Für VISIONS 246 haben wir im September 2013 mit Mike Ness über seine Sammelliebe gesprochen.
Mike, woher kommt deine Vorliebe für Vintage-Artikel? Wann hast du angefangen, dich für Gegenstände aus den 20er, 30er und 40er Jahren zu begeistern?
Mike Ness: Ich glaube, das muss vor ungefähr 20 Jahren gewesen sein. Damals bin ich vom ich-bezogenen, arroganten Sack zu einem halbwegs toleranten, entspannten, interessierten Typen mutiert. Ich habe mich plötzlich für die Architektur und Kultur anderer Länder interessiert, anstatt alles, was nicht aus Kalifornien kam, abzulehnen. Ungefähr zu dieser Zeit habe ich auch die Handwerkskunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu schätzen gelernt. Damals waren die Hersteller darauf bedacht, ihre Produkte mit langer Lebenszeit zu versehen, sie wollten Qualität abliefern, nicht Masse. Das, was man dagegen heute von der Automobil- oder Möbelindustrie vorgesetzt bekommt, ist Wegwerfware.
Was genau umfasst deine Sammlung? Worauf hast du dich spezialisiert?
Die Frage ist wohl eher, was ich nicht sammle. (lacht) In dieser Hinsicht gibt es für mich kein Limit. Wenn mir etwas gefällt, möchte ich es haben. Mein Buchhalter versucht seit Jahren, mir ein monatliches Budget für neue Objekte aufzudrängen. Es muss ganz schön frustrierend für ihn sein, dass er mich nicht in Zaum halten kann. Aber wenn ich etwas Schönes entdecke, kann einfach nicht widerstehen. Das können Autos sein, Kunst oder alte Möbel.
Hast du mal überschlagen, wie viel Geld du bisher in deine Sammlung investiert hast?
Das müssen Hunderttausende sein. Alleine meine Autos haben einen Wert von weit über einer Viertelmillion Dollar. Dazu die Gitarren, die Verstärker…
»Vielleicht werde ich eines Tages in einer dieser TV-Sendungen landen, wo Müllmänner die Bude eines Messis entrümpeln.«
Mike Ness
Damit hast du sicher einen stattlichen Hausrat angehäuft. Wo findest du neue Artefakte? Bei Ebay? Gehst du auf Auktionen? Tauschst du mit anderen Sammlern?
Von allem ein bisschen. Außer Ebay vielleicht, denn mir fehlt die Zeit, um vor dem Computer zu sitzen. Ich versuche mein Glück lieber auf traditionelle Art und Weise, durchforste Garage-Sales der Nachbarschaft, gehe auf Flohmärkte oder stöbere in alten Scheunen. Ich habe eine Ranch in Nord-Kalifornien, in einer sehr ländlichen, einsamen Gegend. Dort kann man tolle Sachen schießen, man muss nur die Augen offen halten.
Was sind die Highlights deiner Sammlung?
Ich habe neulich, nach elendig langer Suche, endlich eine Original-Beauty-Bar gefunden. Das ist eine Art Schrank, in dem eine Dame in den 40er und 50er Jahren das aufbewahrte, was ihr eben wichtig war: Schmuck, Make-up, Wäsche. Das Ding ist groß, fast drei Meter breit, mit abgerundeten Ecken und Glasscheiben oben und an den Seiten. Ich benutze den Kasten, um Miniatur-Schaufensterpuppen darin auszustellen. Die sind knapp einen Meter groß, wunderschön, und wurden gefertigt, um glamouröse Damenmode an ihnen zu präsentieren, vornehmlich Unterwäsche. Manche sind also halbnackt, oder ganz nackt. Oder man benutzte nur den Kopf der Puppe, um die aufwändig hochgesteckten Frisuren zu präsentieren. Es gab auch männliche Mini-Mannequins, davon habe ich auch ein paar.
Wo stellst du deine neuen Errungenschaften auf? Wird es nicht langsam zu eng in deinem Haus?
Das meiste kommt in mein Studio. Dort sind fast alle meiner Lieblingsstücke auf- und ausgestellt. Sie inspirieren mich, wenn ich an neuen Liedern arbeite, Texte schreibe. Dann schaue ich mich um, lasse all das auf mich wirken und spüre, wie es mich stimuliert. Ich bin umgeben von allen Facetten meiner Leidenschaft, von Kunst, Musik, Instrumenten, und es macht mich sehr glücklich, all das um mich zu haben. Und es zu bewahren, wie ein Aufseher.
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Hast du dir mal überlegt, warum dich all diese Relikte glücklich machen? Lebt Mike Ness gerne in der Vergangenheit? Erinnert er sich oft an “die gute, alte Zeit”?
Nicht alles in meiner Vergangenheit war gut, nicht alles war schlecht. Ich glaube, ich habe im Laufe der Jahre eine Zuneigung zu den Dingen entwickelt, weil ich mich parallel dazu weiter von den Menschen entfernt habe. Irgendwo auf der Strecke habe ich das Vertrauen zu ihnen verloren. Meine Sammlung hingegen würde mich nie enttäuschen, sie ist immer für mich da, in jeder Lebenslage.
Was fasziniert dich am meisten an den 20er bis 50er Jahren? Gibt es neben der Mode oder dem Design der Autos auch einen sozialen Aspekt deiner Leidenschaft?
Kennst du den Film “Midnight In Paris” mit Woody Allen? Darin kreiert Allen seine romantische Vision des Paris der 20er Jahre und wie es sich damals in der Stadt gelebt haben muss. Mir geht es ähnlich. Manchmal stelle ich mir vor, wie es in Kalifornien ausgesehen hat, damals, Mitte der 40er: diese wunderschöne, unberührte Natur. Der viele Platz, den man hatte, weil die Gegend noch nicht überbevölkert, verbaut und so ein Rattenloch war wie heute. Ich glaube, das sind Aspekte der Vergangenheit, die ich gerne noch einmal erleben würde, obwohl ich natürlich weiß, dass sich diese Epoche niemals wiederholen wird.
Vielen Sammlern fällt es schwer, sich von bestimmten Gegenständen zu trennen. Bist du auch jemand, der schwer oder gar nicht loslassen kann?
Ich habe kein Problem damit, mich von einer Sache zu trennen, wenn ich weiß, dass ich sie in ein neues, gutes und wertschätzendes Zuhause abgeben kann. Es gibt also, wenn man so will, eine Fluktuation in meiner Sammlung, wenn auch nur eine sehr geringe. Ich denke, so geht es jedem Sammler: je länger er dabei ist, desto mehr verfeinert er seinen Geschmack, desto mehr achtet er auf Details und konzentriert sich auf eine bestimmte Epoche oder ein besonderes Modell. Ein Beispiel: Ich habe vor einigen Jahren damit angefangen, goldene Uhren aus den 40ern zu sammeln. Wenig später mussten es Schweizer Uhren sein, und schließlich spezialisierte ich mich auf alte Rolex-Uhren, und dabei blieb ich. Man erfährt also ein stetes Upgrade in seiner Leidenschaft, seines persönlichen Geschmacks und entwickelt parallel ein enormes Inselwissen, das man am liebsten stundenlang mit Gleichgesinnten diskutiert.
Was passiert mit deinen Schätzen, wenn es dich eines Tages nicht mehr gibt, Stichwort: “Can’t Take It With You”, wie du in deinem gleichnamigen Song festgestellt hast. Wird es eines Tages ein Mike-Ness-Museum geben, in dem deine Sammlung für die Nachwelt erhalten bleibt?
Ein Museum wäre schon cool, obwohl ich meine Heiligtümer nur ungern teile. Für mich ist das alles eine sehr private Angelegenheit. Aber ein Buch mit Fotos meiner Sammlung wäre ein Projekt, auf das ich große Lust hätte. So können unsere Fans eine Verbindung herstellen zwischen mir, meinen Sammlerstücken und meinen Songs, zwischen Objekt und Emotion sozusagen. Vielleicht werde ich eines Tages aber auch nur in einer dieser TV-Sendungen landen, wo ein paar Müllmänner die Bude eines Messis entrümpeln. (lacht)