01. The Cure – “Lullaby”
Dieser Song kroch 1989 samt seinem spinnenwebenverhangenen Video in mein präpubertäres Kinderzimmer und sorgt bei mir bis heute für wohliges Gruseln. Videoregisseur Tim Pope hat viele grandiose Videos für Cure gemacht, aber mit dem ikonischen Spider-Robert in “Lullaby” hat er sein Cure-Werk gekrönt. Ich wollte diesen Song 1991 bei RTL in der “Mini Playback Show” performen, hab’s damit auch durchs erste Casting geschafft, doch die Redaktion empfand den Song als zu düster und zu bedrohlich fürs Kinderfernsehen und mir wurde (das nicht minder geniale) “Lovecats” von The Cure für die Sendung aufgedrückt.
02. Siouxsie And The Banshees – “Spellbound”
Kenner*innen wissen: Robert Smith hat sich nicht nur im Hinblick auf seinen Make-up-Stil von Siouxsie inspirieren lassen. Für die Entwicklung des Cure-Sounds waren insbesondere die gemeinsamen Touren mit den Banshees zu Beginn der 80er wegweisend. Mindestens die ersten sieben LPs von Siouxsie und Co. sind unverzichtbare Blueprints für Wave, Post-Punk, Indie und Goth-Rock – die Band gehört unbedingt in die Rock’n’Roll Hall of Fame.
03. Sookee – “Frauen mit Sternchen”
Im Hinblick auf Queerfeminismus im Rap hat Sookee mit ihren Platten geprägt, empowert, vernetzt, entzückt, informiert und polarisiert wie vor ihr keine andere Person im deutschen HipHop. Insbesondere ihr viertes Album “Lila Samt” hat mich im Zuge meiner queeren Emanzipation ganz besonders eng begleitet und empowert. 2014 gab es wahrscheinlich keinen Tag an dem meine damalige Partnerin* und ich nicht “Frauen mit Sternchen” gehört haben, wir konnten uns an diesem berührenden Statement zur Solidarität unter Frauen*, Queers, FLINTA+s und Feminist*innen einfach nicht satthören. Mir persönlich hat Sookee, insbesondere mit diesem Song, die Möglichkeiten einer queer feministischen Sprache in Liedtexten aufgezeigt. Das inspiriert mich als Songwriterin* bis heute immer wieder.
04. Beyoncé – “Halo”
Noch eine Hymne meiner queeren Selbstfindungszeit. Keine Ahnung wie oft mich dieses Songwunder beim Schminken begleitet hat, wie oft es mir und meinen Freund*innen die Angst genommen hat, im Dress unserer Wahl auf die Straße zu gehen, unsere Geschlechtsidentität zu akzeptieren, Selbsthass zu überwinden, den eigenen Körper zu entdecken, Freund*innenschaft und Wahlfamilie zu feiern und sich gegenseitig Mut zu machen. Beyoncé bewirkte all das in uns, scheinbar mit Leichtigkeit. Ihre warmherzige Divenhaftigkeit war und ist wunderbar ansteckend. Das dazugehörige Album “I Am… Sasha Fierce” ist für mich als queere Person ebenso wichtig wie Lady Gagas “Born this Way”-Album.
05. June Tyson – “Astro Black”
Sun Ras Diskografie ist vielfältig, total indie, krachig, zärtlich, komplex und mystisch. Zudem ist sie so umfangreich, dass es auch nach Jahrzehnten des Fan-Daseins immer noch neue LPs und Aufnahmen zu entdecken gibt. June Tyson war Sun Ras langjährige Gefährtin und die “Saturian Queen Of The Sun Ra Arkestra”. Ihre wundervolle Stimme leuchtete den Zuhörer*innen liebevoll die Wege durch die extraterrestrischen Free-Jazz-Galaxien des kosmischen Meisters.
06. Petrol Girls – “Feed My Fire”
Ich wurde mit Hardcore jahrzehntelang nicht warm. Lag vielleicht an persönlichen Erfahrungen mit einigen Hardcore-Typen im Niedersachsen der 90er oder an der Hardcore-Musik der 00er-Jahre, die in meinen Ohren leider oft nach halbherzigem Metal klang. Als ich die Petrol Girls vor ein paar Jahren zufällig live sah war mir das alles sofort egal, denn ihr radikaler Post-Hardcore drückte bei mir den Reset-Knopf. “Touch me again and I will fucking kill you.” Diese Wut klingt so empowernd, die Band smasht das Patriarchat mit ungezügelter Wut und atemberaubender technischer Präzision.
07. Rauchen – “Schlüsselkind”
Diese fantastische Band aus Hamburg begeistert mich seit ihrer ersten Mini-LP “Tabakbörse”. Auf ihrer neuesten LP haben Rauchen ihren feministischen Post-Hardcore, um wavige und Noise-Rock-Einflüsse ergänzt, was absolut nach meinem Geschmack klingt. Die Texte von Vokalistin Nadine sind für mich stets inspirierend und ihre Stimme geht direkt unter die Haut – egal ob sie ihre Stimme wie auf der neuen Platte “Nein” teilweise unverzerrt einsetzt oder den Sound mit wütenden Screams zerlegt. Der Text von “Schlüsselkind” entstand durch einen Instagram-Aufruf, bei dem Userinnen* schildern sollten was sie tun würden, wenn es für Weiblichkeiten* möglich wäre, sich nachts frei und gefahrlos auf der Straße bewegen zu können.
08. Suzanne Vega – “Marlene On The Wall”
Die ersten zwei LPs von Suzanne Vega sind nicht nur voller Weltklasse-Songs, sie beinhalten auch ungeahnte Dream-Pop-Meisterwerke. In diesem wundervoll fließenden Song singt Suzanne von ihrer Beziehung zu ihrem Marlene-Dietrich-Poster, welches zu ihrer Teenagerzeit in ihrem Zimmer hing. Der Text erinnerte mich an das Verhältnis, dass ich in den 80ern zu meinem Prince-Lovesexy-Poster hatte, welches über meinem Bett hing. Beim Hamburg-Konzert in diesem Jahr flossen bei dem Song meine Tränen schneller, als Suzannes Finger die 12-Saitige Gitarre bearbeiteten konnten.
09. Cocteau Twins – “Sugar Hiccup”
Über diesen Song kann ich nicht mehr sagen, als dass er mich, mitsamt dem dazugehörigen Album “Head Over Heels”, durch die letzten Lockdown-Jahre gebracht hat. Eine enorme Band.
10. Tangerine Dream – “Logos”
Seit ich vor 25 Jahren eine abgegriffene Tangerine-Dream-LP auf dem Parkplatz-Flohmarkt der TU-Braunschweig für drei D-Mark ergattern konnte, höre ich diese Band rauf und runter. Das Oeuvre von Edgar Froese und seinen Mitstreiter*innen ist so üppig (mehrere hundert LPS) wie abwechslungsreich. “Logos” zeigt die Band live in London 1982, als sie sich nach einer langen experimentellen Ära, die 1969 als Proto-Krautrock begann, immer melodischeren Musikstücken widmete. Raffiniert komponiert, meditativ und dennoch einnehmend poppig. Läuft bei mir unter “Selfcare Music”.