Corey Taylor arbeitet bereits auf seinem ersten Soloalbum mit Rap-Unterstützung in Form von Tech N9ne und Kid Bookie und tritt auch auf deren Alben auf. Durch eine gewisse Affinität zu Rap erklärt sich auch die Wahl der Rap-Rock-Band Oxymorrons als Support. Eher untypisch ist, dass das Palladium schon sehr gefüllt ist, bevor die überhaupt die Bühne betreten. Die zwei Frontmänner Dave und Ashmy Bellevue animieren das Publikum ebenso wie Gitarrist Jafe Paulino. Das Publikum beißt an und wärmt sich auf.

Für den Hauptact gibt es dann “The Box” als Intro, bis die Band mit “Post Traumatic Blues” startet. Der wilde Auftakt setzt die Messlatte hoch für die Energie, die besonders der fast 50-jährige Taylor auf die Bühne bringt. Stone Sour pausieren seit 2020, aber mit deren Gitarrist Christian Martucci an Bord kommt das Publikum in den Genuss von “Song #3”, Klassikern wie dem 2002er “Tumult” und dem melancholischen Fan-Favoriten “Through Glass”. Bei seinen eigenen Songs setzt Taylor dagegen fast ausschließlich auf die Album-Auskopplungen, darunter “Black Eyes Blue” und “Talk Sick”.

Doch Corey Taylor wäre nicht Corey Taylor, wenn er nicht permanent mit vielen “Fucks” seiner Familie danken würde. Nicht etwa seiner biologischen, sondern der, die ihn und seine Bands seit etwa 25 Jahren unterstützt: die Fan-Familie. In einem Interview sprach er bereits von den Herausforderungen des Tourlebens und wie lange er überhaupt noch Musik machen wolle. Heute besteht kein Zweifel daran, dass sowohl Taylor als auch die 4.000 Menschen im ausverkauften Palladium sich einander durchgehend antreiben. Von Herausforderung keine Spur. Und ohne Maske sieht man es: Der Slipknot-Liebling “Before I Forget” rollt Taylor aus der Kehle wie aus dem Lehrbuch.

Die Einlage des Spongebob-Schwammkopf-Intros nimmt die Menge mit Humor, viele singen sogar lauthals mit. Aber es ist doch erstaunlich, wie die Gefühlslage kippen kann: Wenn man sich nach einer Minute, die einen mit einem riesigen Maß an Fremdscham erfüllt, bemühen muss, die Tränen zurückzuhalten, liegt das nicht daran, dass Taylor die Ansage mal weglässt, sondern an den ersten Zeilen von “Snuff”. Gänsehaut.

Für die Zugabe darf für den Showmaster nicht einmal “Duality” fehlen. Als krönenden Abschluss wählt er aber einen Tribute-Song: Black Sabbaths “Fairies Wear Boots”. Von Ozzy Osbourne habe er schließlich alles gelernt. Man kann von Corey Taylor halten, was man möchte, aber der Mann hat sich seine Anerkennung verdient – und auch seine zweite ausverkaufte Show im Palladium am 23. November.