01. Minor Threat – “Minor Threat”
Wie kann man so viel Talent in so einem jungen Alter in einer einzigen Band versammeln? Im Prinzip finde ich das fast schon unfair. Aber die kratzige, sich überschlagende, nahezu altkluge Weisheiten verkündende Teenager-Stimme von Ian MacKaye, das ikonisches Strophen-Riff, die kleine hässliche Mini-Bridge und der Tempowechsel im nach vorne preschenden Chorus sind ja mal so was von stilprägend, da weiß man gar nicht, wo man mit den Lobpreisungen anfangen soll.
02. Black Flag – “Six Pack”
Schon klar, jeder hat seinen eigenen Lieblingssänger von Black Flag, und es ist natürlich nie Henry Rollins. Aber wisst ihr was? Das “Damaged”-Album war mit 15 oder 16 eine meiner ersten Hardcore-Platten, dazu dieses ikonische Cover, das sich immer weiter aufbauende Anfangs-Riff, das kleine bisschen Melodie in der Strophe und schlussendlich der Fakt, dass ich 1 bis 2 Jahre gebraucht habe um zu verstehen, dass der Song ironisch gemeint und keine willenlose Sauf-Hymne war – all das qualifiziert “Six Pack” für diese Liste. Und ganz ehrlich? Rollins ist einfach auch Killer, fuck you.
03. Urban Waste – “Ignorant”
Von der sonnigen Westküste auf die schmutzigen New Yorker Straßen der frühen 80er. Wie anders das gleich alles klingt. Viel mehr nach Lederjacke, Dosenbier und Iro, genau in der Transitionsphase zwischen dreckigem Punk und Youthcrew-Hardcore, aber mit so viel Rotz und Nihilismus vorgetragen, dass ich heute noch Gänsehaut bekomme. Eigentlich hätte an dieser Stelle auch eher das Lied “Public Opinion” stehen müssen, haben ja sogar SFA später gecovert, aber ich liebe einfach den für damalige Verhältnisse vollkommen unüblichen groovy Anfang und die totale Explosion, die danach folgt. Die Stimme allein. Wahnsinn!
04. Suicidal Tendencies – “I Saw Your Mommy…”
Ach komm, wieder zurück nach Kalifornien. Der Eltern-Schocker-Song Nummer eins: “I think it’s the greatest thing I’ll ever see/ Your dead mommy lying in front of me.” Fand meine Mutter damals eher halbgeil, trotz des fantastischen Bassriffs in der Strophe, ein Riff so groß wie ein Hochhaus. Dazu dieser Text, ein Gitarrist, der sogar spielen konnte und dieses Überschall-Schlagzeug im Chorus: Wieviel kann man eigentlich in einem einzigen Song richtig machen? Kein Wunder, dass die unsäglichen Puddle Of Mudd sich 20 Jahre später für ihren größten “Hit” schamlos an “I Saw your Mommy…” vergingen. Hoffentlich gibt es eine Hölle, extra dafür.
05. 7 Seconds – “New Wind”
Jajaja, ich hatte auch zuerst “Not Just Boys Dun” oder “Young ‘Til I Die”, aber alleine für dieses Über-Riff in der Strophe und dafür, wie genial sich der Song am Ende live an “We’re Gonna Fight” anschmiegt, verdient “New Wind” die Ehre, die ihm aufgrund des zwar nach ihm benannten, aber eben auch langsameren und damit unbeliebteren Albums damals verwehrt blieb. Ich fand bei Bands immer schon die Songs aus der kurzen Phase zwischen jugendlichem Geballer und studentischem Sellout am spannendsten und besten, da ist auch “New Wind” keine Ausnahme. Einfach nur ein Hit und vollkommen zu Unrecht nicht mit Doppel-Platin ausgezeichnet.
06. Gorilla Biscuits – “Competition”
Würden wir, wie eingangs erwähnt, in einer gerechten Welt leben, wäre Walter Schreifels und nicht etwa Ed Sheeran oder Adele Plattenmillionär. Mehr Talent im kleinen Finger als BTS in der ganzen Hand. Und wer ein Stimmchen wie CIV hat, sollte täglich auf Händen durch die Straßen New Yorks Citys getragen werden. Ohne Witz, ich habe von diesem einen Album mehr gelernt als in 13 Jahren Schule. Songs wie ein guter Freund, der dir auf die Schulter klopft und hilft, wenn du denkst, dass es nicht mehr weiter geht. “Competition” mag ich besonders, wegen der wundervollen Melodie im Chorus und der Message, die ich immer noch irgendwie als marxistisch interpretiere. Revolution mit Herz und Singalong, was könnte es Besseres geben?
07. Youth of Today – “Disengage”
Auch auf die Gefahr hin, mir den Zorn gewisser Erste-Stunde-Puristen einzuhandeln, wage ich doch zu behaupten, dass “Disengage” von der 1990er Abschieds-EP Youth of Todays bester Song überhaupt ist. Ok, vielleicht nicht ihr wichtigster, aber ihr bester. Und darum geht’s ja hier. Noch straighter als Shelter, aber schon mit dem kleinen Hauch Melodie, der eine gewisse musikalische Neuausrichtung ankündigt. Hätten Youth Of Today ein ganzes Album in dem Stil gemacht, Gorilla Biscuits hätten sich warm anziehen müssen. Haben sie aber nicht, also bleibt uns nur diese Seven-Inch mit ihren drei Songs, von denen “Disengage” der würdigste Abschied ist, den sich eine Band wünschen kann.
08. Inside Out – “Burning Fight”
Inside Outs Zack de la Rocha hat es ja einige Jahre später mit Rage Against The Machine tatsächlich zum Popstar gebracht, verdient hätte er diese Ehre allerdings schon früher: Inside Out waren grooviger als ihre Zeitgenossen, melodischer, haben über diverse Tellerränder geblickt und bereits 1990 vorweggenommen, in welche Richtung sich ein ganzes Genre entwickeln würde. “Burning Fight”, was für ein riesengroßer Opener. Leider nach nur einer EP aufgelöst, werden wir nie erfahren, wie ein potenzielles Album geklungen hätte, aber ich denke, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte: Es wäre fantastisch geworden. Ach ja, Arbeitstitel dieses nie erschienenen Albums war übrigens… “Rage Against The Machine”.
09. Sheer Terror – “Roses”
Ich weiß ja wirklich nicht, was Sheer Terror 1990 geritten haben muss, auf ein hasserfülltes New-York-Hardcore-Album eine düstere Pop-Ballade mit Emo-Text und croonendem Gesang zu packen, aber ich bin verdammt froh, dass sie es getan haben. “Even tough guys need someone some times” wussten eben schon Cock Sparrer, warum also sollte das nicht für Hardcore-Kids gelten? Nur weil Cro-Mags und Agnostic Front bestimmt einsam ins Kopfkissen geheult haben, muss das ja nicht jeder so handhaben. Paul Bearer jedenfalls sang ein wunderschönes Lied darüber und schämte sich seiner Tränen nicht. Guter Mann, großer Song.
10. Unbroken – “Razor”
Die vermutlich einzige Band, die es je geschafft hat, ein Slayer-Riff zu schreiben, das so gut ist, dass es von Slayer selbst hätte sein können. Noch immer mein Gitarren-Soundcheck-Song für jede Show. Als hätte jemand eben erwähnte Slayer mit Joy Divisions düsterer Romantik vermischt. Der vermutlich beste Song der Mid-Neunziger-Mosh-Szene. Eine Hymne für eine ganze Generation. Text, Musik, alles perfekt. Rest in Peace, Eric Allen.
10. Lifetime – “Neutral Territory”
In der Hoffnung, dass es keiner merkt, habe ich einen elften Song hier reingeschmuggelt. Weil Punk und so. No rules. Und no Bestenliste ohne Lifetime! Ari Katz ist für mich zeitgleich der beste Hardcore-, Punk- und Emo-Sänger, Dan Yemin der beste Gitarrist all dieser Genres. In Kombination unschlagbar. Wie hieß es damals in diesem einen Fanzine, an dessen Namen ich mich gerade nicht erinnre? “Wenn Lifetime gegen Gott kämpfen würden, wer würde gewinnen? Niemand, denn Lifetime SIND Gott.”