Alex, schon auf euren vorherigen Alben haben immer mehr Melodien ihren Weg in euren Sound gefunden. “Up On Gravity Hill” spiegelt nun die auffälligste Veränderung wider. Siehst du das ähnlich?
Alex Edkins: Ja, ich stimme zu. Das ist über die Jahre einfach in unseren Sound gesickert. Wir haben uns schon immer sehr langsam in Bezug auf die Band, die Größe der Venues und unseren Sound entwickelt. Es war diese allmähliche Steigerung. Wir wurden immer abenteuerlustiger und selbstbewusster. Nun sind wir einfach glücklicher und bereit, das zu tun, wohin uns unsere Stimmung trägt. Das spiegelt für uns auch die Liebe zur Musik und zur Melodie wider, die schon immer da war, die wir aber nie so richtig angepackt haben wie jetzt.
Hast du das Gefühl, dass dies der Moment ist, in dem dein Soloprojekt Weird Nightmare und Metz miteinander verschmelzen?
Nun, ich sehe das sicher nicht so. Einige Leute könnten das annehmen – aber das ist in Ordnung für mich. Es ist nur so: wir haben als Metz doch schon so viele aggressive Platten gemacht; es würde sich für einen Musiker an diesem Punkt nicht wie ein Fortschritt anfühlen damit weiterzumachen. Wir wollen uns weiterentwickeln und das Gefühl haben, dass wir wachsen. Das ist etwas, worauf wir wirklich gespannt sind.
Musstet ihr erstmal eine Art gesteigertes Selbstvertrauen entwickeln?
Ja, wir sind selbstbewusster als je zuvor! Ich habe das Gefühl, dass wir mittlerweile auf unserem eigenen Planeten leben. Wir werden nicht mit anderen in einen Topf geworfen. Das kann was Gutes und was Schlechtes bedeuten. Es ist gut, dass wir uns so frei fühlen können und keinen Trends folgen müssen, aber es ist schwieriger, eine Fangemeinde zu finden, wenn man sich auf dieser einsamen Insel befindet. Das kann komplizierter sein, was das Marketing angeht. Das ist aber auch nicht wirklich unser Schwerpunkt – zumindest war es das in der Vergangenheit nicht.
Glaubst du, dass ihr euch dafür von euren frühen Einflüssen als Band gelöst habt?
Ich glaube nicht, dass wir etwas losgelassen haben. Es ist eher wie ein neuer Baustein: Was unseren Sound angeht, kommen wir vom Noiserock, Dischord und SST Records, all dieser schönen kathartischen Musik. Das ist immer noch das, was wir sind und was wir immer sein werden. Wir versuchen einfach, darauf aufzubauen und etwas zu machen, das uns das Gefühl gibt, dass wir uns nicht in einem Zustand des Stillstands befinden. Sicherlich war die Weird-Nightmare-Platte für mich persönlich ein Durchbruchsmoment. Es hat mich sozusagen gerettet, weil ich dieses neue Ventil hatte, von dem ich so begeistert war. Außerdem erlaubte das Soloprojekt mir, Metz auf eine andere Art und Weise zu betrachten – was meiner Meinung nach sehr gesund war.
Inwiefern?
Manchmal will man seine Band in alle möglichen Richtungen pushen. Weird Nightmare hat mir erlaubt, zu sehen, was an Metz so toll ist. Dadurch ist mit uns dreien etwas Wunderbares passiert. Möglichkeiten wie Noble Rot und Weird Nightmare zu haben, hat mir geholfen, das klarer zu sehen. Das hat dem neuen Album und der Band im Allgemeinen gut getan.
Was konntest du aus der Zeit mit Weird Nightmare für Metz lernen?
Hauptsächlich was das Schreiben angeht: Ich fühlte mich nicht mer nur auf eine Sache festgelegt. Ich sagte sowas wie: “Wenn dieser Teil eine dreistimmige Harmonie braucht, die mehr nach den Beach Boys als nach einer Hardcore-Band klingt, dann sollten wir das tun.” Wir mischen die Dinge auf eine Art und Weise, bei der wir früher vielleicht Bedenken gehabt hätten. Das tun wir jetzt nicht mehr. Das macht das Zuhören viel spannender.
Du musstest die anderen Jungs also nicht erst von irgendwelchen Harmonien überzeugen?
Das war ja das Tolle; Chris und Hayden sind absolut aufgeschlossen und bereit für Veränderung. Sie bleiben nicht in der Welt der zweiminütigen Hardcore-Songs stecken. Da können wir uns alle gut drauf einigen.
Du hast das meiste von deinem Soloalbum selbst produziert. Hast du jemals darüber nachgedacht, auch bei Metz alles in die Hand zu nehmen?
Ja, denn ich habe in letzter Zeit die Platten von anderen Leuten produziert. Ich liebe so etwas. Generell habe ich das Gefühl, dass ich diese Rolle in der Band schon immer hatte, aber ich sage es mal so: Ich bin kein Tontechniker. (lacht) Damit kenne ich mich nicht allzu gut aus. Produzieren ist die eine Sache, klar, aber die technische Seite ist nochmal was ganz anderes. Außerdem fühlen wir uns mit Seth Manchester als Produzenten sehr wohl, deshalb sind wir zu ihm zurückgekehrt. Ich habe seitdem auch bei ein paar anderen Projekten mit ihm zusammengearbeitet. Er versteht uns einfach in vielerlei Hinsicht, wir gerne ziemlich analog und altmodisch arbeiten und aufnehmen. Es geht darum, den Sound aus dem Verstärker, aus dem Mikrofon herauszuholen, im Gegensatz zu “Ach, das kriegen wir schon mit ein paar Plug-ins hin”.
Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Amber Webber von Black Mountain und dem Komponisten Owen Pallett?
Zunächst sind wir Fans von Ambers Stimme. Aber wir haben einfach unsere Köpfe zusammengesteckt, weil aus unserer Komfortzone heraus sind. Als wir “Light Your Way Home” schrieben, sagte jeder von uns: “Das ist unser Lieblingssong auf der Platte.” Dann wollten wir es noch weiter treiben. Ich glaube, jeder wollte einfach sehen, wie weit wir gehen können. Die Zusammenarbeit mit Owen und seinen Streicherarrangements und Amber sind nur die Spitze des Eisbergs, auf dem wir weitergehen könnten und in Zukunft gehen werden. Wir sind sehr glücklich, dass sie dabei waren.
„No Reservation / Love Comes Crashing“ mit ihm hat mich auch sehr beeindruckt. Der Song erinnert mich an “A Boat To Drown In” von “Atlas Vending”.
In Bezug auf die zwei Akte stimmt das. Diesmal nehmen einen die Gitarren im Gegensatz zur Musik mit auf eine Reise, während es bei “A Boat To Drown In” eher eine gesangliche Wiederholung in einem psychedelischen Teil ist. Als ich die Namen der Tracks festlegte, hielt ich es nicht für richtig, es bei einem Titel zu belassen, nur weil es dort auch eine lyrische Veränderung gibt. Es sind dieselben Gedanken, aber aus einem anderen Blickwinkel. Ich wollte also, dass es sich irgendwie klarer anfühlt, mit zwei verschiedenen Richtungen.
Auch lyrisch ist es in zwei Hälften aufgeteilt. Was bedeutet die sich wiederholende Zeile “Love comes crashing” für dich?
Ich frage mich darin, wo das Mitgefühl und die Würde im modernen Leben geblieben sind. Sie sind verschwunden. Man kann den Song aus dem Blickwinkel zweier Menschen in einer Beziehung betrachten, die auseinander fällt, aber in Wirklichkeit geht es mehr um das große Ganze, besonders um das Ende. Es ist nicht mehr Teil unseres sozialen Bewusstseins, an andere zu denken. In Verbindung mit “99” geht es um dieses überwältigende Gefühl der Gier, das überall zu spüren ist. All diese Unternehmen haben aufgehört, an die Menschen zu denken. Es ist ihnen einfach egal. Das ist ein wirklich trauriges Ende. Meiner Meinung nach ist es ein wirklich brutaler Text.
“99” hingegen weist in Richtung all dieser Werbung und Ablenkung dadurch. Was war dir an diesem Text besonders wichtig?
“99” hat mich fasziniert, weil ich es durch die Augen meines Sohnes, der sieben Jahre alt ist, gelesen habe. Wir wohnen in der Innenstadt von Toronto, auf dem Weg zur Schule zeigt er immer auf diese ganzen Werbetafeln. Er wird damit überflutet und stellt mir all diese unschuldigen Fragen, und meine Antwort darauf lautet: “Sie versuchen nur, dich dazu zu bringen, Dinge zu kaufen.” Es ist Müll, das wissen sie, aber sie pumpen dich damit voll. Ich habe es durch seine Augen gesehen und es ist einfach faszinierend, mit so etwas aufzuwachsen. Letzten Endes ist es einfach ein bisschen eklig, aber ich habe mir ja auch ausgesucht, in der Stadt zu leben.
Schau dir allein die ganzen Cornflakes-Verpackungen an. Bei sowas geht es doch im Endeffekt um die Erziehung künftiger Verbraucher.
(lacht) Oh ja, sie denken an die Kinder. Sie machen definitiv Werbung für sie.
Aber ist das nicht etwas, das es nicht schon immer gegeben hat?
Wenn man ein Kind bekommt, ändert sich die ganze Perspektive: Vielleicht bin ich abgestumpft gegenüber diesen Dingen geworden und habe nicht mehr darüber nachgedacht. Aber dann fängt man wieder an, über solche Dinge nachzudenken. Das kann auch eine schöne Sache sein. Es erinnert einen daran, wie lustig und cool bestimmte Dinge sind, doch dann stellen sie Fragen und man muss ihnen sagen, dass diese Welt ziemlich verwirrend ist. Die Stadt, in der wir leben, ist ein ziemlich aggressiver, lauter und verrückter Ort.
Trotzdem ist es nicht so schlimm wie bei deinen Nachbarn im Süden, oder?
Nun ja, es scheint zumindest so. Aber es ist eine schleichende Sache. Wir sind sehr von ihnen beeinflusst und das merkt man, wenn man hier wohnt.
Würdet ihr eure Musik immer als eine direkte Reaktion auf die Welt um euch herum sehen?
Es ist eher mein kleiner Mikrokosmos. Nur meine Gedanken und Gefühle. Manchmal ist es das eigene Leben, manchmal ist es eben “99”, weil ich einfach angefangen habe die Worte zu singen. Ich habe mich gefragt, was das bedeutet und dann habe ich es damit in Verbindung gebracht, dass der Preis von allem mit 99 verbunden ist. Es bedeutet einen Dollar und es bedeutet Geld, also habe ich es einfach so genommen. Der kreative Prozess ist irgendwie verwirrend und interessant.
Ich hatte eine lustige Assoziation mit dem Lied. Das erste Mal hörte ich wirklich das deutsche Wort “Nein” immer und immer wieder darin.
Na klar! (lacht) Ich hoffe, dass es in Deutschland ein großer Hit wird, Mann!
Große Frage zum Album: Würdest du sagen, “Up On Gravity Hill” ist ein Liebesalbum?
(überlegt) Naja, ich habe nie ein Konzeptalbum gemacht. Es enthält aber sicherlich viel davon, dass ich meine Familie vermisse und meine Liebe zu ihr ausdrücke, während ich unterwegs bin. Das ist allgemein ein echtes Dilemma in meinem Leben, das mich nicht loslässt. Es gibt also dieses unaufhörliche Gefühl: “Ist es das wert, weg zu sein, bewusst diese Sache zu tun, die ich liebe und die zu verlassen, die ich liebe?” Dieser Gedanke zerreißt mich. Ich konnte mir nie einen Reim darauf machen. Die Art und Weise, wie ich damit umgehe, besteht darin, es in ein Lied zu packen. Ich weiß, dass jeder auf der Welt solche Fragen an sich selbst hat. Ich bin einfach ständig im Zwiespalt.
Das zeigt sich auch darin, dass du in der zweiten Person schreibst.
Ja, aber nicht unbedingt alles. Songs wie “Glass Eye” sind aus der Perspektive einer anderen Person. Es geht um eine Person, die der Band nahesteht und mit ihrer Sucht zu kämpfen hat. Wir haben diese Person kürzlich verloren. Meistens versuche ich, mich davon zu lösen und aus der Perspektive einer anderen Person zu singen. Das erlaubt mir, mehr Themen zu behandeln, denn ich behaupte nicht, so ein faszinierendes Leben zu haben. Ich kann aber über das faszinierende Leben anderer Menschen lesen und versuchen, einen Song darüber zu schreiben.
Inwieweit spielt deine Arbeit als Komponist für Film und Fernsehen eine Rolle für Metz?
Das mache ich zusammen mit Graham Walsh (auch Noble Rot), wenn wir nicht auf Tour sind. Wir haben gerade Musik für Film über das Label Three One G von Justin [Pearson] von The Locust gemacht. Zwischendurch arbeiten wir auch an Kleinigkeiten für die kanadische CBC. Es geht einfach darum, mit einem anderen Teil des Gehirns zu komponieren, verschiedene Instrumente zu benutzen und das Erzeugen einer Stimmung. Ich bin sicherlich kein Veteran auf diesem Gebiet, aber es ist etwas, mit dem ich gerade anfange und das mir wirklich Spaß macht.
Betrachtest du schon deine immer Songs als Filmsoundtracks?
Ja, absolut. Das habe ich schon immer so gemacht. Selbst wenn die Songs nur eine Minute lang sind, stelle ich sie mir bildlich vor – sogar mit den Texten. Manche Leute würden sagen, dass sie sehr kantig und schwer zu verstehen sind. Ich habe immer versucht, sie auf visuelle Weise zu beschreiben, aber nicht auf erzählerische Weise. Für mich war es wie ein Bild. Es kann zwar ein unscharfes Bild sein, aber es ist immer noch ein Bild. Sicherlich haben wir jetzt eine größere Leinwand: Ob es nun ein fünfminütiger Song ist oder ein Song mit zwei Akten, man kann viel mehr tun, um eine Stimmung zu erzeugen oder ein Bild zu malen. Auch das hat sich im Laufe der Zeit entwickelt, es ist etwas, womit wir uns immer wohler fühlen. Es ist auch die Möglichkeit, ein Konzert zu spielen und sich wirklich in einen Song hineinzuversetzen und ihn etwas länger zu leben als ihn nur zwei Minuten lang runterzuballern. Ich genieße es, mich ein bisschen darin zu verlieren. Ich glaube, das Publikum mag das auch, wenn es etwas stimmungsvoller und psychedelischer ist und man länger in der Stimmung verweilen kann.
An welche Art von Film denkst du, wenn du an “Up On Gravity Hill” denkst?
(überlegt) Hm, nächste Woche kommt ein Video von Colin Medly heraus, einem Filmemacher aus Toronto, der was für uns gemacht hat. Er hat es mir gestern zugeschickt. Es ist ziemlich kanadisch, aber der Vibe war für mich genau richtig. Es ist für “Light Your Way Home” und für mich ist es so, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich habe mit ihm über einige der Bilder gesprochen, die ich im Kopf hatte, und er hat es auf den Punkt gebracht.
Mit welchem Filmgenre würdest du es denn beschreiben?
Sci-Fi-Drama! (lacht) Wenn der Astronaut im Weltraum festsitzt und erst nach 50 Jahren zu seiner Familie zurückkehren kann. Diese Filme habe ich mir vorgestellt.
Das klingt ganz schön herzzerreißend!
Ja, das ist es! (lacht) Dieses Video spielt zwar nicht im Weltraum, aber die Farben und die Bilder, die in Ontario entstanden sind, sind wirklich erdrückend – das ist perfekt für diesen Song.
Was bedeutet eigentlich der Titel “Up On Gravity Hill” im Zusammenhang mit dem Album?
Vielleicht sollte ich ihn gar nicht verraten. Ich möchte die Leute etwas im Ungewissen lassen, wenn das okay ist. Ich sage nur: Es geht um das Leben nach dem Tod.
Wo siehst du dich und die Band heute, nachdem “Weird Nightmare” und “Atlas Vending” in einer Zeit der Stille und des Lockdown veröffentlicht wurden?
Innerhalb der Band hat sich eine Menge verändert. Es fühlt sich in gewisser Weise wie ein Neuanfang an. Nicht unbedingt diese Platte, aber dieser Plattenzyklus. Genauso, dass wir wieder auf eine richtige Tour gehen können. Es fühlt sich also so an, als würden wir wieder bei Null anfangen. Es war eine verwirrende Zeit für jeden, der irgendetwas Künstlerisches macht, als die Industrie einfach dichtmachte, und wir waren sicherlich immun dagegen. Es hat uns ziemlich hart getroffen. Wir fühlen uns gestärkt und freuen uns auf das nächste Kapitel.
Musstet ihr in dieser Zeit Vollzeitjobs annehmen?
Wir haben entweder Jobs angenommen oder uns neue künstlerische Beschäftigungen gesucht. Das war großartig und hat zu einer wirklich coolen Platte geführt. Wir konnten uns neu orientieren, wer wir waren und wo unser Hirn stand – aber das war nicht freiwillig. Es ist die Definition von Engagement und die Liebe zu dieser Sache.
Ich freue mich auf die kommende Shows in Deutschland: Für mich haben diese eruptiven, abrasiven Momente bei Metz immer etwas Kathartisches. Was bedeutet diese Art von heftiger Musik für dich?
Es ist etwas, das man nicht definieren kann. Etwas, das sich mit Worten nicht wirklich gut ausdrücken lässt. Das ist der Grund, warum wir so etwas live machen, denn dieses Gefühl ist so gut wie unantastbar. Das ist es, was wir alle anstreben. Dieses Gefühl von “Ich weiß nicht, wie man es nennen soll”. Das ist der Grund, warum wir die Musik machen, die wir machen. Wie du schon sagst, liegt diese Schönheit und Katharsis in diesem extremen Sound, den wir gemeinsam erschaffen. Ich bin ich an einem Punkt angelangt, an dem ich das wirklich zu schätzen weiß. Vielleicht habe ich das früher nicht so sehr geschätzt, aber das ist etwas ganz Besonderes, was wir drei machen können. Ich hoffe, dass es den Leuten dasselbe gibt wie uns.
“Up On Gravity Hill” erscheint am 12. April via Sub Pop. Im November sind Metz auch in Europa wieder auf Tour.
Live: Metz
07.11.2024 Zürich (CH) – Bogen F
16.11.2024 Berlin – Hole44
19.11.2024 Hamburg – Hafenklang