Citizen – “Everybody Is Going To Heaven”
Die stilistische Neuausrichtung im Posthardcore ist nicht länger Trend, sondern offenbar Gepflogenheit. Citizen schauen für ihr zweites Album “Everybody Is Going To Heaven” jedoch anderen Bands auf die Finger als ihre The-Wave-Kollegen, zu denen sie sich schon mit ihrem Debütalbum “Youth” nicht wirklich zählen wollten. Kein Shoegaze, kein Postpunk, keine Prog-Anleihen. Und vor allem so gut wie kein Posthardcore. Songs wie “Yellow Love” und “Heaviside” sind Alternative-Balladen im besten Sinne, die mehr mit den wolligen Manchester Orchestra von Hope denn Cope gemein haben. “Weave Me (Into Yr Sin)” gleicht den melancholisch gebrechlichen Anläufen, die Brand New in ihren Songs gerne nehmen, bevor sie sich brachial entladen. Citizen verzichten dankend auf den Ausbruch. “Stain” und “My Favorite Color” kommen der Posthardcore-Wut noch am nächsten und sind doch keine Fremdkörper, weil diese Platte durch das Paradoxon der großen Geste mit Understatement so herrlich zusammenhält.
Stream: Citizen – “Everybody Is Going To Heaven”
Vattnet Viskar – “Settler”
Vattnet Viskar legen mit dem Cover zu ihrem zweiten Album “Settler” falsche Fährten. Auf den Blastbeat-Black-Metal, den einem der Opener “Dawnlands” um die Ohren drischt, bereitet die schwerelose Frau in Weltraum-Montur nicht vor. Andere Genre-Konventionen legt die Band aus New Hempshire ebenfalls beiseite: keine ausufernd langen Song-Ungetüme, sondern kurze Ambient-Attacken, die vorbei sind, bevor man glaubt, zur eigentlichen Entfaltung gelangt zu sein, bestimmen weite Teile des Albums. Das genretypische Gekeife hat mehr Biss und klingt an manchen Stellen fast eher nach Hardcore als nach Black Metal. Weil Vattnet Viskar einiges anders machen als viele Bands ihr Art, bedeutet das noch nicht, dass es auch immer zwingender ist. Den Überraschungsmoment können sie allerdings für sich verbuchen.
Stream: Vattnet Viskar – “Settler”
Rogers – “Nichts zu verlieren”
Nachdem die letzte Platte “Flucht nach vorn” nicht wirklich zündete, haben die Düsseldorfer Punker mit dem neuen Album sinnbildlich “Nichts zu verlieren”. Und in der Tat laufen die Rogers und ihr Punkrock auf dem neuen Album zu neuen Stärken auf. Einprägsame Melodien und rotzige Texte mit einer Prise Sarkasmus machen den Einstieg leicht, zumal schon der Opener “Hoch die Tassen” den Ton angibt: “Wir schauen nie zurück/ Immer nur nach vorne und weitergehn”, singt Sänger Chri Hoffmeier mit seiner rauen und druckvollen Stimme und ähnelt dabei dem Broilers-Frontmann Sammy Amara. Trotzdem sind die Rogers nicht mit ihren Düsseldorfer Nachbarn zu verwechseln. Wütend, engagiert und sozialkritisch nehmen sie in ihren Texten die Gesellschaft unter die Lupe und klingen dabei so unverbraucht wie traditionell und aggressiv.
Stream: Rogers – “Nichts zu verlieren”
Safi – “Janus”
“Janus” ist ein Album voller Krach, Schreie und Ausbrüche. “Programmatischer Krawall auf der Strecke zwischen Ohr und Kopf”, singt dann auch Sängerin und Gitarristin Safi in der ersten Minute der Platte. Erbarmungslos, rebellisch und laut verpackt das Trio, das ihren Namen trägt, die Gesellschaftskritik in ihren Texten. Fest steht: Die Musik von Safi ist nichts für zarte Gemüter, mit brachialer Gitarrengewalt und dahingerotzten Gesang ecken die Newcomer an und präsentieren so ihren unangepassten Indierock. Doch vor allem ist die Platte abwechslungsreich: Neben lauten Melodien mit Noiserock-Avancen fährt ein Song wie “Golem” Electrobeats auf – in “Weg” sind es dann eher schwermütige Klaviermomente. So ungemütlich und streitbar “Janus” auch ist – kalt lässt es einen sicher nicht.
Stream: Safi – “Janus”
Unsere aktuelle Platte der Woche, Freedom von Refused, und alle weiteren wichtigen Neuerscheinungen der Woche findet ihr in unserer Übersicht.