Ich wache in einem Hotel am Manchester Airport auf und würde gerne direkt weiterschlafen. Wenn ich mir die anderen so anschaue, geht es denen, glaube ich, ganz ähnlich. Auch ohne Alkohol hat es nämlich gestern noch etwas gedauert, bis wir losgefahren sind, und zum Hotel war es noch eine knappe Stunde Fahrt. Im Zimmer angekommen war dann das Beistellbett nicht bezogen und so mussten wir noch auf zwei etwas überforderte Azubis warten, die dann in unserem Beisein das Bett bereitet haben. Die awkward silence haben die beiden ein wenig länger als nötig zelebriert, indem sie die Bettdecke trotz meiner Bitte, diese einfach aufs Bett zu schmeißen, möglichst akkurat platziert und glattgestrichen haben, bevor ich mit deren Verschwinden natürlich direkt reingehüpft bin. Wir beeilen uns beim dritten leckeren englischen Frühstück, schließlich wollen wir noch was von London sehen und haben mindestens vier Stunden Fahrt vor uns, die sich London-being-London natürlich verlängern könnten. Auf der Fahrt frage ich mich, wie viele Schafe es hier eigentlich gibt und ob das eine Fehlkalkulation sein könnte, die der wahre Grund für die Wirtschaftsschwäche ist. In Deutschland scheinen die 107 Exemplare vom Nordseedeich schließlich auch zu genügen. In London angekommen fahren wir erst durch das schöne und ziemlich hipsterige Camden Town, weil Marie dort kurz in ihr AirBnB eincheckt – sie hat bei der Gelegenheit nämlich noch einen Tag London Sightseeing drangehängt – und dann weiter zur Location nach Hackney. Die Location ist – Überraschung – der Hammer. Paper Dress Vintage heißt sie und wir gehen tatsächlich durch einen Vintage-Klamotten-Laden, in dessen oberer Etage hinter allerlei Kleiderständern mit ausgefallenen Hemden schon eine Bühne zu erahnen ist – auch der Soundcheck findet später übrigens noch während des Ladenbetriebs statt. Hackney ist etwas enttäuschend. Wir haben Mühe eine Ecke zu finden, für die sich unser frühes Aufstehen gelohnt hat, aber auch nicht genug Zeit, uns noch in die U-Bahn zu setzen. Nach einigen Anläufen navigiert Dominique uns dann zu einer Straße mit vielen kleinen Läden unter Bahntrassenbögen. Leider hat außer einer Bäckerei, deren Produkte alle zu gesund aussehen, nichts geöffnet, sodass wir zurückgehen und auf dem Weg 15 Minuten lang versuchen, einen roten Bus für das perfekte Touri-Foto abzupassen.
Gegenüber der Venue werden wir dann bei einem Supermarkt schokoladen- und süßgebäcktechnisch fündig und kaufen wohlüberlegt eine üppige Torte, mit der wir Cherym zum Tourabschluss überraschen wollen. Auch heute ist das Konzert wieder bestens besucht. Wir haben sogar noch etwas mehr Spaß als gestern, auch weil etwas mehr schiefgeht. Am Ende von “Wannabe Skater” fällt Otto über ein paar Kabel und landet im Publikum. Das Problem: Im Gegensatz zu geplanten In-die-Menge-geh Momenten hat Otto noch eine Gitarre um den Hals, muss diese noch spielen und hat auch einen Gesangspart, den man nicht so spontan weglassen kann. Die Lösung? Cherym-Frontperson Hannah reagiert genial und hält das Mikro. So kann Otto ansagen, was noch anzusagen war und sich danach im Moshpit verlieren. Soll das hier gerade schon der letzte Song unseres kleinen England Abenteuers gewesen sein? Während die Feedbacks noch pfeifen, kommt eine junge Frau zu uns und fragt, ob wir bitte noch unseren Song “Sophie” spielen können. Sie sei extra für uns zum Konzert gekommen und das sei ihr absoluter Lieblingssong. Wir sind richtig umgehauen. Es gibt einen richtigen Get Jealous-Fan in London. Umso mehr bricht es uns das Herz, dass wir keine Zeit mehr haben und nur noch zurück auf die Bühne gehen, um die Amps auszumachen.
Cherym legen dann auch noch einmal eine Schippe drauf. Hier in London ist auch der Anteil der textsicheren Fans größer, was die Stimmung weiter steigert. Außerdem haben sie noch eine Überraschung im Gepäck. Nach der Zugabe gibt es nämlich noch ein Pre-Listening eines noch nicht veröffentlichten Covers – genauer gesagt Doja Cats “Boss Bitch”. Der Song ist ein absoluter Banger. Der fette Sound erinnert mich an meine aktuelle Lieblingsband Nova Twins und ich schaffe es auch einige Minuten später nicht, mit dem Grinsen aufzuhören, so sehr freut mich, was ich da gerade gehört habe. Releasetag ist der 8. März – feministischer Kampftag. Hinter-die-Ohren-und-in-den-Kalender-Schreibbefehl! Nach Show, Abbau und Merchverkauf treffen wir uns mit Cherym auf den Bierbänken des Außenbereichs zum Torte-Essen. Da die ziemlich geladene Ladenbesitzerin uns zwischendurch aus dem Backstage vertrieben und die Nahrungsaufnahme komplett untersagt hatte – am nächsten Tag fände dort ein Yogakurs statt – sind wir froh, überhaupt noch einen Platz gefunden zu haben. Ich habe die Ehre, die Torte anschneiden zu dürfen. Da wir leider kein Messer auftreiben können, muss der Stiel des Teelöffels herhalten, den Dominique aus ihrer Tasche zaubert. Es krampft ein wenig in der Hand, funktioniert ansonsten aber ausgezeichnet. Die Torte schmeckt fantastisch.
Um kurz vor zwei brechen wir auf, es sind schließlich fast zwei Stunden bis zum Hotel am
Flughafen Gatwick. Das Navi führt uns mitten durchs Citycenter und so kommen wir doch noch zum erhofften Sightseeing, das Marike als Beifahrerin mithilfe von Maps und Wikipedia meistert. Nach drei Stunden Schlaf geht es zum Flieger. Der Rückflug verläuft nicht viel runder als die Hinreise. Letztendlich schaffen es Otto, Marike gemeinsam mit sämtlichen Gepäck- und Handgepäck in den Flieger und ich verpasse den ersten Flug meines Lebens. Der Platz hier reicht leider nicht aus, um die Story auch noch in allen nötigen Details zu erzählen. Wer sie hören möchte – oder einfach Bock hat, uns live zu sehen – kann uns gerne auf Tour besuchen kommen. In Leipzig und Berlin haben wir sogar unsere neue allerbeste Bandfreundschaft Cherym im Gepäck!
Live: Cherym & Get Jealous
01.03. Wolfsburg – Sauna Klub
02.03. Bremen – MS Loretta
06.03. Dresden – GrooveStation
07.03. Jena – MVZ Wagner
08.03. Dortmund – Subrosa (ausverkauft)
09.03. Osnabrück – Bocksmauer (ausverkauft)
19.03. Regensburg – Heimat
21.03. Hamburg – Molotow
22.03. Husum – Speicher
26.03. Berlin – Urban Spree
27.03. Leipzig – Naumanns
02.04. Mainz – Schon Schön
04.05. Lingen – Alter Schlachthof