehen. Das letzte Mal, dass es so etwas Ähnliches gab, war das Northridge-Erdbeben, das war 1994 und da war ich auch erst sechs Jahre alt. Wenn ich zu Hause aus dem Fenster schaue, liegt überall Asche und es kursieren allerlei Informationen darüber, wie giftig sie sei. Im Moment fühle ich mich aber ein wenig desensibilisiert, weil es vorher so schlimm war. Gestern habe ich etwa bei der Arbeit auf meine Hand geschaut und da war verschmierte Asche. Ich drücke die Daumen, dass das, was ich da angefasst habe, kein Asbest oder Blei oder etwas Ähnliches war. Was ich damit sagen will: Ich denke, es wird dauern – und L.A. wird Hilfe brauchen.

 

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Wie denkst du, kann man Bands und Musiker:innen unterstützten, die massiv unter den Bränden gelitten haben?
Ich würde mich auf diese erstaunliche Reihe von gegenseitigen Hilfskampagnen für verschiedene Künstler und verschiedene Menschen aus Gemeinden konzentrieren, die alles verloren haben. Sei es durch GoFundMe oder durch den Kauf von Merchandise-Artikeln eines Künstlers, von dem man erfahren hat, dass er alles verloren hat. Aber fast noch wichtiger sind die Listen von Familien, die ihr Zuhause verloren haben. Die Sache ist die: Altadena ist historisch gesehen ein überwiegend afro-amerikanisches und lateinamerikanisches Viertel. Es ist nicht der glamouröse Hollywood-Teil der Stadt. Die Menschen, die dort leben, gehören zur Arbeiterklasse. Viele dieser Menschen haben wirklich alles verloren und es wird unglaublich schwierig für sie sein, wieder auf die Beine zu kommen. Daher denke ich, dass man alles tun sollte, um Familien zu unterstützen, die sich in einer solchen Situation befinden. Sogar mehr als Künstler:innen, denn ich denke, dass wir großes Glück haben, eine Plattform zu haben. Es ist ein bisschen seltsam, das mitzuerleben, denn jeder braucht Hilfe und Unterstützung. So sieht man etwa einen Künstler mit vielen Fans, der eben ein bisschen mehr Geld in seinem GoFundMe hat als eine Familie, die aus Mexiko kommt und auch alles verloren hat. Das ist hart. Trotzdem: Jedes bisschen hilft.

Wie wird sich der Verlust auf die Arbeit von Bands wie euch auswirken?
Die Situation ist bei jedem anders. So furchtbar und schrecklich, wie das alles auch war, müssen die Leute trotzdem arbeiten. Mein Freund Fat Tony, ein Rapper aus Houston, war einer der ersten, von denen ich mitbekam, dass er sein Haus verloren hatte. Ich hatte ihn noch vor ein paar Monaten getroffen, als er mir erzählte, wie cool seine neue Wohnung in Altadena sei. Er legt zum Beispiel dieses Wochenende wieder als DJ auf. Das ist echt toll zu sehen. Ich kann nicht für alle sprechen, aber ich könnte mir vorstellen, dass so etwas in einer Situation wie dieser eine dringend benötigte Normalität und finanzielle Unterstützung bringt. Auch ich bin sehr froh, dass ich heute wieder für einen Job unterwegs bin. Es fühlt sich wie eine notwendige Injektion von Normalität an – nach diesen letzten Wochen, die unglaublich unnormal waren.

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