So ziemlich jede:r, der dem Phänomen Hardcore schon mal einigermaßen nahe gekommen ist, weiß: Traditionen sind in der Szene eine wichtige Sache. Und dass Madball im Rahmen der Rebellion Tour nach Essen kommen, ist inzwischen definitiv eine solche. Seit 2011 ist die Stadt als Anlaufpunkt des Szene-Wanderzirkusses fast immer fester Bestandteil und auch die Weststadthalle als Austragungsort – mit einigen Ausnahmen – lange etabliert. Kein Wunder, dass Frontmann Freddy Cricien sie an diesem Abend als eine seiner Lieblingsstädte für Konzerte bezeichnet. Auf der diesjährigen Ausgabe der Rebellion Tour ist Essen der vorletzte Halt, seit Ende Februar sind Madball gemeinsam mit Speed, Guilt Trip, Death Before Dishonor und Lies! unterwegs – wie jedes Jahr ein knüppeldickes Line-up.

Pünktlich um 18 Uhr wird die Manege freigegeben, die Niederländer Lies! spielen vor noch eintrudelndem Publikum ein starkes, aber wenig überraschendes Set. Bei Death Before Dishonor fliegen gute 50 Minuten später schon die ersten Windmühlenfäuste durch die Luft und man merkt, wie die Fangemeinde wärmer wird. Und ein gutes Warm-up braucht es auch, denn der Rest des Abends soll noch sportlich werden.
Zwar sind einige der Besucher:innen auch bei den ersten Bands schon ordentlich motiviert und brüllen textsicher mit, als um kurz vor acht Guilt Trip loslegen, ist aber das erste Mal richtig Bambule im Saal. Der Vorderteil der Bühne wird ab hier zum Laufsteg, den alle 20 Sekunden angestachelte Zuschauer:innen im Berserkergang überqueren, nur um sich anschließend mit einem möglichst großen Satz in die Menge zu verabschieden. Das Set der fünf aus Manchester ist aber auch besonders garstig und durchzogen von scheppernden Metal-Momenten. Nur konsequent, dass sie zum Abschluss noch Machine Heads „Davidian“ covern.

Auf dieses Set folgen mit Speed als vorletzte Band quasi die neuen Jethro Tull des Hardcore Punk, die Querflöte von Frontmann Jem Siow bekommt aber nur einen kurzen Auftritt im Viralhit „The First Test“. Dafür redet der Australier umso schöner über die Kraft von Hardcore und Gemeinschaft und prügelt sich – gemeinsam mit dem Publikum – durch ein weiteres giftiges Set aus Moshpit-Hits.

Die Headliner Madball stehen dann um kurz nach zehn auf der Bühne und machen trotz der vielschichtigen starken Eindrücke zuvor direkt klar, dass sie ohne jeden Zweifel die Chefs im Laden sind. Freddy Cricien wird dieses Jahr 50, fegt aber durch die Halle wie ein 17-Jähriger und scheint den Spaß seines Lebens zu haben. Einen besonderen Anlass gibt es dieses Jahr mit dem 25-jährigen Jubiläum des zweiten Madball-Albums “Hold It Down”, das auch ihn einmal mehr dazu veranlasst, die Power und Leidenschaft der Szene emotional zu beschwören. Denn Tradition lebt ja auch davon, dass man sie als solche immer wieder hervorhebt. Und so mag es zwar sein, dass die New Yorker hier jedes Jahr ein bisschen das Gleiche abziehen, zwei Dinge zeigen sich aber. Erstens: Die Szene ist lebendig. Zweitens: Die Leute kommen sicher auch deshalb immer wieder, weil hier ein echtes Hardcore-Fest stattfindet, das fast schon klischeehaft die Underground-Romantik im größtmöglichen Rahmen zelebriert.

Der Zufall will es aber, dass auf diesen Samstag noch ein anderes Fest fällt, nämlich der internationale Frauenkampftag. Und so klasse vieles an diesem Abend ist, ist es doch auffallend, wie sehr die ganze Sache doch eine Männerveranstaltung ist. Geschenkt, dass von 24 Musiker:innen auf der Bühne 23 männlich gelesen sind und nach der Hälfte ihres Sets zwei Fünftel von Speed keine Shirts mehr tragen, zumindest vor der Bühne wäre es aber schön gewesen, wenn man ein paar Räume für Nicht-Männer geschaffen hätte. Dinge wie FLINTA*-Pits und das Fordern einer gewissen Etikette, um bei Konzerten sicherere Räume für alle zu schaffen, sind generell Sachen, die gerade in der Hardcore- und Metal-Welt sehr zuträglich wären und ständig gefordert werden sollten. Dass sowas an einem 8. März im Jahre 2025 nicht mal für einen einzigen Song in sechs Stunden Konzertabend passiert, ist am Ende etwas enttäuschend.