Kowloon Walled City – “Grievances”
Düsteres Gitarrenspiel eröffnet das dritte Album “Grievances” der Sludge-Grunger Kowloon Walled City, bevor Sänger Scott Evans in “Your Best Years” sich direkt alles von der Seele schreit. “Count off the days/ Write on the walls / Who wants to live this way?” – Die Band bleibt ihrem Themengebiet treu und setzt sich mit unangenehmen Themen wie Verlust, Angst und Wut auseinander. Noch weiter verstärkt wird die bedrückende Stimmung durch die tiefergestimmten, dumpf grollenden Gitarren. An manchen Stellen der Platte, wie dem Track “The Grift”, kommen noch die Post-Hardcore-Wurzeln der Band aus San Francisco durch. Generell dominiert seit ihren letzten beiden Alben Sludge nach Eyehategod-Art. Die in diesem Genre gerne verwendete Glaubens-Thematik darf auf “Grievances” ebenfalls nicht fehlen: “True Believer” setzt sich mit einem Gläubigen und seinen Vorstellungen auseinander, untermalt mit tonnenschweren Riffs und Evans’ schreienden Fragen.
Album-Stream: Kowloon Walled City – “Grievances”
Die Nerven – “Out”
Dissonanz, Paranoia, Melancholie und Wutausbruch geben sich auf “Out” die selbstgedrehte Kippe in die Hand, um dann am Schulhof in der Ecke der Außenseiter zu stehen. “Manche haben sich was in die Ohren gesteckt”, wie es in “Den Tag vergessen” heißt, um Die Nerven nicht hören zu müssen, alle anderen bekommen mit dem dritten Album der Noise-Punker ein dynamisches Wechselspiel der negativen Gefühle geboten. Auch wenn es paradox klingen mag: Man muss feststellen, dass die Platte tanzbarer als der dem Titel nach eigentlich dazu prädestinierte Vorgänger “Fun” ist. Gerade “Barfuß durch die Scherben” lädt mit seinem fröhlichen, angezerrten Gitarrenintro, grooviger Bassline und nahezu balladesken Gitarren, die dynamisch in ein explosives Finale ausarten, zur Bewegung ein. Thematisch bewegt sich die Platte aber wie seine Vorgänger in Tristesse, Außenseitertum und Sozialkritik. Die Mischung aus Indifferenz, verursacht durch gesellschaftliche Verrohung und düsterem Instrumental, verursacht einen intensiven Mix, der bewegt.
Album-Stream: Die Nerven – “Out”
Protomartyr – “The Agent Intellect”
Schon unheimlich, wie sehr das dunkle Timbre und die Vortragsweise von Protomartyr-Vokalist Joe Casey an den frühen Nick Cave erinnern. Oft, etwa während des Openers “The Devil In His Youth” oder beim Fahrt aufnehmenden “Pontiac 87”, fühlt man sich wie in die späten Achtziger zurückversetzt, als Cave sich manisch durch seine Texte kämpfte. Auch so noch nicht gehörte Bauhaus– und Interpol-Anleihen finden ihren Weg auf den “Under Color Of Official Right”-Nachfolger, neu allerdings ist die Detailfreudigkeit, mit der ein Gros der Songs aufwartet. Das könnte wohl daran gelegen haben, dass Gitarrist Greg Ahee über 100 Songfragmente auf Lager hatte und vor den Aufnahmen erstmal passende Verbindungen suchen musste. Dem Album selbst tut diese Fleißarbeit immer dann gut, wenn der reißende Postpunk-Strom unerwartet Hooklines ausspuckt, oder wenn Casey seine existenziellen Krisen parallel mit der Melodie nicht mehr in den Griff bekommen will. “They know our movements/ they own our failures/ your brain in pockets/ each set up” will er uns im paranoiden “Boyce Or Boice” weismachen, während die Gitarren in den Keller trippeln. Man möchte ihnen folgen.
Album-Stream: Protomartyr – “The Agent Intellect”
Silversun Pickups – “A Better Nature”
Was war es für eine Wohltat, als 2007 die Silversun Pickups mit ihrem Debüt auftauchten. Das Smashing Pumpkins-Comeback war mau ausgefallen, und man hatte die Hoffnung schon aufgegeben, dass sich in diesem Sektor noch Brauchbares tummeln würde. Dank dem fast noch besseren zweiten Album “Swoon” war die Euphorie dann vollends wieder da und wurde nur durch den schwächelnden Nachfolger etwas getrübt, zum Beispiel, wenn einen die mit Retortenbeats versehenen Songs genauso kalt ließen, wie sie klangen. Drei Jahre darauf soll es nun wieder die alten Trademarks geben, wie selbstbewusst bekanntgegeben wurde. Die warmen Farben auf dem Cover, Brian Auberts vertraute Eunuchen-Stimme, der ausholende und umarmende Beginn des Openers “Cradle (Better Nature)” – alles da, um regnerische Herbststage sonniger zu machen. Einen größeren Ohrwurmrefrain als den von “Connection” hat die Band nie geschrieben. Doch dann die Wende im Outro: Da säuselt der Sänger so kieksig wie Claudio Sanchez zu “Good Apollo…, Vol. 1”-Zeiten, nur um im anschließenden “Pins & Needles” vollends zu Coheed And Cambria zu werden. Das klingt schlimmer, als es gemeint ist: “Better Nature” ist eine konsequente Weiterentwicklung, nur diesmal eben eine willkommene.
Album-Stream: Silversun Pickups – “A Better Nature”
Unsere aktuelle Platte der Woche, “If I Should Go Before You” von City And Colour, und alle weiteren Neuerscheinungen der Woche findet ihr in unserer Übersicht.