Am 22. Januar war Phil Anselmo neben anderen Musikern beim Tribute-Event Dimebash aufgetreten, dass im Gedenken an seinen verstorbenen Pantera-Kollegen Dimebag Darrell stattfand. Nach der Performance des Pantera-Klassikers “Walk” zeigte ein sichtlich betrunkener Anselmo den Hitlergruß und brüllte die rassistische Parole “White Power” in die Menge. Ein Fan schnitt den Moment mit und veröffetlichte ihn schließlich.
Nachdem Anselmo sich zunächst damit hatte herausreden wollen, er habe Backstage Weißwein getrunken und sein Auftreten sei ein darauf bezogener Insider-Gag gewesen (und gleichzeitig jede Entschuldigung verweigert hatte), veröffentlichte der Sänger nun ein Video, in dem er sich für sein Verhalten entschuldigte. “Philip H. Anselmo hier, ich reagiere hiermit auf all die Kritik, die ich bekommen habe, und die ich komplett verdient habe”, beginnt der geknickt wirkende und leise sprechende Musiker sein Statement.
Zwar versucht Anselmo ein wenig zu relativieren, es sei “extrem spät gewesen” und habe “aufwühlende Gespräche” rund um den verstorbenen Dimebag Darrell gegeben, und Scherze aus dem Backstage hätten “ihren Weg auf die Bühne gefunden”. Dann aber zeigt Anselmo sich kleinlaut, nennt sein Verhalten “hässlich” und “unangebracht”, und entschuldigt sich “zu 1000 Prozent bei jedem, der mir übel genommen hat, was ich gesagt habe – denn ihr solltet mir übel nehmen, was ich gesagt habe. Es tut mir so leid. Ich hoffe, ihr gebt mir noch eine Chance.” Unten findet ihr das ganze Video. Wie leid Anselmo der Vorfall wirklich tut und wie groß seine Nähe zu rassistischem Gedankengut wirklich ist, bleibt auch danach unklar.
Unter Anselmos Kritikern fand vor allem Machine Head-Frontmann Robb Flynn deutliche Worte. Flynn, der selbst am Dimebash teilgenommen und mit Anselmo auf der Bühne gestanden hatte, stellte nicht nur klar, dass es Backstage nirgendwo Weißwein gegeben habe (ein angebliches Foto mit einer Weißwein- zeigt tatsächlich eine Wodka-Flasche). Er kritisierte auch allgemein Metal-Fans dafür, Rassismus nicht energisch genug zu verdammen und Anselmo und andere damit davonkommen zu lassen. “Nur in der Metal-Community wird so etwas einfach beiseite gewischt”, sagte Flynn. “Wäre das hier Chad [Kroeger] von Nickelback gewesen, wären Köpfe gerollt. […] Es gibt keinen Platz für so etwas im Metal, und wenn doch, dann bin ich raus.” Auch Flynns Video findet ihr unten. Dass Flynn selbst auf einem im Internet aufgetauchten Party-Foto anscheinend neben zwei Männern zu sehen ist, die den Hitlergruß zeigen, schwächt seine Position allerdings.
Auf Flynns Statement wiederum gab es Kritik von Rita Haney, der Ex-Freundin von Dimebag Darrell und Mitveranstalterin des Dimebash. Sie warf Flynn in einem Instagram-Post vor, sich auf Anselmos Kosten zu profilieren und die wahren Gründe für seine Kritik an dem Sänger zu verschweigen. “Du hast auf eklige Weise eine Chance genutzt, von oben herab zu predigen, weil du wegen deiner persönlichen Begegnungen mit Phil an dem Abend gekränkt warst”, so Haney. “Es hatte nichts mit Rassismus zutun… ich unterstütze die Message, die du rüberbringen wolltest, aber nicht die Art und Weise.” Sie warf Flynn auch vor, Panteras Erbe ungerechterweise am Verhalten von nur einer Person zu messen. Auch Ex-Machine-Head-Schlagzeuger Chris Kontos ordnete beide Musiker gleichermaßen kritisch als “selbstbezogene Vollpfosten-Protze” ein und warf Flynn vor, ein “verlogener Opportunist” zu sein, der erst wider besseres Wissen mit prominenten Kollegen wie Anselmo auf die Bühne gehe und die Sache dann öffentlich ausschlachte.
Neben Flynn hatten sich zuvor auch zahlreiche weitere Musiker kritisch zu Anselmos Auftreten geäußert: Darkest Hour-Mitglied Mike Schleibaum schrieb, er sei “nicht die Moral-Polizei”, Rassismus habe für ihn aber keinen Platz im Metal. All Shall Perish sagten, man dürfe niemals davor zurückschrecken, auch seine Helden zu kritisieren und schlossen mit dem Dead Kennedys-Songtitel “Nazi Punks Fuck Off”. Every Time I Die-Sänger Keith Buckley schrieb, er habe “in letzter Zeit viele Helden meiner Kindheit aus der Musikwelt verloren, zuletzt Phil Anselmo.” Auch Jesse Leach von Killswitch Engage äußerte sich kritisch, ebenso The Ocean in einem Statement.
Letzteres verwies auch darauf, dass Anselmo bereits in der Vergangenheit mit rassistischen Äußerungen und Auftritten aufgefallen war: 1994 stellte er sich gegenüber MTV Rassismus-Vorwürfen in einem T-Shirt der Band Carnivore mit rassistischer Symbolik und zeigte sich nachsichtig gegenüber Kids, die auf Pantera-Shows rassistische Parolen brüllten. Im März 1995 hielt er auf der Bühne eine rassistische Rede, in der er unter anderem sagte, er hasse Rap dafür “quer über die weiße Kultur zu pissen” und rief den Abend als “eine weiße Angelegenheit” aus.
2003 veröffentlichte Anselmos Band Superjoint Ritual das Album “A Lethal Dosis Of American Hatred”, auf dem sich der Song “Stealing A Page Or Two From Armed And Radical Pagans” deutlich gegen “den Feigling Muhammad” und “jüdische Elitisten” wandte. Erst im vergangenen Jahr hatte sich Anselmo auf Nachfrage von der früheren Verwendung der Konföderiertenflagge bei mehreren seiner Bands distanziert. Die Flagge, die noch immer mit der Tradition der Sklaverei assoziiert wird, wird auch in rechtsextremen und rassistischen Kreisen gern als Symbol verwendet.