Hinds – “Leave Me Alone”
Die Reinkarnation einer 60er-Girl-Group in den Zeiten von Feminismus und dem Rookie Mag würde im Idealfalls so aussehen und klingen wie die Spanierinnen von Hinds. Fröhlicher LoFi-Garage-Rock schallt aus den Laustprechern, die Gedanken schweifen mit “Leave Me Alone” in Richung Sommer und Sonne: Schon der Opener “Gardens” bringt ähnliches fertig wie Best Coast – der Sound lässt einen sofort an ihre sonnige Heimat denken und fantasieren, wie gerne man am Strand des Manzanares liegen würde. Tracks wie “Warts” und “San Diego” greifen dieses Verlangen in poppigen Indie-Rock gehüllt ebenfalls auf. Zwischen den zwölf Songs ihres Debüts finden sich aber auch melancholischere Töne, “And I Will Send Your Flowers Back” setzt auf den Herzschmerz einer vergangenen Liebe mit teils gehauchten Gesangsparts und zurückgeschraubter Gitarren-Begeitung. Hinds sind auch gar nicht so frisch auf dem Musikmarkt, Ana Perrote und Carlotta Cosials produzierten schon als Duo unter dem Namen Deers Garage Rock. Besser ausgestattet als die Moldy Peaches liefert das Quartett auch ein gutes Feeling mit dem Rausschmeißer “Walking Home”.
Album-Stream: Hinds – “Leave Me Alone”
LSD On CIA – “Celestial Bodies”
Auf dem zweiten Album der dänischen Noise-Progger erwartet den Hörer ein Mix aus hyperaktiver Unberechenbarkeit, geloopten Ruhepolen und Falsettstimme, der schon das 2014er-Debüt zu einer spannenden Angelegenheit machte. “Celestial Bodies” reizt diese Extreme nun noch mehr aus. Eine gefährliche Energie durchzieht die Platte, die in großartigen Songs wie “Lava Lamps” an die Muse der “Origin Of Symmetry”-Ära erinnert, in “Reconcile” nach The Fall Of Troy klingt und sich spätestens in “Driver” jegliche Vergleiche verbittet. Der hochemotionale Album-Closer “Fall In Place” zeigt am Offensichtlichsten, wie furchtlos LSD On CIA agieren, wenn es um ihre Leidenschaft geht. Selbige führte das Trio bereits in solch unrockige Venues wie Londoner Kunst-Galerien. Selbst von einem Gig im albanischen Hells-Angels-Hauptquartier ließen sie sich nicht abbringen. Ein hörbar vielseitiges Vergnügen, dieses Album.
Album-Stream: LSD On CIA – “Celestial Bodies”
David Bowie – “Blackstar”
David Bowie ist wieder da. An seinem Geburtstag veröffentlicht er mit “Blackstar” eine Platte, die man sich eigentlich schon vor drei Jahren gewünscht hätte. Dabei war “The Next Day” alles andere als schlecht. Doch von den damaligen Erinnerungen an alte Berliner Zeiten hätte man sich mitunter mehr gewünscht als allzu bekanntes. Dieses mehr liegt nun vor. Bereits die beiden Videos zum Titeltrack und zu “Lazarus” stellten das Saxophon mehr in den Mittelpunkt, besonders letzteres verblüfft mit härteren Einsprengseln. “Sue (Or In A Season Of Crime)” ist zwar von der letztjährigen Best-of “Nothing Has Changed” bekannt, fügt sich aber trotzdem perfekt ein in die sechs rechtlichen Songs, die auf faszinierende Weise Tiefen ausloten, die man dem fast 70-jährigen Thin White Duke so gar nicht mehr zugetraut hätte. Wo bei anderen Bands ein eigenwilliges Outro wie “I Can’t Give Everything Away” schnell wie ein gescheitertes Experiment wirkt, zeigt Bowie damit nur, wie konsequent er auch nach 50 Jahren Business immer noch sein kann.
Album-Stream: David Bowie – “Blackstar”
Venomous Concept – “Kick Me Silly – VC III”
Keine Zeit verlieren und mitten rein ins Geknüppel zieht schon der Opener “Rise” jeden unvorbereiteten Hörer. Venomous Concept laden auch auf ihrer dritten Platte “Kick Me Silly – VC III” zum fröhlichen Grindcore-Geballer mit auflockernden Ausflügen in andere Stile ein. Bei der Besetzung der Band war genau dies zu erwarten: Brutal Truth-Sänger Kevin Scharp, Danny Liker von Nuclear Assault und Shane Embury und Danny Herrera von Napalm Death knüppeln sich durch 21 Songs, in denen sie ab und an auch an Buzz Osbornes Erbe erinnern, der bis 2006 Teil der Band war. Diesen hört man etwa in “Farm Boys”, der nach einem langsamen, sludgigen Intro in altbewährten Grindcore verfällt. Ansonsten sind nahezu omnipräsent die Einflüsse aus Hardcore und Hardcore-Punk zu hören, der sich in “Anthem” in einem biohazardesken Groove manifestiert oder in “Potters Ground” in Richtung The Exploited keift. In “Day Care” liefert das Quartett sogar einen waschechten Hardcore-Breakdown der Marke Terror. Das Grundgerüst der übrigen Songs sind Blast-Beats, Hardcore-Punk-Riffs und gutturaler Gesang zwischen Artikulation und Eskalation, denn wer die Lyrics von “Human Waste” beim ersten Mal versteht, muss der Messias des Grindcore sein. Doch gerade die Message der Texte scheint den US-Amerikanern nicht allzu wichtig zu sein. So geht’s mal um “Cheeseburger” oder die Lyrics werden durch Hühner-Gegacker oder Hunde-Gejaul in “Fucked In The Czech Repub!” substituiert. Das Sirenengeheul von “Holiday In Switzerland” holt dann aber wieder auf den beinharten Boden der Blast-Beat-Realität zurück.
Album-Stream: Venomous Concept – “Kick Me Silly – VC III”
Unsere aktuelle Platte der Woche, “A War Against You” von Ignite, und alle weiteren Neuerscheinungen der Woche findet ihr in unserer Übersicht.