Erst angekündigt als “Secret Sørprise Gøest”, dann als ominöse Bræchter aus Gütersloh, aber allein beim doppelten ø und dem Fakt, dass Fjørt auf The Tidal Sleeps letzter EP “About Leaving And Coming Home” mit einem Feature bei “Meins, deins – unser” vertreten sind, war doch schnell klar: Die Post-Hardcore-Band aus Aachen würde ihre alten Freunde auf der Abschiedstournee beim Konzert in Münster unterstützen. Und dann stehen sie da auch tatsächlich, halten den Decknamen aber am Leben: “Hi, wir sind Bræchter aus Gütersloh. Das ist unsere erste Show. Also, wenn wir uns verspielen: sorry.” Und dann gibt es auch kein einziges Lied von Fjørt, um den Gastgebern offenbar nicht das Rampenlicht zu nehmen, sondern eine Verneigung vor der gemeinsamen Zeit: Bræchter – spielen wir das Spiel ruhig mit – covern mit Bands wie Andorra Atkins und Trainwreck den DIY-Hardcore der späten 2000er und frühen 2010er, der lief, als sie selbst mit The Tidal Sleep zu ihren Anfangstagen unterwegs waren.
Eine Umarmung des ebenso brachialen wie emotionalen Sounds, den die Bands an diesem Abend zweifelsohne kultiviert haben, und der herrlich ins Triptychon, den kleinen Nachbarn der Sputnikhalle auf dem Hawerkamp in Münster, passt. Es ist laut, sehr laut, es kracht und fiept und bebt und knallt in den Wänden, aber das ist genau die richtige Kulisse für den Abend. Mit Viva Belgrado haben The Tidal Sleep weitere alte Weggefährten eingeladen. Mit der andalusischen Band haben sie nicht nur einige Konzerte geteilt, sondern auch Features auf “Be Water” und nun auf “About Leaving And Coming Home”. Nach dem brutalen Cover-Set leiten Viva Belgrado mit ihren stimmungsvollen, atmosphärischen Post-Rock-Gitarren zum Sound von The Tidal Sleep über, der Anfang der 2010er so etwas wie die deutsche Entsprechung der The-Wave-Bands um La Dispute, Touché Amoré & Co. war.
Ihren Abschied feiern The Tidal Sleep recht unprätentiös: Sie verzichten auf große, pathetische Ansagen, bedanken sich lediglich für die vergangene Zeit und ermutigen dazu, die Dinge, die man gerne tun würde, doch einfach auszuprobieren. Stattdessen lässt die Band um Sänger Nicolas Bonifer lieber ihre stets wuchtigen, messerscharfen, wenn auch gefühlvollen Songs für sich sprechen. Dass sie eine der spannendsten deutschen zeitgenössischen Post-Hardcorebands sind und waren, beweist das Set, das quer durch ihre Diskographie reicht. Vom Debütalbum-Opener “Serpent Hug” bis zum Abschieds-EP-Closer “Meins, deins – unser”, für den dann schließlich Fjørt noch auf die Bühne kommen, schaffen The Tidal Sleep einen eleganten Rahmen für das Konzert. Sie verabschieden sich mit voller Wucht, es gibt wenige Pausen, nur ein Pfeifen im Ohr und gute Zeilen wie “Would you if I let you/ Would you break me?” aus “Endings”, ein allerletztes Mal, bevor sie mit “Failures / Off” schließlich den Sack zumachen. Eine Band, die fehlen wird.