0,00 EUR

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

Startseite » Live » Live-Berichte »

Bad Nerves mit eskapistischer Punk-Party im MTC in Köln

Bad Nerves in Köln

Ziel erreicht
Eine gute Stunde Eskapismus bei einer der aktuell wohl spaßigsten Punk-Partys: Bad Nerves drehen trotz gebrochenem Fuß im ausverkauften MTC in Köln voll auf und empfehlen sich für die nächstgrößeren Clubs. Support gab es von einem der Armstrong-Söhne mit seiner Band Ultra Q.
Bad Nerves im MTC, Köln (Foto: Tim Lasche)
Bad Nerves im MTC, Köln (Foto: Tim Lasche)

Wie Vorband Ultra Q wohl gefällt, dass Bad Nerves in einem ihrer Songs „fuck being in California“ singen – oder sich nach der obligatorischen Runde Applaus für den Support direkt dreimal lauteren Applaus selbst gönnen? Egal, das meint die wohl hyperaktivste Punkband überhaupt mit mindestens mehreren Augenzwinkern hinter der dicken Sonnenbrille von Sänger Bobby Bird.

Ultra Q um Sänger Jakob Armstrong (Foto: Tim Lasche)
Ultra Q um Sänger Jakob Armstrong (Foto: Tim Lasche)

Und Ultra Q juckt das wohl auch kaum: Die haben auch auf ihrer allerersten Europatour genug Vorschusslorbeeren im Gepäck. Frontmann Jakob ist immerhin einer der Söhne von Billie Joe Armstrong und bringt schon entsprechend genug eigene Fans mit ins ausverkaufte MTC, wie an dem schrillen Geschrei abzulesen ist, als die kalifornischen Posterboys die Bühne betreten. Ihre Songs: unspektakulärer Alternative Rock mit Green-Day-Schnittmenge und frappierend ähnlichen Gesang zum prominenten Vater. Sei’s drum. Zumindest beim Fanclub kommt das gut an. Wer wegen den Power-Pop-Päpsten aus Essex hier ist, schaut sich lieber ab der Hälfte deren erstaunlich teuren Merch an.

Bad Nerves im MTC, Köln (Foto: Tim Lasche)
Nicht lange in Lederjacke: Bad-Nerves-Mastermind Bobby Bird (Foto: Tim Lasche)

Zuvor hatte aber wohl auch Billie Joe Armstrong selbst mit seinen Liebesbekenntnissen für die britische Band gesorgt, dass Bad Nerves in den letzten zwei Jahren ein kleiner Hype widerfahren ist, den sie jetzt mit einer ausverkauften eigenen Clubtour auskosten dürfen. Und das sei doch eigentlich alles, was sie jemals gewollt hätten, lässt Bird das Publikum später wissen und stellt schon das zehnjährige Bandjubiläum kommendes Jahr in Aussicht.

Über Monate perfekt eingespielt: Bad Nerves (Foto: Tim Lasche)
Über Monate perfekt eingespielt: Bad Nerves (Foto: Tim Lasche)

Dass sie sich für die neue Bekanntheit in den letzten zwei Jahren vor allem den Arsch mit endlosen Touren und Support-Shows aufgerissen haben, zahlt sich sichtlich aus: ohne falsche Bescheidenheit injizieren Bad Nerves dem Publikum ihre High-Speed-Zuckerbomben, die sofort ins Blut übergehen. Die Texte sitzen, immer mehr Leute drängeln sich nach vorne, es braucht kaum mehr als vier der kurzen Songs, bis Bird seine Lederjacke ausziehen muss. Im Publikum hat eh keiner mehr eine an. Zwar nicht die größte Kunst im Kellerclub, aber Bad Nerves wissen einfach, was sie für eine gute Stunde Eskapismus in Reinform liefern müssen.

Klingt nicht nur nach Johnny Ramone: William Phillipson (.)(Foto: Tim Lasche)
Klingt nicht nur nach Johnny Ramone: William Phillipson (l.) (Foto: Tim Lasche)

Das liegt nicht nur an der Qualität der hyperschnellen und hypereingängigen Hits ihrer beiden Alben. Die fünfköpfige Band ist auch maximal eingespielt und routiniert: Etwa die Sprünge von Johnny-Ramone-Lookalike und Gitarrist William Phillipson auf die Monitorbox – oder wie er die Gitarre wie ein Gewehr in die Menge richtet. Oder die hochgezogene Augenbraue des Kaugummi-kauenden Bassisten Jon Poulton in seiner breitbeinigen Pose. Bei Bird bleibt es meistens beim breiten Grinsen, ums Mikro klammern und hüpfen. Immerhin spielt er schon die ganze Tour mit gebrochenem Fuß, wie er später als eine Art kleine Entschuldigung gesteht, die wohl keiner angesichts des Tropenklimas im MTC von ihm gebraucht hätte.

Auch bei Gitarrist George Berry sitzen Posten und Moves (Foto: Tim Lasche)
Auch bei Gitarrist George Berry sitzen Posten und Moves (Foto: Tim Lasche)

Die großen Reden anderer britischer Bands angesichts des Weltgeschehens gibt es dabei nicht von Bird, es geht ihnen einzig darum, „das Elend in der Welt für einen Moment zu vergessen“, so der schweißnasse Sänger. Doch hat die Band selbst auch Spaß dabei, fragt jemand zwischendurch aus dem Publikum. „Do we have a good time?”, sucht Bird Bestätigung von seiner Gang und wird etwas aus dem Element gebracht. „Of Course!“, klärt er nach kurzer Verschnaufpause auf und will lieber direkt wissen, welchen Song sie als Nächstes spielen sollen. Die lauteste Antwort: „Faster!“ Auch wenn sie „faster“ im Angebot hätten, gibt es das überdrehte „Antidote“ als „fastest song you ever fucking know“ erst als einen von vier Songs der Zugabe, nachdem sich Bird mit Fake-Starallüren à la Hives-Sänger Pelle Almqvist etwas zu lange bitten lässt.

Bassist Jon Poulton (r.) und Drummer Samuel Thompson (Foto: Tim Lasche)
Bassist Jon Poulton (r.) und Drummer Samuel Thompson (Foto: Tim Lasche)

Selbst wenn Bad Nerves mit ausverkauften Shows in Punkläden wie dem MTC ihr ursprünglich gestecktes Ziel bereits erreicht haben, darf es ruhig noch weiter gehen für die Band mit einer der wohl ungehemmtesten, lockersten und gleichzeitig professionellsten Punk-Partys aktuell. Aufbruchstimmung herrscht so oder so: Die Show wird nämlich ebenfalls hochprofessionell von allen Seiten mit festen Kameras festgehalten und von zwei Fotografen dokumentiert. Nur verdient, wenn die kleinen ausverkauften Clubs also bald tatsächlich zu klein werden.

Ziel erreicht: mit ihrem High-Speed-Punk powern Bad Nerves das MTC aus (Foto: Tim Lasche)
Ziel erreicht: mit ihrem High-Speed-Power-Punk powern Bad Nerves das MTC aus (Foto: Tim Lasche)

Mehr zu: Bad Nerves