Ende März haben Heisskalt nach sechs Jahren Funkstille mit den Worten “Hey Leute, seid ihr noch da?” das Ende ihrer Bandpause bekannt gegeben. Erst hatten sie nur Festivaltermine in Aussicht gestellt, im Mai folgte die Ankündigung für eine Headliner-Tour. Nun kündigen sie ihr Comeback-Album “Vom Tun und Lassen“ mit der ersten Single “Wasser, Luft und Licht” an.
Der Song behandelt die von Heisskalt wahrgenommene Vereinsamung in der Welt. Obwohl sie so lange pausiert haben, ist die Band aus Sindelfingen/Böblingen größtenteils bei ihrem Signature-Sound geblieben. “Wasser, Luft und Licht” zeigt sich vielmehr durch seine Wucht, düstere Atmosphäre und den tiefgründigen Text, worin die Stärken der Band schon immer gelegen haben. Das begleitende Musikvideo erscheint am 28. Juli um 18 Uhr.
Die Single ist der erste Vorbote für das vierte Studioalbum der Band, das am 15. November über Munic Warehouse erscheinen soll. Es kann bereits vorbestellt werden. Neben Auftritten bei Festivals diesen Sommer, geht es für Heisskalt ab November dann auch wieder auf Tour. Tickets für die Termine gibt es im Vorverkauf über die Bandwebsite.
Über die Comeback-Single, das neue Album und die Bandpause haben wir mit Heisskalt-Sänger Matze Bloech in einem exklusiven Vorab-Interview gesprochen.
Ihr habt jetzt das erste Mal seit 2018 wieder Musik veröffentlicht. Wie fühlt ihr euch damit?
Matze Bloech: Ich merke, je mehr wir wieder als Band draußen sind, desto leichter und sinnvoller fühlt sich alles an. Wir haben verhältnismäßig lange an diesem Album gearbeitet, die meiste Zeit während niemand davon wusste. Das war uns wichtig, wir wollten gerne eine Überraschung hinkriegen. Aber es macht einen auch ein bisschen verrückt! Jetzt freue ich mich, das alles allmählich in die Welt zu entlassen, wo es ja am Ende hingehört.
Inwiefern haben sechs Jahre Pause gereicht, um den Kopf freizubekommen und eure Laufbahn bisher zu reflektieren?
Ziemlich gut. Wir kommen gerade oft wieder in Situationen, die wir noch von früher kennen und ich bemerke bei uns allen mehr Ruhe und Gelassenheit und Vertrauen. Wir haben gerade nicht das Gefühl, irgendwem etwas beweisen zu müssen – außer vielleicht uns selbst. Vieles war toll von dem, was wir bisher erleben durften und einiges war blöd und würden wir nicht mehr so machen – und das kriegen wir grade auch hin. Und manches geht halt einfach nicht anders, und es ist jetzt auch leichter für uns, das zu akzeptieren. Trotzdem haben wir jetzt die Zügel in der Hand und die geben wir auch nicht mehr her. Also ja, die Pause tat uns gut!
Welche neuen Impulse und Perspektiven bringt ihr nach der Pause mit?
Wir haben alle für uns sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht, sind aber oft bei ähnlichen Erkenntnissen gelandet. Im Ergebnis scheint mir, wir hören besser zu und stellen mehr Fragen. Wir vertrauen mehr in den Prozess, als stur die eigene Vorstellung zu verteidigen. Da ist mehr Wertschätzung – füreinander und für die Sache. Und gleichzeitig auch mehr Verständnis dafür, dass es auch was anderes und wichtigeres gibt, als die Band, zum Beispiel unsere Kinder. Und wir trauen uns mehr Raum zwischen allem zu lassen, die Dinge auch mal bisschen atmen lassen – auch wenn es um uns herum tonnenweise Möglichkeiten hagelt. Musikalisch ist es natürlich auch sehr spannend, wir haben uns lange miteinander entwickelt und jetzt eine längere Pause gehabt, da gab es ganz viel neuen Input und ich bin gespannt, wie sich das jetzt weiter gemeinsam formt.
Wie schwierig war es, neue Ideen zu einem großen Ganzen zu vereinen?
Es war schon schwierig, aber vor allem weil der Prozess so anders war, als sonst. “Vom Tun und Lassen” ist nicht live zusammen in einem Raum eingespielt, wie unsere bisherigen Alben. Als wir mit den Songs ins Studio sind, waren wir nur zu zweit in der Band (unser Drummer Marius [Bornmann] und ich) und haben alles nacheinander eingespielt. Das war viel Patchwork, viel Nachdenken, Überblick behalten. Das ist anstrengend, man kann viel mehr hinterfragen, editieren und austauschen – dabei vergesse ich dann manchmal, Gitarre zu spielen. Das war die größte Herausforderung: Ein Gefühl für die Songs zu bekommen.
Beim live zusammen einspielen passiert das automatisch, das ist viel “gefährlicher”. Man muss voll bei der Sache sein und es ist nie ganz perfekt. Man will den anderen keinen ansonsten guten Take versauen, deswegen ist man automatisch super präsent. Unser Gitarrist Phil [Koch] und ich haben dann später die Gitarren nochmal komplett neu aufgenommen, nachdem er wieder mit an Bord war. Da galt es dann für mich, das bisherige los zu lassen und für ihn, sich in das schon Bestehende einzufinden und wir mussten einen gemeinsamen Vibe damit finden. Den Gesang habe ich dann größtenteils alleine aufgenommen, das war auch neu für mich. Alles in allem ein ganz eigener Prozess, ganz anders als die anderen Alben. Was uns dabei genau gelungen ist, kann ich vermutlich erst mit etwas Abstand in ein paar Monaten sagen, aber ich glaube, es fetzt!
In “Wasser, Luft und Licht” sprecht ihr eine Vereinsamung in der (digitalen) Gesellschaft an. Was braucht es eurer Meinung nach von und in der Gesellschaft, um dem entgegenzuwirken?
Nun ich kein Sozialforscher, aber ich denke, es braucht mehr direkten Kontakt. Augenkontakt. Körperkontakt. Gemeinschaftsstruktur. Mehr Verständnis und Mitgefühl füreinander, dass wir alle Prozesse sind. Geduld: Wenn wir alle mit einem total überzogenen Perfektionsanspruch ans Leben und an Beziehungen und an das Verhalten der anderen gehen, dann sind wir ja nur noch damit beschäftigt, uns über uns selbst und die anderen aufzuregen und aus Angst vor Bewertung und deren Konsequenzen traut sich niemand mehr, aus sich herauszukommen.
Als wandelnde Betonmauer herumzulaufen bringt genau so wenig, wie sich in jedem kurzen Gespräch komplett zu verlieren vor Mitgefühl für Alles und Jede:n. Vielleicht braucht es für das alles ein bisschen weniger Informationsgeballer und Bilderflut von allen Seiten, da verliert man sich schnell. Am Ende kommt es doch viel darauf an, was ich mir selbst und den anderen für Intentionen unterstelle. Da kommt man schnell in einen ganz üblen Film, der vielleicht absolut gar nichts mit der Realität der anderen zu tun hat. In der digitalen Welt können wir einfach alles ausblenden, was uns nicht gefällt. Da geht ganz schön viel Konfliktfähigkeit flöten. Das ist doch total beängstigend, wenn Konflikt gleich Kontaktverlust ist. Da kann man ja nicht mehr frei denken oder sein. Das macht einsam.
Im Song heißt es auch angelehnt an ein Zitat von Adorno: „Es gibt kein Richtiges im Falschen/ Es gibt im Richtigen kein falsch“. Was zeichnet für euch überhaupt ein „richtiges Leben“ aus?
Damit spiele ich eher auf einen Perspektivenwechsel an. Wenn ich nach etwas “Falschem” suche, das alles beinhaltet, dann werde ich auch immer etwas finden können. Wenn ich nach etwas “Richtigem” suche, dann finde ich auch immer was. Das, worauf ich mich konzentriere, wird größer und realer – nicht nur für mich, auch für die Leute um mich herum. Das strahlt aus. Da haben wir ganz schön Power als Menschen, die wir nicht unterschätzen dürfen. Die Frage ist, wofür wir sie verwenden, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten. Da ist viel mehr Entscheidung in allem, als wir manchmal denken. Ich finde das selber ganz schwer manchmal, aus dieser Fixierung auf das Negative herauszukommen. Der Höhepunkt davon ist dieser Zynismus, in dem nichts mehr irgendwas bedeutet. Dann muss ich mich ja auch nicht mehr anstrengen. Irgendwie kommt mir das wie eine sehr umständliche Ausrede vor …
Und ein “richtiges Leben”? Ganz persönlich will ich mich und andere spüren. Wenn ich nichts mehr spüre oder wenn ich mich betäube, dann merk ich, das was nicht stimmt. Ich will mich ausdrücken können. Ich muss sinnvoll finden können, was ich tue. Und ich will das Leben teilen, nicht alleine damit sein.
Der Albumtitel erinnert an eure ersten beiden Alben “Vom Stehen und Fallen” und “Vom Wissen und Wollen”. Wie ordnet ihr nun “Vom Tun und Lassen” ein?
Der Titel war irgendwann einfach da, ohne groß darüber nachzudenken. Aber wir mögen daran, dass er an die anderen beiden Alben anknüpft. Auf “Idylle”, dem letzten Album vor unserer Pause, ist uns irgendwie die Emotion abhanden gekommen. Da war nur noch Abgrund, Sackgasse, Desillusion. Auch der Entstehungsprozess war schwierig, wir waren nicht gut beieinander, hatten uns irgendwie verloren.
Es war für uns als Band wichtig, uns davon im Entstehungsprozess für dieses Album etwas abzugrenzen und uns auch auf das zu besinnen, was uns immer ausgemacht hat, was uns vorher zusammen geführt und beisammen gehalten hat. Und da hat es Sinn gemacht, dann den Titel zu wählen, der sich an diese Platten anlehnt. Ich finde aber, dass “Vom Tun und Lassen” eigentlich alle musikalischen Aspekte sehr gut vereint, die uns bisher ausgemacht haben und auch viel Neues dazu gekommen ist.
Ursprünglich wolltet ihr 2020 schon zurückkommen, wegen der Pandemie hat es bis Anfang 2024 gedauert. Mit welchen Reaktionen auf euer verzögertes Comeback habt ihr gerechnet?
Das war nicht nur die Pandemie, die war da nur die Spitze des Eisbergs. Wir waren einfach noch nicht bereit, haben uns im Songwritingprozess verkracht und dann standen wir ohne unseren Gitarristen Phil da. Das war richtig scheiße und ich bin dermaßen froh, dass wir uns wieder zusammengerauft haben! Wir haben uns dann schon gedacht, dass es ein paar Leute freuen würde, wenn wir wieder spielen. Unsere Hörer:innenzahlen sind über die ganze Zeit ziemlich stabil geblieben und wir hatten viele Situationen, in denen wir persönlich auf die Band angesprochen wurden. Mir ist erst während der langen Pause richtig bewusst geworden, wie viel unsere Musik einigen Leuten eigentlich bedeutet. Mit einer bestimmten Reaktion haben wir nicht gerechnet, aber es fühlt sich grade an, als würden wir einfach wieder aufgenommen werden, als wäre unser Platz nie weg gewesen. Dafür sind wir irre dankbar!
Könnt ihr euch vorstellen, nochmal eine Pause auf unbestimmte Zeit zu nehmen?
Ich wünsche mir, dass wir das Ganze etwas besser regeln, wenn wir wieder merken sollten, dass wir eine Pause brauchen. Wir üben das auch schon im Kleinen, also das fängt ja schon dabei an, sich sein eigenes Ruhebedürfnis einzugestehen und dafür auch einzutreten. Das war jetzt schon ein ganz schöner Akt, unseren fahrenden Ritter wieder fahrtauglich zu bekommen. Das geht auf jeden Fall auch leichter, wenn man nicht so lange wartet.
VISIONS empfiehlt: Heisskalt
01.08. Horb am Neckar – Marmorwerk
02.08. Rees – Haldern Pop Bar
03.08. Bonn – Green Juice Festival
08.08. Rees – Haldern Pop Festival
09.08. Püttlingen – Rocco del Schlacko Festival
10.08. Eschwege – Open Flair Festival
17.08. Großpösna – Highfield Festival
18.11. Frankfurt – Batschkapp
19.11. Hannover – Musikzentrum (ausverkauft)
20.11. München – Backstage
21.11. Wien – Flex
23.11. Langenthal – OldCapitol
25.11. Leipzig – Werk 2 (ausverkauft)
26.11. Berlin – Astra
27.11. Köln – Kantine (ausverkauft)
28.11. Dortmund – JunkYard (ausverkauft)
29.11. Hamburg – Uebel & Gefährlich (ausverkauft)
11.12. Köln – Yucca (Album Release Show)
12.12. Köln – Palladium (mit Donots, Itchy)
14.12. Sindelfingen – Pavillon (Album Release Show)
22.12. Stuttgart – LKA Longhorn (ausverkauft)