Der eine schmal, der andere ein bisschen fester. Statt Strumpfmasken gleich die ganze Nylonhose übers Gesicht gezogen. Doppelalbum als Debüt. Songs über mit Fleisch gefülltem Fleisch, schön aggro rausgebrüllt. Augn kitzeln die Sinne, weil sie irgendwie Memes als Musik machen und irgendwie extrainteressant daherkommen in ihrer aufreizenden Anonymität. Wer mag dahinter stecken? Ehemalige Mitglieder von Deichkind und K.I.Z? Greifswalder Ex-Punks, die sich ihren Hobby-Hass versilbern lassen wollen? Oder irgendwelche findigen Musikindustrie-Fressen, die abwechselnd Audiolith und Heinz Strunk gehört und gedacht haben: Das können wir auch?
Wer sich vom Konzert in Berlin weiterführende Informationen erhofft hat, wird zunächst einmal enttäuscht, denn eigentlich ist die Veranstaltung nur so etwas wie eine glorifizierte Listening-Session. Der Monarch-Club, bekannt für gutes Billing und beengte Verhältnisse, hat die Fenster zur Straße abgeklebt, um die zwei zwielichtigen Figuren auf der Bühne ins rechte Licht zu rücken. Es sind Schaufensterpuppen mit umgehängten Instrumenten, die mit ihrer Maskerade die Bandmitglieder darstellen sollen, virtuelle Pappkameraden, die irgendein verschlafenes Uni-Seminar in Erinnerung rufen. Wie war das noch mal mit dem Medium und der Message, der Kunst ohne Autor, dem Konzept, das sich selbst hinterfragt? An der Wand klebt ein Gewebeband-Graffiti, das “CDU” buchstabiert, über die Lautsprecher kommt eine Endlosdurchsage, die davor warnt, dass man hier vermutlich nicht auf seine Kosten kommen wird, und auf dem Merch-Tisch liegen Vinyl-LPs zum Freundschaftspreis von 150 Euro pro Stück. Die Vertrauenskasse daneben ist voll mit Zigarettenkippen, dafür ist eine Überwachungskamera direkt daneben installiert.
Das Set geht los mit “Vatertag”, dem mutmaßlich besten Song von Augn, der mit seinem fies gegrölten “Was darf man eigentlich noch?!” genau den richtigen Ton aus Wut, Frust und Amüsement trifft, den man anlässlich all der Sauerstoffdiebe da draußen so gerne hört. Und kein Zweifel: Auch Augn haben Feindbilder. Im Grunde dreht sich sogar ihr ganzes Album darum, mal mehr und mal weniger augenzwinkernd. Im Publikum macht sich ein großes Lächeln breit; offenbar tritt hier ein Humor zutage, der gut ankommt. Augn ledern gegen Tinder-Dates, Bitcoin-Yuppies, Berghain-Besucher, RTL-Gucker und Nicht-RTL-Gucker, Ossis, “Hippies” und “Akademiker”, allerdings in einer eher niederschwelligen Fasson, die man sich mit etwas anderer Musik und nur geringfügig verschobenem Fokus wohl auch auf irgendwelchen Atzenpartys vorstellen könnte. Liegende Ziele quasi, unterhaltsam, aber auch irrelevant.
Dass die Band gar nicht persönlich auf die Bühne kommt und nur durch eingespielte Roboter-Ansagen zwischen den Songs in Erscheinung tritt, gibt dem ganzen Event die Anmutung eines Kunst-Happenings mit experimentellem Charakter. Das auf die leere Bühne blickende Publikum, mehrmals als “Loser” und “Versager” tituliert, wird als vermeintliche Insider-Crowd hofiert, die halt ein bisschen auf beides steht: wissende Einbeziehung und sorgfältige Erniedrigung. Die klassische Gangster-Rap-Klientel also eigentlich. Mit “Deutschrap ist tot” haben Augn sogar selbst einen Song zum Thema im Repertoire, in dem sie aber eher unsubtil und ziemlich genau drei Jahrzehnte nachträglich über die wohlerzogenen Stubenhocker-Rapper von damals herziehen. Das andere, spannendere Thema, das bei Augn aber halt auch immer im Orbit schwebt, ist Geld bzw. Kapitalismus bzw. die Ahnung, dass es letzten Endes nicht Musikgeschmack, Humorverständnis oder generell Stilfragen sind, die einen zum “Versager” machen. Wenn man sich an den linken Spießern mit dem Festgeldkonto erst einmal abgearbeitet hat, dürfte es an dieser Stelle richtig interessant werden.