MITTWOCH – 20.09.
Das Reeperbahn Festival ist nur die Spitze des Eisbergs. Drumherum gibt die Musikbranche ihr Stelldichein. Receptions nennt sich das. Meist nur für geladene Gäste. So auch am Mittwochabend im Golden Pudel Club. Das Hamburger Label mit Booking-Anschluss Buback gibt sich die Ehre im legendären Club am Ufer der Elbe. Den Abend leiten Cava aus Berlin auf der Bühne ein. Das Duo besteht aus Sängerin und Gitarristin Peppi Ahrens und Schlagzeugerin und Sängerin Mela Schulz. Die beiden debütierten früher im Jahr mit ihrem ersten Album “Damage Control”. Den scheppernden Garage Rock, der darauf zu finden ist, transportieren die beiden verlustfrei auf die kleine Bühne. Mit Spielfreude und Lautstärke – und für die letzten zwei Songs wechseln die beiden dann einfach mal die Position. Weil sie es können. (JS)
Herrlich unkitschiger Anpfiff im Molotow: The Mary Wallopers aus Dundalk, Irland beweisen vor voller Club-Stage, dass sie wahrscheinlich die einzige Band sind, die sich als die rechtmäßigen Erben der Pogues schimpfen dürfen. Ihr Irish Folk kommt nämlich ohne zwanghaftes Pathos und die immer selben Klischees in Endlosschleife aus, die etwa Flogging Molly oder The Rumjacks mit ihrem formelhaften Schiebermützen-Punk abspulen. Dazu haben die fünf Ir:innen die Respektlosigkeit des Punk eben zu sehr verinnerlicht, wenn sie mit einem Augenzwinkern über “Cod Liver Oil And The Orange Juice” singen, was nach gewagtem Katermittel klingt, dabei auf der Bühne Tee trinken, aber mit der Melodie eigentlich “Virgin Mary Had One Son” von Americana-Sängerin Joan Baez hopsnehmen. Wer “The Irish Rover” nicht mehr hören kann, sollte diesen sympathischen Anti-Traditionalisten mit Traditionsbewusstsein eine Chance geben. (JSS)
Dass bei Deathcrash der Name tatsächlich Programm in der Molotow Skybar sein wird, ist zunächst nicht zu erahnen. Die vier schlaksigen Londoner in Hornbrillen und Langarmhemden kommen ohne Ansage auf die Bühne, schauen schüchtern auf den Boden und ihre zahlreichen Effektpedale – und machen über die ersten paar Minuten zurückhaltenden Slowcore mit halligen Drums keine Anstalten, noch irgendwas heute zu crashen. Das Ganze mutet so sanft an, dass man gar nicht merkt, wie diese jungen Typen einen in Sicherheit wiegen und allmählich hypnotisieren, während sie ihre Songs langsam, aber sukzessiv steigern, um sie dann aus dem Nichts gegen eine Wand aus Noise, verzerrtem Geschrei und Drones gegen die Wand zu fahren. Ganze zehn Minuten stellen sie das in ihrem Closer zur Schau, bei dem Touché Amoré und Nothing eine unheilige Ehe eingehen und sich im brachialen Finale die ersten Reihen die Ohren zuhalten müssen. Wenn man schon bei einem Newcomer-Festival ist und mit Superlativen um sich werfen darf: Deathcrash sind die neue Hoffnung des Slowcore. (JSS)
Während aus der Hausanlage lautstark Metal plärrt, bauen sich Shitney Beers im Headcrash auf. Draußen versammeln sich schon die ersten, die der Popakademie-Abbrecherin Maxi Haug alias Shitney Beers gleich dabei zuschauen wollen, wie das klingt, wenn sie ihr Bedroom-Projekt zur Indierock-Band erweitert. Ähnlich wie auf ihrem zweiten Album “This Is Pop” ist das ein Wechselbad der Gefühle und Lautstärken. Mit vollem Bandeinsatz gibt es krachigen Slacker-Rock geschult an Built To Spill und Pavement. Dazwischen finden immer wieder auf Haug als Singer/Songwriterin reduzierte Songs statt, bei denen ihre Mitmusiker nur leise Fußnoten setzen. Haug moderiert das mit allerhand Charme und Chuzpe, überlässt ihrem Pianisten Platz für ein Solo, und Kevin Kuhn darf hinter dem Schlagzeuger den “Freddy Mercury im Wembley Stadion”-Anheizer geben. (JS)
Komplett unprätentiös steht Cameron Winter da im graugrünen Sweater auf der Bühne des Molotow Club, ein weißes Handtuch von Jever unter den Arm geklemmt oder in der Hand, während er zwischen Keyboard und dem Mikroständer in der Mitte der Bühne hin und her wechselt. Schon der Soundcheck – ein Exzerpt von “2122”, dem durchgeknallten Opener des zweiten Geese-Albums “3D Country” – erweckt Erstaunen. In Gänze eröffnet das Stück den Auftritt. Eine Tour de Force der Stile zwischen Classic Rock, schrägem Indie, Jazz, Soul und Noise-Getöse. In unterschiedlichen Gewichtungen bleibt es dabei, wobei die fünf jungen Brooklyner irre tight und musikalisch sind und Winter mit seiner variablen Stimme – darunter ein satter Croon und eine soulige Kopfstimme – dem Ganzen die Krone aufsetzt. (JS)
DONNERSTAG – 21.09.
Direkt neben dem Molotow ist ein Irish Pub namens Thomas Read. Treppe rauf, durch die Bar, Treppe runter: Dann ist man im Konzertraum. Den erhitzen jetzt Iedereen, das neue Signing des deutschen Qualitäts-Indielabels Glitterhouse. Iedereen ist niederländischen und bedeutet “alle”. Im Fall dieser Band bedeutet alle: zwei Typen aus Köln, eigentlich aber aus Emmerich am Niederrhein. Ron Huefnagels spielt Schlagzeug und trümmert drauf wie ein Wahnsinniger, manchmal singt er noch mit. Tom Sinke spielt Gitarre und singt. Zusammen fabrizieren sie eine Art Volle-Pulle-Japandroids-Indie mit einem gewissen Rio-Reiser-Punk-Schmiss. Mehr zu hören als die EP “Blumenfieber” und das wahnsinnig eingängige “GKO” gibt es bisher noch nicht. Das euphorisierte Publikum singt trotzdem mit, tanzt, flippt aus – und Iedereen tun mit Nachdruck alles dafür, dass dieser Auftritt im Gedächtnis bleibt. (JS)
“It’s not big and it’s not special”, beschreiben sich Big Special selbst auf ihrem eigens fürs Reeperbahn Festival entworfenen Flyer, auf dem ein Kippe-rauchendes Kastenbrot einen Vogel aufspießt. Der Humor stimmt zwar, aber als sonderlich “big” oder “special” kann man das britische Post-Punk-Duo wirklich nicht bezeichnen. Joe Hicklin ätzt sich als Mini-Mark-E.-Smith mit seinem demolierten Heimatland ein mittlerweile leichtes Ziel zurecht, während Schlagzeuger Callum Moloney zu ein paar Synthie-Spuren drauflosdrischt. Dem nicht enden wollenden Strom an Post-Punk-Bands aus dem UK fügt das kaum eine neue Facette hinzu, aber lustig sind die beiden schon, wenn sie “Shithouse” krächzen und den übervollen Karatekeller lauthals mitätzen lassen. (JSS)
Auf der Backyard-Stage des Molotow wickeln The Terrys aus Australien derweil alle um den Finger – oder zumindest versuchen sie das. Sänger Jacob Finch mit seinen blonden Dreads in Schulterlänge ist auf jeden Fall stets bemüht, das Publikum zum lockeren Indie-Garage mit Surf-Appeal zum Feiern zu animieren. Am Ende feiert er doch selbst am meisten, während er etwa sein Bier auf dem Kopf balanciert oder fast zu einem “Shoey” (Trinken aus einem Schuh) verleitet wird. Leidenschaftlich ist das allemal und sympathisch sowieso, aber bis auf etwa den Hit “Our Paradise” verpufft die australische Strandparty auf der Hinterhofbühne des Hamburger Punk-Clubs zwischen dem zu beliebigen Indie-Sound mit aufgesetztem Feelgood-Faktor. (JSS)
Paerish treten um kurz vor elf auf der Bühne des Molotow Clubs den Beweis an, dass nicht nur US-Bands gewinnbringend Shoegaze, 90s-Indie, Emo und Post-Hardcore-Feelings miteinander verbinden können. Die vier Pariser widmen sich diesem Sound bereits seit einigen Jahren – immerhin erschien schon 2016 ihr Debüt “Semi Finalists”. Das hat mit “You’re In Both Dreams (And You’re Scared)” kürzlich eine Fortsetzung bekommen. Auf der Platte, aber auch live fehlt es dabei manchmal am letzten Schliff, der eingängigen Hook, der Melodie, die sich durch die Soundschichten Bahn bricht. Es trübt aber nicht den sympathischen Eindruck der Band, der beim Bedienen ihrer Effektpedale schon mal das In-Ear-Monitoring raus- oder der Gitarrengurt abreißt. (JS)
Der Vorteil am Molotow Backyard ist an einem heißen Septembertag, dass die Auftritte unter freiem Himmel stattfinden. So auch der von CVC. Die sechsköpfige Band stammt aus dem walisischen Cardiff und widerspricht gängigen Hipness-Regeln für Indie-Bands. Denn modern ist gar nix an ihnen. Die Band mischt Yacht Rock, Soul, Funk und anderes Retrogedöns zu einem geschmeidigen Mix voll mehrstimmiger Harmonien und guter Grooves. Nachzuhören ist das seit Januar auf dem Debütalbum Get Real. Dessen Material reichern sie an, indem sie “I Don’t Want To Miss A Thing” von Aerosmith und “I Want You (She’s So Heavy)” von den Beatles anspielen und kurz und knackig Modjos Disco-House-Hit “Lady (Hear Me Tonight)” von 2000 covern. Der perfekte Sound für eine spätsommerliche Nacht wie der heutigen. (JS)
FREITAG – 22.09.
Es ist jeden Tag eine logistische Meisterleistung, wie im engen Molotow im Wechsel vier Bühnen bespielt werden. Oben im zweiten Stock ist die Skybar, die schnell überfüllt ist, wenn man sich zu spät auf den Weg nach oben macht. Hier spielen heute Get Jealous ihren zweiten Auftritt beim diesjährigen RBF. Ein Heimspiel, immerhin ist das Trio aus den Niederlanden mittlerweile nach Hamburg umgesiedelt. Zu diesem Zeitpunkt ist ihr Debütalbum “Casually Causing Heartbreaks” noch nicht erschienen. Der Raum ist trotzdem zum Bersten gefüllt und die Stimmung bestens, was nicht nur am Emo-Indie-College-Rock der Band liegt, sondern auch am Charme von Frontperson Otto, ihren persönlichen Texten und ihren unter Lachen vorgebrachten Animationsbemühungen. Denn schon beim dritten oder vierten Song sollen sich alle im Saal setzen – und tun das auch. (JS)
Billy Bragg ist sicherlich nicht in der Großen Freiheit, um jemanden im Rahmen des Reeperbahn Festival noch irgendetwas zu beweisen. Seit 1977 ist der britische Protest-Singer/Songwriter aktiv und könnte mit seinem unaufgeregten Folk, für den er bei einigen seiner neueren Songs noch Unterstützung an Orgel und Pedal-Steel-Gitarre bekommt, das musikalisch auch nicht weniger ausstrahlen. Doch was ein Konzert von Billy Bragg ausmacht, sind seine Ansagen, die – egal was er erzählt – die Leute an seinen Lippen hängen lässt. Neben lustigen Anekdoten über einen Auftritt während der Fußball-WM, seine Anti-AfD-Bekundungen oder der Einleitung des Woody-Guthrie-Covers “All You Fascists Are Bound To Lose” inspiriert der 65-Jährige vor allem mit Aussagen wie diesen: “Music doesn’t change anything, but it has great power to those supporting the idea of activism.” Die letzten 17 Minuten räumt er seinem Klassiker “Life’s A Riot With Spy Vs Spy” ein, den er in Gänze – und ohne Pause – spielt und dabei ganz schön ins Schwitzen kommt. (JSS)
VISIONS ist Superbloom seit ihrem ersten Song wohlgesonnen. Jetzt sind die vier New Yorker zum ersten Mal zu Besuch in Europa. Am morgigen Samstag steht ein Besuch im Badehaus in Berlin an, was gut passt, immerhin ist ihr Label Thirty Something in Friedrichshain ansässig. Darauf haben sie ihr Debütalbum Pollen 2021 veröffentlicht und kürzlich erst die EP “Life’s A Blur” nachgelegt. Auf dem RBF profitieren Superbloom von der Open-Air-Atmosphäre im Backyard des Molotow. Hier hat ihr crunchy Sound aus Shoegaze und Grunge mit Post-Hardcore-Anschluss Platz, um sich zu entfalten. Da schwingen von Helmet bis Nirvana eine Menge 90er-Vibes mit. Leider geht der Gesang von Gitarrist Dave Hoon ziemlich unter, obwohl er sich sichtlich Mühe gibt. (JS)
Direkt um die Ecke in der in der Großen Freiheit gibt sich eine Band die Ehre, die längst etabliert ist, mit “The Death Of Randy Fitzsimmons” jedoch elf Jahre für ein neues Album gebraucht hat: The Hives. Dass das hier das große Rock’n’Roll-Entertainment-Programm wird, ist klar, deshalb ist der Laden zum Bersten gefüllt, während draußen die Menschen noch Schlange stehen. So gut das neue Album und die alten Hits sind: Am besten sind Howlin’ Pelle Almqvists Ansagen. “Are you ready to get your lives destroyed by The Hives?”, fragt er rhetorisch, unterstreicht, dass die Band die größte des Planeten ist und stichelt gegen Musikindustrie-Events wie das RBF. Die Bassline von “Hate To Say I Told You So” singen alle mit. Zwischendurch verharrt die Band mitten im Song regungslos für eine ganze Minute. “Hamburg”, krakeelt Almqvist, “will you marry The Hives?” Aber ja doch! (JS)
Ebenfalls aus Schweden kommen Girl Scout, die nachts in der Skybar im Molotow headlinen. Es ist spät, der Raum trotzdem komplett voll, die Luftqualität richtig mies. “Es fühlt sich an, als würde ich Sägemehl atmen”, entschuldigt sich Sängerin und Gitarristin Emma Jansson. Keine guten Voraussetzungen, um entspannt zu singen. Man sieht es Janssons grummeliger Miene an. Dabei hat sie alles im Griff, während neben ihr Evelina Arvidsson Eklind am Bass unterstützt, Per Lindberg hinter ihr den Rhythmus liefert und am linken Bühnenrand Viktor Spasov an der Gitarre steil geht. Er verleiht dem 90s-infizierten Indierock der Band gelegentliche Emo- und Math-Nuancen. Bisher hat die Band nur zwei EPs im Repertoire, aber “Do You Remember Sally Moore?” ist jetzt schon ein Hit, und das krachige “Monster” wird schon früh aus dem Publikum gefordert. (JS)
SAMSTAG – 23.09.
Lange Schlange vor dem Gruenspan: Fast zwei ganze Straßenblocks stehen Leute für Blood Red Shoes an. Wer reinkommt wird doppelt belohnt: Laura-Mary Carter und Steven Ansell sind nicht nur bestens aufgelegt und in Top-Form, die beiden stellen ihr neues Album “Ghosts On Tape”, mit dem sie 2022 schon auf Tour waren, hinten an und lassen die Synthies größtenteils links liegen. Dafür gibt es reichlich hyperaktiven Dance-Punk mit Garage-Wurzeln von ihrem Debüt und den nicht minder krachigen Nachfolgern. Das wird zu Recht von dem oft verhaltenen Publikum auf dem Reeperbahn Festival bei tropischen Temperaturen durch ordentlich Mitklatschen honoriert. Nächstes Jahr feiern die beiden 20-jähriges Jubiläum: in so einer Form gerne wieder! (JSS)
Gibt es eigentlich auch Heartland Rock in Australien? Na klar. Floodlights spielen ihn. Die Band stammt aus Naarm/Melbourne. Zwischen ihrem Debütalbum “From A View” (2020) zum aktuellen, Ende April veröffentlichten “Painting Of My Time” ist die Band von der Vier- zur Fünfköpfigkeit angewachsen. Ihre Rocksongs sind ein wenig spröde, entfalten aber eine eigentümliche Eindringlichkeit. Manchmal gibt es ein wenig Mundharmonika und E-Piano, im Zentrum stehen jedoch die Texte und Stimmen von Ashlee Kehoe und Louis Parsons. Die kennen den Katalog ihrer Landsmänner Midnight Oil, Beasts Of Bourbon und Rowland S. Howard und destillieren daraus einen sich langsam, aber nachhaltig entfaltenden Mix, der das Publikum im rappelvollen Molotow Backyard trotz der Unmöglichkeit dazu animiert, lautstark eine Zugabe zu fordern. (JS)
Viele Fragezeichen im Kaiserkeller bei Augn. Seit bestimmt 15 Minuten kommt nur Nebel von der Bühne, während dazu süffisante Seitenhiebe gegen die anwesende Musikbranche vom Band laufen. Kommen die heute überhaupt noch? Bisher ist das Strumpfmasken-Duo nur einmal kurz in Köln aufgetreten, als der Sänger nach zwei Songs sein Mikrofon zerstört hat. Die Konzerte in Hamburg und Berlin fanden schließlich vor Schaufensterpuppen in Kostümen statt. Doch dann: “Olaf Scholz wohnt in Hamburg”, sagt eine nüchterne Computerstimme. Augn treten in den Nebel, aber der oberkörperfreie Bassist und der mindestens zwei Meter große Sänger sind vor dem Tom-Cruise-Backdrop kaum zu sehen im roten Dunst. Die Songs heißen “Vatertag”, “Nokia 3210” oder passenderweise “A & R”; der schallende Applaus dazu kommt aus der Anlage – aber auch von einigen offensichtlichen Edelfans im Publikum. Nach kaum ein Dutzend Songs macht die Band einen Abgang durch den Nebel, während der bis zum Anschlag aufgedrehte Bass weiterscheppert: “Lass mal Nummern austauschen.” Mal sehen, wie es weitergeht mit diesem unberechenbaren Pendant zu den Sleaford Mods. (JSS)
Das Molotow hat heute – wie so häufig – ein homogenes Line-up an seinen vier Spielstädten. Wer sich beim RBF die rocklastigen Bands herauspickt, wird früher oder später am Nobistor 14 landen und vermutlich bleiben. Die Bands greifen gut ineinander. Ein Highlight sind HotWax aus dem britischen Hastings. Das Trio besteht aus Sängerin und Gitarristin Tallulah Sim-Savage, Bassistin Lola Sam und Schlagzeuger Alfie Sayers. Seit 2020 feuern sie Songs ab, mit “Invite Me Kindly” steht jetzt die zweite EP an. Auf Platte ist ihr Sound ein satter, lautstarker Indierock mit Punk- und Grunge-Anbindung. Live hat das noch mehr Power. Da erinnern HotWax an L7, was zum Teil auch am optischen Auftreten der Gitarristinnen liegt – mit glitzernden Hotpants und neongelben Fransen an der Jacke. Das ist heute der bereits zweite Auftritt von HotWax auf der Backyard-Bühne. (JS)
Nicht weniger schwer als bei Blood Red Shoes oder den Hives ist es auf eine Show von Team Scheisse an diesem Wochenende zu kommen. Die Bremer Punk-Kuriosität erfährt seit ihrem Debüt einen regelrechten Hype, sie waren zu Gast im “Neo Magazin Royale” und auf zahlreichen Festivals – nun eben auch beim RBF, wo sie bei ihrer zweiten Show im Uebel & Gefährlich all ihre Qualitäten als Unterhalter ausspielen. Im rappelvollen Club des Hamburger Beton-Flakturms fliegen schon früh die Fetzen, als Team Scheisse “Schmetterling” und “Karstadtdetektiv” dem Publikum zum Fraß vorwerfen. Highlight: Bei “Ich dreh mich nochmal um” darf ein Fan zum Song eine mitgebrachte Blockflöte spielen. Der Auserwählte setzt dabei die Anweisung seines Sohnes um, dass “so scheiße, wie es geht” zu machen. Nach dem Song setzt der Fan zum Stagedive bis ans Ende des Raums an, nur um auf Aufforderung der Band ab der Hälfte wieder zurückgetragen zu werden, um den Song mit ihm nochmal zu spielen. Is the hype real? Naja. Vielleicht. (JSS)
Am engsten wird es im Molotow im Karatekeller. Hier haben The Pill ihren dritten Auftritt. Die Band kommt aus Frankfurt/Main und besteht aus vier mittelalten Typen, deren Musikkarrieren mit ihren Bands Monochords und Coach Anfang der 00er Jahre viel zu schnell in die Brüche gingen. Schon lange machen sie miteinander Musik, am liebsten Hardcore-Punk der Black Flag-Schule. Nur an der passenden Person hinter dem Mikro hat es gehapert. Doch dank eines wunderbaren Zufalls im Internet steht plötzlich Sam – äußerlich eine Manga-Figur – im Proberaum, und The Pill können loslegen. Dass das hier erst der dritte Auftritt ist, mag man kaum glauben. Rasant und überraschend abwechslungsreich sind die Songs, die derart viel kinetische Energie erzeugen, dass Sam einen guten Teil des Sets vorne im Publikum verbringt. 30 Minuten und einige Liter Schweiß später wird ein weiteres Mal “Hollywood Smile” als Zugabe gespielt. (JS)