Es kommt auf die Perspektive an. Entfernt sich die Spirale eigentlich immer weiter von ihrem Zentrum oder kommt sie ihm immer näher? Und steht dieser scheinbar endlose Kringel für Verwirrung und Chaos oder doch eher für Wachstum? Gar für so etwas wie Wiedergeburt und die Ewigkeit? Spiralen sind überall. In der Kunst, in der Architektur, im Film: Die Schlange Kaa hypnotisiert im Dschungelbuch den kleinen Mogli mit Spiralen in den Augen, Horrorfilme wie “Saw” nutzen die roten Endlosschleifen für ihre ganz eigene Ikonographie und grotesk verdrehte Philosophie. Gewissermaßen ist aber auch die Zahl sechs eine kleine Spirale, je nachdem, wie genau man sie schreibt oder zeichnet.
Touché Amoré widmen ihr sechstes Album der Spirale. Dem Gefühl, sich vorwärtszubewegen, während die Dinge um einen herum immer chaotischer werden, instabil, sich unkontrolliert drehen. “Spiral In A Straight Line” heißt es. Die sechste Platte einer Band, die auf ihren bisherigen Veröffentlichungen die Gefühle von Heimatlosigkeit daheim und Heimatlosigkeit unterwegs vertont hat, davon singt, doch so langsam Zufriedenheit zu finden, aber dann den Boden unter den Füßen zu verlieren, weil die eigene Mutter an Krebs stirbt. Und dann den Umgang mit den eigenen Gefühlen zu lernen, während die Welt immer weiter ins Chaos abdriftet, man weitere Familienmitglieder statt an eine tödliche Krankheit an die Republikaner verliert – und dabei doch irgendwie Jahr für Jahr älter wird. Seit 2007 stürzen sich Touché Amoré mit voller Wucht rein in die komplizierte Gefühlslage einer Band, die ihren Sturmdrang in schlagkräftigen Post-Hardcore kleidet, der blitzschnelle Haken schlägt und gerade in seinen Anfangszeiten Gift und Galle spuckt, mit intimen Songtexten das Innerste ins Äußerste kehrt, dabei aber auch immer mit cleveren Breaks und melodischen Post-Rock-Figuren spielt.
Als „The Wave“ bezeichnete man um 2011 herum diese, nun ja, Welle an US- Bands, eine neue Art emotionaler Clique deren Gallionsfiguren La Dispute, Defeater, Title Fight, Pianos Become The Teeth, Make Do And Mend und eben Touché Amoré heißen – ein erweiterter Freundeskreis an zahlreichen anderen Bands inklusive, der fortan mit auf Tour fuhr, wenn Alben wie “Wildlife”, “Empty Days & Sleepless Nights”, “Shed”, “The Lack Long After”, “End Measured Mile” oder “Parting The Sea Between Brightness And Me” in kleinen Clubs gespielt wurden. Der Name war ein Insider-Witz, der sich verselbstständigte und sich inzwischen auch schon wieder totgelaufen hat, aber man packt Musik nun mal so gern in die passenden Schubladen, auch wenn sie dafür zunächst womöglich erst geschaffen werden müssen. Doch es eint sie ja so viel: den Mut, Hardcore weiterzudenken, ganz nah ranzuzoomen aufs eigene Gemüt, es erst in die Arme zu nehmen und dann mit dem Flammenwerfer draufzuhalten. Geschichten zu erzählen, die es wert sind, und vom Privaten heraus so viel über die Öffentlichkeit, Gegenwart und Gesellschaft zu erzählen, dass es wehtut.
Älter werden
Bis zum sechsten Album hat es aus dieser Gruppe heraus noch niemand geschafft. Touché-Amoré-Sänger Jeremy Bolm ist das bewusst. „Uns ist klar, dass viele Punk- und Hardcore-Bands selten mehr als zwei oder drei Alben schreiben. Dass wir jetzt beim sechsten angelangt sind, ist wirklich verrückt. Und: Sechs ist meine Lieblingszahl, also habe ich alles gegeben, um die Zahl auch würdig zu repräsentieren.“ Bolm trägt inzwischen Glatze, ist im April 41 Jahre alt geworden und scherzt, wie er das Altern für die anderen Bandmitglieder übernehme, die ihren „jugendlichen Charme“ behalten hätten, wie er sagt. Der eigentliche Nachtschwärmer gewöhnt sich dieses Jahr das frühe Aufstehen an und erledigt in den kalifornischen Morgenstunden die Arbeit, die ein neues Album einer Band mit sich bringt – und die neben der eigentlichen Musik im Proberaum, auf Tour und im Studio ganz unromantisch aus E-Mails und Organisatorischem besteht, wie manch anderer Job ebenfalls. Viele der „The Wave“-Bands, sagt er, waren nie so lange Zeit pausenlos aktiv wie die dauertourende Maschine Touché Amoré, einige Mitglieder anderer Bands haben schon früh Kinder gekriegt – und erst jetzt, während der Albumaufnahmen, hat seine Band mit Schlagzeuger Elliot Babin ebenfalls einen Vater in den Reihen. „Das ist so verrückt. Wir freuen uns alle sehr für ihn!“
Dass die Band aus Los Angeles altert, daran ist kaum zu denken, wenn man “Spiral In A Straight Line” hört. Das Album ist oft schnell und heftig, hat aber selbst in vergleichsweise langsameren Songs wie “Altitude” oder “Force Of Habit” einen brutalen linken Haken. Lieder wie “Disasters”, “Mezzanine” oder “Finalist” gehören zu den durchschlagkräftigsten Schienbeintritten aus Touché Amorés bisherigem Schaffen. Gleichzeitig bewahren sie sich mit den Singles “Nobody’s” oder “Hal Ashby” den Hang zur Eingängigkeit. Poppig ist das nicht, aber melodiös und catchy. Zudem, und das ist weiterhin der Unterschied zu den wuchtigen Anderthalbminütern der Anfangsphase, traut sich die Band immer mehr, Refrains zu wiederholen, in C-Teilen Luft zu holen, Songs sicher ins Ziel zu bringen. „Für mich fühlt sich die Platte wie ein Mix aus ‘Parting The Sea Between Brightness And Me’ und ‘Stage Four’ an“, sagt Bolm. „Es ist so, als hätten wir während ‘Parting The Sea’ gewusst, wie man Songs schreibt“, ergänzt er und muss darüber lachen.
»Je älter ich werde, desto öfter denke ich, dass es Dinge gibt, die ich lieber für mich behalte.«
Jeremy Bolm
„Weißt du, die meisten Songs entstehen weiterhin, weil jemand einfach eine gute Idee mitbringt und wir sie gemeinsam ausarbeiten. Aber wir machen uns darüber hinaus inzwischen viel mehr Gedanken. Warte, ich zeig dir mal was.“ Bolm scrollt durch sein Smartphone, bis er eine frühere Version von “Altitude” gefunden hat. Klickt sie an. Hält die Telefonboxen in die Kamera. Er guckt konzentriert und fragt nach einer Weile: „Hörst du, was ich meine?“ Leider nicht. Im Videochat kommt nichts aus den Boxen. „Seltsam, ich glaube, Zoom filtert fremde Audiodateien einfach raus.“ Ironisch, wie die künstliche Intelligenz versucht, das Urheberrecht zu wahren, wenn doch der Urheber direkt vor dem Bildschirm sitzt. „Na ja. Was ich zeigen wollte: ‘Altitude’ war mal ein richtig schneller Punk-Song, fast so wie ‘Disasters’. Aber dann haben wir geguckt, wie es klingt, wenn wir ihn verlangsamen und ihm vielleicht eine Art Deftones-Energie verleihen. Wir probieren inzwischen aus, was passiert, wenn man schnelle Songs langsam oder eben ruhige Songs schnell spielt. Diese Art von Dekonstruktion zeigt sehr gut, welches Potenzial
eigentlich in einem Lied steckt.“
Dabei entsteht ein Sound, der das Gefühl, sich gleichermaßen in einer Spirale und
dabei doch irgendwie geradeaus zu bewegen, auf den Punkt bringt. Es gehe, so Bolm, um die überwältigende Angst, der man angesichts der weltpolitischen und gesellschaftlichen Entwicklungen ausgesetzt sei, das fortwährende Gefühl einer Bedrohung, von Stress, von Trauer. „Viele von uns haben ja die Angewohnheit, gleich morgens zum Handy zu greifen und direkt zu lesen, was wieder alles Schreckliches in der Welt geschehen ist. Ich glaube, wir tun uns das schon seit so vielen Jahren an, dass es das Gehirn einfach so programmiert, dass man mit einem gewissen grundsätzlichen Unbehagen durch den Tag geht, auch wenn man so tut, als wäre immer alles okay. Darüber habe ich viel nachgedacht, als ich die Texte zum Album geschrieben habe.“
Im Kreis drehen
Der erste Song, zu dem er sich die passenden Worte überlegt hat, war “Altitude”: „I start to descend/ And as I find my balance I present confident/ And that’s the challenge/ […] I spiral in a straight line/ Like some clever reaction/ I didn’t know how to feel/ Was I impressed that it happened?“, heißt es darin und gibt dem Album seinen Titel. „Als ich den Song zum ersten Mal Freunden vorgespielt habe, sind sie aufmerksam geworden. Und das ist immer wieder passiert. Da wusste ich, dass das der Albumtitel sein könnte, und das hat die weiteren Dinge beeinflusst. Viele Themen auf dem Album wiederholen sich, es geht viel darum, dass man sich um sich selbst dreht.“ Das geht so weit, dass Bolm zum ersten Mal auch bewusst Worte wiederholt und die Spirale damit auch in die Art zu texten mit hineinnimmt. „As I fixate on the road ahead/ It just winds and winds and winds and winds“, heißt es etwa in Nobody’s, „We’re tangled up and it’s not easy/ It’s not easy“ in “Mezzanine”. „Das ist wie ein Leitmotiv auf dieser Platte geworden. Es gibt diese kleinen Wiederholungen, die sich wie eine Spirale durch einige Songs der Platte drehen.“
»Viele Themen auf dem Album wiederholen sich, es geht viel darum, dass man sich um sich selbst dreht.«
Jeremy Bolm
Die Spirale bricht sich in den Texten der Platte aber auch auf andere Weise Bahn. Viele Lieder, darunter “Nobody’s”, “This Routine”, “Subversion (Brand New Love)” oder “Goodbye For Now” behandeln Trennungen, beendete Beziehungen und den Versuch eines Neuanfangs. Darauf angesprochen muss Bolm erstmal überlegen, wie er darauf jetzt antwortet. Schließlich ist er als Texter und Sänger der Band inzwischen bekannt dafür, die intimsten Gedankengänge – man denke an “Stage Four”, das schonungslos minutiös und detailliert die Krebserkrankung seiner Mutter, ihren Tod und seinen Umgang damit zum Thema hatte – in den Liedern zu teilen und auch im Anschluss sehr offen darüber zu sprechen. Aber diesmal nicht. „Ich weiß, ich war immer extrem transparent und habe offen über alles gesprochen, was so los ist. Aber je älter ich werde, desto öfter denke ich, dass es Dinge gibt, die ich lieber für mich behalte.“
Aber Bolm wäre nicht Bolm, würde er das nicht zumindest ausgiebig erklären, auch wenn er dabei nicht mehr direkt in die Videochat-Kamera schaut, sondern lieber daran vorbei: „Wir leben in dieser Social-Media-Welt, in der jede und jeder denkt, alles erzählen und sich zeigen zu müssen. Aber wenn eine Beziehung endet, in der es schließlich viel Liebe gab oder gibt, je nachdem, wie sie endet, will man diese Dinge ja auch näher bei sich halten und keine Performance daraus machen und sich weiter erklären. Auf dem Album geht es aber trotzdem darum, dass das Ende einer Beziehung nicht bedeutet, dass das Wachstum aufhört, sondern, dass man die Zeit trotzdem wertschätzen kann. Ich will zeigen, dass sich Liebe auch in andere Gefühle verwandeln und man daraus zu einem besseren Menschen werden kann.“ Bolm ringt ein wenig mit den Worten, findet noch nicht die ganz passende Beschreibung, sieht aber auch: „Es ist ein seltsamer Zwiespalt, ich weiß: zu versuchen, ein Album über etwas zu schreiben, das man eigentlich für sich behalten möchte.“ Oder, um es mit der zentralen Zeile der Albumeröffnung zu beschreiben: „We’re nobody’s business.“ Aus dem Rest kann man sich in den Texten seinen eigenen Reim machen.
Fan bleiben
Über die kleinen und großen Entstehungsgeschichten der Songs spricht Bolm trotzdem gern, fragt man ihn etwa nach dem aus dem Album herausragenden “Subversion (Brand New Love)”. Nach acht zumeist sehr brachialen Stücken erklingen auf “Spiral In A Straight Line” ruhige Gitarrentöne. Bolm schreit nicht, er singt zaghaft: „I had a dream we were finally talking/ But I couldn’t hear you and you couldn’t hear me.“ Und dann die mantramäßig wiederholte Refrain-Zeile: „It’s aching differently this time.“ Bolm singt darüber, wie der Sebadoh-Song “Brand New Love” läuft, als er mit dem Flieger in Adelaide in Australien landet. „Am I displaying progress or subverting silence?/ I can’t see beyond the years behind me.“ Nochmal der Refrain, es wird lauter, es steigert sich, der Sänger beginnt wieder zu schreien. Und dann durchbrechen Touché Amore im C-Teil quasi die vierte Wand: Indie-Rock-Legende Lou Barlow, unter anderem bei Dinosaur Jr. und eben Sebadoh tätig, singt im Hintergrund den Refrain von ebenjenem “Brand New Love”, er fügt sich erstaunlich geschmeidig da rein: „Any thought could be the beginning/ Of the brand new tangled web you’re spinning/ Anyone could be a brand new love/ Follow what you feel, you alone decide what’s real/ Anyone could be a brand new love.“ Es ist, vermutlich gerade weil es so einen harten Kontrast zum Rest des Albums darstellt, wohl der eindringlichste und intensivste Song der Platte.
Bolm kommt aus dem Grinsen kaum raus. „Dass Lou diesen Part singt, ist wohl mein Lieblingsmoment all unserer Alben. ‘Brand New Love’ ist eines meiner zehn Lieblingslieder aller Zeiten. ‘Subversion’ habe ich geschrieben, als wir im März in Australien waren. Ich habe zwar keine Flugangst, aber wenn wir zur Landung ansetzen, höre ich oft einen meiner Lieblingssongs, einfach für den Fall, dass dann doch mal etwas schief geht. Also habe ich beim Anflug auf Adelaide ‘Brand New Love’ angemacht, ein Song, in dem es, soweit ich ihn verstehe, darum geht, eine neue Liebe zu finden, wenn man nicht damit rechnet.“ Und besonders der Refrain hat es Bolm angetan. „Ich hörte mir dann das Ende von ‘Subversion’ an, wo alles groß und laut wird, und ich dachte nur: ‚Oh mein Gott, ich glaube, man kann den Refrain über dieses Outro legen.‘ Klar, das sind zwei völlig unterschiedliche Songs, aber irgendwie fühlt es sich richtig an.“ Bolm stellt die Idee der Band vor. „Bin ich verrückt oder funktioniert das wirklich? Weil: Ich bin der Sänger, ich habe keine verdammte Ahnung, ob das die richtige Tonlage ist oder sonst was für ein Bullshit. Aber die anderen glaubten glücklicherweise auch, dass es funktioniert.“
So tasteten sich Touché Amoré an den Indie-Coup langsam heran: Alex Estrada, mit dem sie einst ihr Debütalbum “…To The Beat Of A Dead Horse” aufgenommen haben, produziert die Demos zur neuen Platte. Estrada singt den “Brand New Love”-Part ein, um die Idee einmal zu testen. „Und es hat funktioniert!“ Als es dann an die Albumaufnahmen geht, treibt Bolm die Idee weiter auf die Spitze: „Ich habe Lou Barlow also eine Mail geschrieben, so wohlüberlegt wie möglich: Ich weiß, es ist eine absurde Frage, aber: Willst du deinen Song über unseren Song singen? Und ich schickte ihm den Text und die Idee dahinter und schrieb, wie viel mir sein Lied bedeutet. Er war dafür und wollte es ausprobieren.“ Bolm kann es auch heute nicht fassen: „Diese Stimme auf unserem Song zu hören, das haut mich immer noch um.“
Es ist nicht die einzige Referenz, um nach dem Hören von “Spiral In A Straight Line” tiefer zu graben. So wie “Subversion” eben auf “Brand New Love” und damit auch auf Sebadohs 1992er Compilation “Smash Your Head On The Punk Rock” verweist, spielt auf “Mezzanine” der 1998 erschienene gleichnamige TripHop-Meilenstein von Massive Attack eine Rolle. Mit “Hal Ashby” wiederum zollen Touché Amoré einem von Bolms Lieblingsfilmemachern Tribut – und springen von den 90er-Referenzen ins New Hollywood der 70er. Ashby, der mit Filmen wie “Harold und Maude”, “Das letzte Kommando” oder “Willkommen Mr. Chance” herrlich verschrobene Charaktere auf die Leinwand brachte und ureigene Gesellschaftskommentare schaffte, spielt mit der nach ihm benannten Single eine große Rolle in der Albumkampagne zu “Spiral In A Straight Line”. In dem Anfang September erschienenen Musikvideo verneigt sich die Band mit reichlich Anspielungen auf seine Filme vor dem 1988 verstorbenen Regisseur. Das dazugehörige Poster, von denen die Band unter den Vorbestellenden der Platte einige verlost, ist dem von “Willkommen Mr. Chance” nachempfunden.
Die zentralen Zeilen „A misguided Hal Ashby catastrophe/ Not exactly something you plan to be/ You gotta handle it gracefully“ fassen alles Weitere zusammen: „Viele seiner Filme handeln von diesen im Kern sehr süßen, aber auch sehr tragisch missverstandenen Charakteren“, sagt Bolm. Man denke nur an den immer wieder seinen Selbstmord inszenierenden jungen Harold, der sich am liebsten auf Beerdigungen aufhält und einen Leichenwagen fährt, bis er sich in die lebensfrohe Seniorin Maude verliebt. Oder an den cholerischen und doch gutherzigen Navy-Matrosen Billy Buddusky aus “Das letzte Kommando”, der gemeinsam mit seinem Kameraden Mulhall den kleptomanischen und schüchternen 18-jährigen Meadows ins Militärgefängnis bringen soll, ihn dabei aber auf einen Umweg über Kneipen und ein Bordell mitnimmt. Oder eben der naive und durch und durch weltfremde Gärtner Chance, der im Quasi-Forrest Gump-Vorläufer “Willkommen Mr. Chance” versehentlich politische Karriere mit schlichten Garten-Metaphern macht, die das politische Washington D.C. als große Wirtschaftsweisheiten missversteht.
„Im Song selbst geht es um Missverständnisse, da klickte es einfach bei mir“, sagt Bolm. „Ich bin ein großer Fan von Hal Ashby und habe in den vergangenen Jahren seine Filme wieder und wieder gesehen. ‘Harold und Maude’ zum Beispiel ist ein für mich lebensverändernder Film. Ich mag die Idee, dass jemand, der diese Filme nicht kennt, den Song zum Anlass nimmt, sie sich einmal anzuschauen.“ Und weil das Motiv mit der Spirale so gut passt, dreht sich im Touché-Amoré-Kosmos auch die Personal-Schleife der Platte weiter: Julien Baker hat, nachdem sie bereits auf den Vorgängeralben “Stage Four” und “Lament” ausgeholfen hat, Gesang zum intensiven Albumschluss “Goodbye For Now”, der sich von einem Black-Metal-artigen Intro zu hochemotionalem Indierock steigert, beigesteuert. „Ja, das ist jetzt das dritte Mal in Folge“, sagt Bolm und muss lachen. „Sie ist inzwischen wirklich unser MVP, der in letzter Minute einspringt und den Song zusammenhält. Im Demo zu dem Song hat immer etwas gefehlt, das sie jetzt mit ihrer wunderschönen Stimme ausfüllt. Sie hat uns schon so viel gegeben, sie ist einfach super.“
Wie schon 2020 auf “Lament” hat Produzent Ross Robinson, mit dem Bolm inzwischen eine tiefe Freundschaft teilt, der Band auf ihrem sechsten Album zum passenden Sound verholfen. „Es gibt auf dem Album den Song ‘Force Of Habit’, in dem ich unter anderem davon singe, dass ich diese schreckliche Angewohnheit habe, mich im Auto zunächst nicht anzuschnallen. Ich habe darüber nachgedacht, dass diese Dinge, die für einen selbst so schwer abzulegen sind, auch die Leute um dich herum beeinflussen. Also fragte Ross die Band im Studio: Wer hier im Raum wäre froh, wenn Jeremy direkt den Sicherheitsgurt anlegen würde? Und jeder hob seine Hand. Er sagte: ‚Siehst du? Ich will, dass du weißt, dass wir uns Sorgen machen und wollen, dass du damit aufhörst, weil wir nicht wollen, dass dir jemals etwas zustößt.‘“ Bolm überlegt kurz. „Und das ist so typisch für Ross, er wusste, was es mit mir machen würde, zu sehen, wie viele Leute sich um mich sorgen. Das ist etwas, das ich mir merken werde.“