Ursprünglich sollten King Gizzard & The Lizard Wizard schon Ende August 2022 in Köln spielen, doch wenige Wochen zuvor mussten alle Tourdaten aufgrund der Morbus-Chron-Erkrankung von Frontmann Stu McKenzie abgesagt werden – erstmals in 12 Jahren Bandgeschichte hätte ihn seine bis dahin nicht publik gemachte Krankheit dazu gezwungen.
Bei einer normalen Band wäre das zwar immer noch ärgerlich, aber bei den australischen Psych-Königen bekommt man es in so einem Fall mit einer schlimmen FOMO (Fear of missing out) zu tun. Immerhin neun Alben (!) hat die Band seit ihrer letzten Köln-Show 2019 herausgebracht – Nachholbedarf wäre also untertrieben. Entsprechend ausverkauft ist die Show im E-Werk. Weit vor Öffnung sitzen haufenweise Fans bereits vor der Halle. Man trägt Batikshirts, raucht Batikzigaretten, die Stimmung ist ausgelassen.
Als Anheizer haben sich King Gizzard die ebenfalls aus Melbourne stammenden The Prize mitgenommen. Die fangen schon eine Viertelstunde vor eigentlichem Beginn an und machen ihre Sache den Umständen entsprechend gut: Ihr Tour-Van hat zuvor in der Schweiz seinen Geist aufgegeben. Vier Züge musste die Band nehmen, um es zur Show zu schaffen. Recht unbeeindruckt von dem Zwischenfall und einem offenbar kaputten Drum-Mikro spult die fünfköpfige Band mit drei Gitarren ihr “Ramones-meets-AC/DC“-Programm ab. Nicht spektakulär, aber effektiv: So stellt man sich eben das Vorprogramm in einem australischen Pub vor.
King Gizzards massiver Aufbau mit Podesten, mehreren Synthies, Modulatoren, Perkussions-Instrumenten und Saxofon lauert derweil schon bedrohlich auf der Bühne, muss aber noch etwas länger auf seine Band warten. Zu mittlerweile tropischen Temperaturen kommen die Australier kurz nach 21 Uhr auf die Bühne. Gitarrist und Co-Frontmann Joey Walker hält seine Ansprache knapp: “You guys are ready to make this the best night of my life.” Zeit zum Antworten lassen sie kaum, schon setzen sie mit “K.G.L.W.” zur tonnenschweren Doom-Metal-Hypnose an, dessen Härte vorerst den Ton angeben soll. McKenzie lässt dafür erstmal seinen Co-Frontmännern Walker und Ambrose Kenny-Smith den Vortritt. Bis auf ein kurzes “Thank ya” hält der Bandkopf sich noch bedeckt.
Nach dem ebenfalls härteren “Pleura” gehts dann nochmal ins mikrotonale “Billabong Valley”, bevor sie den Drachen auf dem Cover ihres aktuellen Albums “Petrodragonic Apocalypse” im Tropenhaus E-Werk willkommen heißen und das Publikum glühendes Schwermetall fressen lassen – rotierende Moshpits bis zur FOH inklusive. Befeuert wird das ganze von der psychedelischen Videoshow auf der Leinwand in glühendem Orange und den “Gizzard”-Rufen des Publikums.
Sichtlich vergnügt und angestrengt gleichermaßen skandiert Walker seine Genugtuung: “Köln is probably our favourite city in Germany.” In Berlin seien ihnen zu viele Poser. “Lets have a couple of Kölsches.” Amen. Auch McKenzie spielt sich neben zahlreichen Instrumentenwechseln zwischen ihm und Multiinstrumentalist Kenny-Smith weiter in den Mittelpunkt, wenn King Gizzard die Fans zu “Self-Immolate” und “Hell” zunehmend durch den Thrash-Fleischwolf drehen. McKenzie sieht mit seinen Shorts und erhobener Pommesgabel dabei etwas aus wie ein junger Angus Young, macht aber eigentlich viel lieber auf John Dwyer (Osees), indem er seine Gitarre über und hinter dem Kopf spielt.
Nach dem letzten Ton von “Hell” folgt schlagartig ein ungleiches Kontrastprogramm. “Now we are trying to get sexy”, sagt Walker in seiner Latzhose und es gibt fluffigen Boogie-Blues und Artverwandtes. Die Australiern jammen gemütlich, ziehen Songs wie “Work This Time” ins Unendliche. Genau richtig, nachdem Metal-Inferno zuvor. Als Closer gibts “Iron Lung”, einen funky Jazz-Koloss, der in dieser zwanzigminütigen Live-Version immer mal etwas an die Chili Peppers erinnert, bevor er im nächsten Moment wieder in einem bunten Jam-Teil gipfelt.
Mal abgesehen davon, dass King Gizzard & The Lizard Wizard allesamt ausgesprochen begabte Musiker sind, ist es umso beeindruckender, dass sie ohne Superhits wie “Rattlesnake”, “Gamma Knife”, “Sense” oder wie sie alle heißen auskommen und scheinbar jede Show ein komplett anderes Set auf die Beine stellen können, was so ziemlich alles zwischen Meditation und Massaker bietet. Egal, wie viele Alben sie bis zur nächsten Köln-Show also noch herausbringen sollten. Angst, etwas zu verpassen, hat man bei diesen Genies quasi immer.