Das Konzert in Bielefeld beschert Sólstafir das erste ausverkaufte Konzert der “Nordic-Descent”-Tour. Schon früh ist der Club bei Hamferð mit einer Mischung aus Kuttenträgern, Hipstern, Flanellhemd- und Cowboyhut-Trägern gefüllt. Dabei ist der zähflüssige Death-Doom der Färöer fast zu schwerfällig, um den Abend zu eröffnen.
Oranssi Pazuzu aus Finnland wechseln im Laufe ihres Konzerts kein einziges Wort mit dem Publikum, sondern zeigen stattdessen, wie psychedelisch Soundtexturen aus unterschiedlichen Schwarztönen sein können. Deren intensive Lärmausbrüche bringen im hinteren Bereich des Clubs die Wände bedrohlich zum Vibrieren. Oranssi Pazuzus Musik funktioniert in der Live-Situation deutlich besser als auf Platte, denn nicht nur die Laut-Leise-Dynamik hat hier eine stärkere Wirkung, ironischerweise kommen gerade die filigraneren Elemente und Effekte in den zugänglicheren Songs wie “Uusi teknokratia” oder “Kuulen ääniä maan alta” besser zur Geltung. Dennoch lotet die Band eindrucksvoll Schmerzgrenzen aus. Insbesondere Gitarrist Niko Lehdontie spielt sich in einen regelrechten Rausch. “Ein bisschen lauter, bitte”, ruft jemand aus dem Publikum in die fast gespenstische Stille zwischen zwei Songs und erntet Lacher. Ein bisschen befreiende Komik tut bei der Intensität des Dargebotenen gut.
Sólstafir tun sich zunächst schwer, das hohe Energieniveau zu halten, was auch daran liegt, dass beim epischen “78 Days In The Desert” der Sound viel zu dünn bleibt. Das ändert sich erst, als Frontmann Aðalbjörn Tryggvason auf “Svartir Sandar” einstimmt: “Danke, dass ihr so gut zu uns seid. Wir nehmen euch jetzt mit auf eine Reise entlang des schwarzen Sandes von Island.” Spätestens jetzt entfalten auch Sólstafir ihr ganz eigenes Kaleidoskop aus dunklen Klangfarben, das seit dem Konsenswerk “Köld” so oft kopiert wurde. Tryggvason ist zwar stimmlich nicht komplett auf der Höhe, kommuniziert dafür aber als erster Frontmann des Abends grundsympathisch mit dem Publikum.
“Wir haben ein neues Album veröffentlicht”, sagt er im Anschluss an “Hún andar” und erntet vereinzelten Jubel. “Das klang begeistert. Vielleicht spielen wir einfach ‘Fjara’ fünf Mal?” Später scherzt er: “Unser Keyboardspieler ist betrunken, deshalb mussten wir ihn durch einen Computer ersetzen.” Im Hintergrund kämpft Schlagzeuger Hallgrímur Hallgrímsson mit dem Laptop und den Backing-Tracks für den nächsten Song. “Ist schönes Wetter, oder?”, fragt er nonchalant weiter, während sich draußen Regen und kalter Wind abwechseln. “Für uns als Isländer auf jeden Fall.”
Die Technikprobleme sind glücklicherweise behoben, bevor die Band mit “Ótta” und “Goddess Of The Ages” einen Abend beschließt, an dem sowohl Künstler als auch Publikum ganz in ihrer eigenen Welt sein durften. Und an dem deutlich wurde, dass diese cineastische Musik eine opulentere Lichtshow oder gar Videowände verdient. Und da sie sich die Bands mit Nachdruck für größere Clubs empfehlen, sollte das beim nächsten Mal doch möglich sein.