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20 Jahre Ipecac Recordings: "Es ist nichts falsch an Hintergrundmusik"

20 Jahre Ipecac Recordings: “Es ist nichts falsch an Hintergrundmusik”
Mit jeder Menge Humor, aber auch der gebotenen Ernsthaftigkeit, veröffentlicht das Label Ipecac seit 20 Jahren Musik, die fordert und sich jeder Form von Schubladendenken konsequent verweigert. Wir sprachen mit Greg Werckman, neben Mike Patton der Kopf und Gründer des Labels.
Foto: Ipecac

Greg, seit den Anfangstagen enthält die Ipecac-Website als Statement eures Selbstverständnisses die Kampfansage gegen “todlangweilige, musikalische Mittelklasse, fallende Verkaufszahlen, Major-Label-Fusionen und Indie-Label-Burnout.” Auch nach 20 Jahren scheint sich nicht wirklich viel verbessert zu haben. Konnte Ipecac dem denn etwas entgegensetzen?

Greg Werckman: Wir haben an der Webseite tatsächlich lange nichts gemacht, aber du hast recht, vieles hat sich nicht geändert. Die Entwicklung des Internets hat eher dafür gesorgt, dass uninteressanter Musik noch mehr Raum gegeben wird als vorher. Auf der anderen Seite hat es aber auch Möglichkeiten für Künstler geschaffen, die sonst keine Öffentlichkeit bekommen hätten. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass Ipecac auf die Entwicklung der Musikindustrie irgendeinen Einfluss hatte. Wir machen einfach unser Ding, wir sehen uns als Outlet für Kreativität und Einzigartigkeit und sprechen Leute an, die außerhalb von Schubladen denken wollen.

Ein Label bringt die Hörer ja prinzipiell immer in eine gewisse Erwartungshaltung. Man sucht nach einem verbindenden Element, einem bestimmten Sound, einer bestimmten Ästhetik. Ipecacs verbindendes Element war für mich immer die Herausforderung. Erwartungen an einen bestimmten Sound werden bei euch nicht befriedigt.

Es ist definitiv unsere Intention, keinen Trends zu folgen oder für einen bestimmten Sound zu stehen. Wir machen Sachen, die uns gefallen. Die gesamte Karriere von Mike folgt diesem Muster. Das macht es manchmal sicher schwer, unsere Platten zu vermarkten, aber es ist unser Weg. Als Musikfan, der ich nun mal bin, frustriert es mich regelrecht, zu sehen, wie viele Künstler versuchen, bestimmten Trends oder Sounds zu folgen und Sachen zu machen, die es schon gibt. Muss Musik fordern? Ich denke nicht. Musik ist Kunst. Kunst kann einfach strukturiert sein und dir helfen, einen Ort zu finden, an den du dich flüchten kannst. Es ist nichts falsch an Hintergrundmusik, aber ebenso wenig an Musik, die man sich erarbeiten muss und die unsere Wahrnehmung verändert. Das klingt jetzt ziemlich elitär und ich hoffe, wir wirken nicht so. Letztlich fallen unsere Platten in viele Kategorien.

Ipecac hat mit Fantômas, Queens Of The Stone Age, Melvins oder Isis Bands veröffentlicht, die kommerziell sehr erfolgreich waren. Andere Veröffentlichungen waren aus betriebswirtschaftlicher Perspektive sicher weniger erfolgreich. Haben Überlegungen zur ökonomischen Balance jemals eine Rolle gespielt?

Ipecac ist ein Geschäft. Wir müssen Rechnungen bezahlen. Wir wollen natürlich viele Platten verkaufen und jede Menge Geld machen. In einer perfekten Welt wären zum Beispiel Spotlights größer als Imagine Dragons. Aber wir lassen uns von solchen Überlegungen den Spaß an der Sache nicht vermiesen. Es gibt eine kommerzielle Balance und Erfolg bemisst sich für uns nicht nach Verkaufszahlen. Wir arbeiten mit großartigen Vertrieben und Leuten, die uns helfen, Dinge richtig einzuschätzen. Wenn diese Erwartungen befriedigt werden und die sehr starke Fanbase, die viele unserer Künstler haben, befriedigt wird, dann ist das alles, was zählt.

Du erwähntest vorhin das Internet. Mit den Möglichkeiten der Selbstvermarktung wurde öfter das Ende von Labels prophezeit. Die Realität sieht anders aus, wie auch eure nunmehr 20-jährige Geschichte zeigt. Was leisten Labels heute?

Wir haben immer versucht, für unsere Künstler mehr als nur eine Veröffentlichungsmaschine zu sein. Die meisten unserer Bands haben keine Manager. Bis auf wenige Ausnahmen halte ich Manager sowieso für überflüssig. Wir helfen unseren Bands, ihrem Schaffen Struktur zu geben, viele von ihnen interessieren sich nicht für geschäftliche Dinge und Notwendigkeiten. Wir übernehmen das gern und beraten. So lange ein Künstler glücklich ist, haben wir unseren Job erledigt. Im Gegenzug profitieren wir von der Öffentlichkeit, die ein Künstler bekommt.

Dieser Artikel stammt aus VISIONS 314.