Seit Monaten ist das Konzert ausverkauft. Dass Rancid endlich wieder auf Tour kommen, stand lange genug fest. 20 Jahre ist es her, seitdem die Band zuletzt in Berlin gespielt hat – damals, am 4. September 2003 ebenfalls in der Columbiahalle. Die ist so voll, wie es nur geht. Auf den Rängen, im Innenraum: alle stehen dicht an dicht. Ein Gedrängel an den Toiletten, eine Schlange an der Bar, im Biergarten stapeln sich die Leute.
Das Paket ist verlockend. Den Anheizer macht die Punk-Band Grade 2. Das junge Trio von der Isle Of Wight hat seit 2019 Tim Armstrong als Wingman an seiner Seite. Gelernt haben sie ihr Handwerk als Punk-Cover-Band im Pub. Deshalb darf heute auch nicht “Where Eagles Dare” von den Misfits fehlen – gefolgt von “Under The Streetlight” vom aktuellen Album. Der Song ist Hit genug, sodass einige hier bereits mitsingen. Lars Frederiksen wird später, vor dem Rancid-Klassiker “Timebomb” anmerken, dass noch keines der Grade-2-Mitglieder geboren war, als dieser Song geschrieben wurde.
![The Bronx, Berlin (Foto: Maren Michaelis)](https://www.visions.de/wp-content/uploads/The_Bronx_by_Maren_Michaelis-21-scaled.jpg)
The Bronx haben es heute halbwegs schwer. Der Sound klingt, als müssten sie bewusst unter ihrem Level bleiben, und Stammgitarrist Joby J. Ford ist nicht mit dabei. Das ändert nichts daran, dass The Bronx Bock haben, uns eine Abreibung zu verpassen. Mit Songs wie “Shitty Future”, “Heart Attack American” und “History’s Stranglers” auf der Setlist setzen sie das um. Wie üblich trippelt Sänger Matt Caughthran nervös und provozierend auf den Ballen, grinst süffisant – so, als wolle er gleich zur Attacke ansetzen. Was er dann auch tut. Minutenlang verschwindet er mit dem Mikrofon im Publikum, arrangiert und dirigiert die Leute, bis zu “Six Days A Week” der Circle Pit immer sauber um ihn herumkreist.
![The Bronx, Berlin (Foto: Maren Michaelis)](https://www.visions.de/wp-content/uploads/The_Bronx_by_Maren_Michaelis-5-scaled.jpg)
Rancid haben anschließend leichtes Spiel, hauen fix den Titelsong ihres neuen Albums “Tomorrow Never Comes” raus, um danach ein Best-of-Set abzufackeln, das – Fans danken es mit lauten Chören und Rufen, Applaus und Jubel – vor allem Songs von “Let’s Go” und “…And Out Come The Wolves” enthält. Ab und an rotzt Frederiksen gekonnt aus der Nase, um den ranzig-rotzigen Punk-Appeal seiner Band zu untermauern. Matt Freeman zeigt, dass er ohne Mühe der beste Bassist im Punk-Geschäft bleibt. Zwischen ihnen im Zentrum gibt Tim Armstrong den sonnengegerbten Street-Punk mit labberiger Kutte, tätowierter Glatze und viel zu gepflegtem Vollbart. Seine Zeilen nölt er perfekt ins Mikro, während seine schwarze, abgeschrappte Gretsch Gitarre ihm unter der Gürtellinie hängt. Trotz aller Rotzigkeit sitzt hier alles. Die Band ist bestens eingespielt, erstrahlt im Schein der sie unentwegt verfolgenden Spotlights.
![Rancid, Berlin (Foto: Maren Michaelis)](https://www.visions.de/wp-content/uploads/Rancid_by_Maren_Michaelis-3-scaled.jpg)
Das letzte Drittel läutet “Rejected” ein – es ist der einzige Song vom 93er-Debüt. Frederiksen erklärt: “Das ist der erste Song, den wir je in Deutschland gespielt haben.” Skinhead Frederiksen hat in den vergangene 20 Jahren leider viele Fettnäpfchen mitgenommen, hat etwa mit seiner Band The Old Firm Casuals auf Festivals mit Fascho-Punks gespielt. Vielleicht findet er das selbst nicht so gelungen und betont kurz vor Schluss noch mal deutlich: “We are unapologetically antifascist and antirascist.” Nichts anderes darf gelten. Nach 27 Songs endet das Konzert triumphal und versöhnlich mit “Ruby Soho”. Mit dem Song hatten Rancid 20 Jahre zuvor an dieser Stelle ihr Konzert begonnen.
![Rancid, Berlin (Foto: Maren Michaelis)](https://www.visions.de/wp-content/uploads/Rancid_by_Maren_Michaelis-26-scaled.jpg)