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Rat Boy im Interview zu ihrem neuen Album "Suburbia Calling" und ihrer Show beim Reeperbahn Festival

Rat Boy im Interview

Allergiefrei
Heute spielen Rat Boy im Rahmen des Reeperbahn Festivals das erste Mal seit langem wieder in Deutschland. Wir haben im Vorfeld mit der Band über den langen Weg zu ihrem bald erscheinenden Album “Suburbia Calling” und die anstehende Show gesprochen.
Rat Boy (Foto: Gavin Watson)
Rat Boy (Foto: Gavin Watson)

Hallo zusammen, ihr spielt bald eure Show beim Reeperbahn Festival. Wie laufen die Vorbereitungen?

Jordan Cardy: Ich würde sagen, wir sind zu 50 Prozent bereit.

Noah Booth: Na ja, ich würde sagen sechs von zehn Punkten.

Also, lasst uns zuerst ein paar Lücken füllen: Nach dem bislang letzten Album von 2019 wurde es wieder etwas ruhiger um Rat Boy. Dann habt ihr zusammen eine Platte als Lowlife aufgenommen und jetzt seid ihr alle Rat Boy. Wie kam es dazu?

Jordan: Also es war vor allem die Pandemie und dann ist für eine Weile nichts mehr passiert. Die Zeit ist uns davon gelaufen. Letztlich haben wir einfach angefangen, eine neue Platte aufzunehmen. Das Lustige an all den frühen Rat-Boy-Sachen ist ja, dass wir bereits alle zusammen gespielt haben. Jetzt dachten wir, dass es diesmal schön wäre, es offiziell als Band aufzunehmen und alles zusammen zu machen.

War es eure Idee, jetzt auch Rat Boy als Band weiterzuführen? Die Idee zu Lowlife soll ja von Tim Armstrong gekommen sein.

Jordan: Ich glaube, er fand uns als Band schon immer gut, oder? Liam und Harry spielen schon seit ihrer Schulzeit zusammen. Wir waren schon immer eine Art Band, wir haben es nun nur offiziell gemacht.

“Suburbia Calling” hat – nicht nur wegen des Covers – einen explizit britischen Vibe, weil es ganz offenbar von eurer Heimat Essex inspiriert ist. Nehmt uns mal mit: Was macht Essex für euch aus?

Jordan: Es war einfach, darüber zu schreiben. Alle Songs sind ziemlich schnell entstanden. Wir kommen ja alle aus Essex. Es ist also ein sozialer Kommentar zu unserer Heimat. Ich habe nicht versucht, Popsongs zu schreiben, sondern eher etwas, das Geschichten erzählt. Es macht einfach Spaß, über Dinge zu schreiben, die man sieht.

Und diese Figuren, über die du schreibst. Glaubst du, dass sie speziell an Essex gebunden sind?

Harry Todd: Eigentlich gibt es die überall.

Noah: Wirklich? (lacht)

Harry: Einige von ihnen auf jeden Fall.

Noah: Ich schätze schon, ja.

Jordan: Essex ist wirklich klischeehaft.

Ich glaube, das Gleiche gilt für Teile der Reeperbahn. Wart ihr schon mal dort?

Jordan: Ja, wir haben dort 2019 gespielt … oder?

Noah: Ich bin mir sicher, dass wir ein paar Mal in Deutschland gespielt haben.

Liam Haygarth: Wir haben dort eine Posaune gekauft. Daran kann ich mich erinnern.

Noah: War das die Show, die abgesagt wurde? War das die blaue Posaune?

Jordan: Sie hatten blaue Posaunen in dem Musikgeschäft, in dem ich einmal geübt habe. Die Posaune wurde am Ende nicht viel benutzt. Wir haben aus den Posaunen aber so etwas wie einen Flammenwerfer gemacht: Man muss nur Haarspray hinein sprühen, anzünden und reinpusten. Das war gut.

Können wir etwas Ähnliches für eure Show in Hamburg erwarten?

Harry: Vielleicht noch eine Posaune. Vielleicht eine Flöte. Vielleicht etwas Deutsches.

Noah: Was?

Jordan: Ich weiß gar nicht, was ich von der Show erwarten soll, um ehrlich zu sein. Wir werden versuchen, es so lebendig wie möglich zu gestalten. Im Grunde ist es ein 50-Minuten-Set, aber wir werden versuchen, unser Equipment vorher zu zerstören. So ab der Hälfte.

Liam: Nein, dann kommt ein Schlagzeugsolo.

Noah: 20 Minuten Schlagzeugsolo.

Harry: Und wir setzen auch die Bläser ein.

Noah: Und Pyrotechnik!

Harry: Klarer Fall!

Ihr spielt also in einer ziemlich berüchtigten Gegend in Deutschland. Ich hatte das Gefühl, dass einige eurer neuen Songs auch dort funktionieren würden. Zum Beispiel “Badman”. Worum geht es darin?

Jordan: (überlegt) Also es geht irgendwie um einen Drogendealer. Er macht immer die gleichen Dinge falsch und irgendwann holt es ihn ein. Aber wir singen es auf eine wirklich sarkastische, fröhliche Art und Weise. Der Text wird allerdings sehr deprimierend. Deshalb wollten wir auch ein traurigeres Musikvideo machen.

Ich kann mir eure neuen Songs auch als Soundtracks zu Filmen von Guy Ritchie vorstellen. In welcher Art von Film würdet ihr eure Songs gerne hören?

Jordan: Wir beziehen uns in unseren Musikvideos oft auf Guy Ritchie. Wir versuchen immer, eine billige Version von ihm zu sein. Wir haben eines der Videos vor einiger Zeit in einem Juweliergeschäft in Essex gedreht. Wir haben alles in Essex gedreht, aber für die Aufnahmen des Albums sind wir nach London gefahren.

Noah: Das hat mir nicht gefallen. (lacht)

Nachdem ihr euch mit eurer Zusammenarbeit mit Tim Armstrong wahrscheinlich einen Kindheitstraum erfüllt habt, habt ihr wieder mit Stephen Street zusammengearbeitet. Wolltet ihr einen Produzenten aus der Region oder woher kam die Entscheidung? Tim kennt sich schließlich gut mit Ska aus.

Jordan: Wir haben schon 2016 mit Stephen gearbeitet. Wir kannten ihn also schon und er war sehr geduldig mit uns. Offensichtlich sind wir jetzt sehr viel reifer … (lacht)

Noah: Aber das muss damals doch schon furchtbar für ihn gewesen sein mit uns.

Jordan: Vieles, an dem er bereits gearbeitet hat, war eine Inspiration für diese Platte: Blur, Kaiser Chiefs, The Smiths. Vieles von dem, was wir hören, hat er gemacht. Um diesen Sound zu bekommen, war es einfach sinnvoll, ihn mit einzubeziehen. Das ist auch gut so, denn die Songs waren hauptsächlich Schlafzimmer-Demos und Live-Aufnahmen, die wir im Studio gemacht haben. Wir hatten viele Stunden Material. Er ist aber ein wirklich geduldiger Mensch. Er hat sich alles angeschaut und einen Sinn darin gefunden. Ich glaube nicht, dass wir es ohne ihn fertiggestellt hätten. Wir hätten uns einfach ablenken lassen und andere Sachen angefangen, anstatt uns der Sache zu stellen und sie zu beenden. Das war schon immer ein Problem. Darum gibt es auch erst drei Alben. Es gibt jede Menge Ideen, aber wir müssen erst einige Sachen fertigstellen, bevor wir anfangen, uns andere Sachen anzuhören.

Glaubt ihr, dass ihr generell so eine geduldige Person um euch herum braucht?

Harry und Noah: Ja!

Jordan: Einfach geduldige Leute im Allgemeinen. Nicht nur einen Produzenten. (lacht) Ich habe auf jeden Fall versucht, am Ende eine Menge zu ändern. Was irgendwie nervig ist. Aber er hat dafür gesorgt, dass es sich gut anhört.

Ihr hattet vor einer Weile einen Instagram-Post, in dem ihr offenbar Ärger bekommen habt, weil ihr nicht genug Social-Media-Inhalte filmt. Was war da los?

Jordan: Naja, wir müssen einfach mehr Inhalte machen. Als wir vor etwa zehn Jahren mit der Band angefangen haben, haben wir nur Instagram gemacht und jetzt habe ich das Gefühl, dass es eine andere Welt ist, wie die Leute Musik promoten. Ich glaube, wir haben damals immer herumgespielt. Es gab nie ein Treffen, um darüber zu sprechen, dass etwas viral wird oder so. Wir gingen auf ein Festival, nahmen unsere Skateboards mit oder gingen etwas trinken und filmten alles. Wir haben alles gefilmt. Es gibt ein Video von Noah, das etwa 2 Millionen Aufrufe hat, in dem er über ein paar Stühle fällt. So etwas kann man nicht planen. Damals war es einfacher. Ich denke, es wird viel einfacher werden, wenn wir anfangen, mehr zu touren. Denn wenn man in einem Raum sitzt und sich denkt: „Genau, das müssen wir heute machen“, dann funktioniert das nicht.

Noah: Es ist auch nicht so einfach, vor der Kamera zu sprechen.

Jordan: Ja, wir sind ziemlich unbeholfen in solchen Dingen.

Harry: Irgendwie komisch …

Jordan: Ja, es ist schwer. Wir spielen einen Gig und versuchen, zwischen den Songs zu reden. Es ist einfach, die Songs zu spielen, aber mit Leuten zu reden, die einen anstarren, ist wie „Eh, ich muss mal raus. Danke schön!“

Ein Showcase-Publikum wie beim Reeperbahn Festival kann ja auch immer etwas schwierig sein.

Jordan: Du versuchst uns jetzt Angst zu machen. (lacht) Aber wir haben dort schon gespielt, glaube ich…

Noah: Wie auch immer, er hat keine Erdnussallergie!

Ok, gut zu wissen!

Jordan: Ich habe kürzlich herausgefunden, dass ich keine Erdnussallergie habe, nachdem ich 28 Jahre lang dachte, ich hätte eine.

Und was ist mit Shrimps? Das geht oft Hand in Hand, hörte ich.

Jordan: Nein, ich habe vorhin sogar noch ein paar Krabben gegessen. Ehrlich gesagt glaube ich, dass ich gegen nichts allergisch bin. Und ich kann jetzt wieder in Flugzeuge einsteigen!

Du hattest also Angst vorm Fliegen?

Jordan: Nein, nur für den Fall, dass es im Flugzeug Erdnüsse gibt – oder im Touring-Van. Damals war ich eine kleine Zicke, um ehrlich zu sein.

Harry: Er hat verdammt noch mal gelogen.

Jordan: Ich war kein Lügner. (lacht)

Harry: Ich wusste es die ganze Zeit schon.


Verstehe, aber woher kamen denn jetzt die starken Specials- und Ska-Einflüsse auf dem Album?

Jordan: Ich glaube, das war schon immer da. Sogar auf dem ersten Mixtape gab es einen richtigen Ska-Song. Ska war unser erster Einfluss. Vor allem The Specials. Aber wir haben immer versucht, die Genres ein bisschen zu vermischen. Es war immer wie ein Potpourri aus verschiedenen Ideen, aber wenn man die Sachen auf die Zeit zurückführt, in der wir als Band spielten, dann ist es einfach Indie oder Ska.

Noah: Die Ska-Basslinien waren immer da.

Jordan: Ja, die Basslines. Es gibt ein Mixtape mit dem Namen “Neighbourhood Watch”, das ist in meiner Soundcloud, wo das drauf ist.

Noah: Welche Songs sind da nochmal drauf?

Jordan: “Knock Knock” und “Fake ID”. “Fake ID” ist eigentlich ein sehr gutes Beispiel dafür.

Noah: Stimmt!

Jordan: Es hat ein Mr. Symarip-Sample von “Skinhead Moonstomp”.

Also Ska war schon immer ein Thema bei euch, aber dieses Mal ist es noch viel direkter.

Noah: Wir sind einfach mit Ska aufgewachsen.

Jordan: Ja, dafür wird die nächste Platte vielleicht gar kein Ska. Nein, das war nur ein Scherz! (lacht) Vieles von dem neuen Zeug ist eigentlich genau so. Sogar noch viel stärker im Ska verwurzelt.

Welche Rolle spielt denn eigentlich Tim Armstrong für dich als Einfluss?

Jordan: Er macht immer irgendetwas. Er hat mit den Transplants ein HipHop-Projekt, er hat Rancid, er hat eine Ska-Band. Wenn er etwas machen will, dann macht er es einfach. Diese ganze Mentalität ist eine ganz große Inspiration für mich.

Können wir noch einmal einen Blick zurück werfen? Hätte sich der junge Rat Boy hinter dem Pub-Tresen im Weatherspoons jemals eine solche Karriere vorstellen können?

Jordan: Ich durfte nicht hinter den Tresen. Ich habe immer wieder gefragt, aber man hat mich einfach in die Küche geschickt. Ich glaube, ich war zu seltsam. Zu unbeholfen.

Und die anderen Jungs?

Harry: Ich habe hinter der Theke gearbeitet!

Jordan: Das wusste ich gar nicht! Aber ja, ich glaube nicht, dass wir jemals damit gerechnet haben, dass wir Gigs spielen würden. Vor allem als wir das Mixtape gemacht haben und sechs Monate lang nichts passierte. Es fühlt sich so an wie: “Oh, das hat Spaß gemacht und das war’s dann.” Aber dann hat sich das plötzlich alles geändert und die Leute haben angefangen, sich für uns zu interessieren. Wir haben also nie damit gerechnet, Konzerte zu spielen. Ursprünglich. Tatsächlich auf Tour zu gehen und Konzerte zu spielen, war ein bisschen überraschend am Ende.

“Suburbia Calling” erscheint am 4. Oktober über Hellcat.

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