Against Me! – “Shape Shift With Me”
War das großartige “Transgender Dysphoria Blues” noch eine stellenweise charmant rumpelige Hommage an die frühen Jahre von Against Me!, tauschen Laura Jane Grace und Co. auf “Shape Shift With Me” Knarzen, Knacksen und Rauschen wieder gegen die Version von hymnischem Stadionpunk, die “White Crosses” ausgezeichnet hatte. Der Qualität der darauf enthaltenen Tracks, die sich weniger mit dem Coming-out der Frontfrau als mit ihrer Sicht auf Liebe, Sex und Beziehungen beschäftigen, tut das allerdings keinen Abbruch. “Haunting, Haunted, Haunts” serviert beispielsweise rohen Punk mit Folk-Einschlag und dürfte alte Fans der Band milde stimmen, “Crash” ist eine gut gelaunte Midtempo-Hymne über die Liebe, während “333” mit Druck und Verve nach vorne stampft – der Spagat zwischen schwitzigem Kellerclub und Stadionbühne gelingt den US-Punks damit einmal mehr.
Album-Stream: Against Me! – “Shape Shift With Me”
Ghost – “Popestar”
Die Überraschung ist nur halb geglückt: Zwar hatten Ghost schon im Frühjahr angekündigt in diesem Herbst eine weitere EP veröffentlichen zu wollen. Der genaue Termin sollte geheim bleiben, sickerte aber schon im Vorfeld durch. Der Freude über den neuen Release tut das keinen Abbruch: Die selbstgeschriebene neue Leadsingle “Square Hammer” und vier Coverversionen von Bands wie Eurythmics und Echo & The Bunnymen präsentieren den typischen, mit okkultem Vibe und psychedelischem Pop durchsetzten Hardrock der maskierten Schweden noch ein wenig pompöser als bisher. Vor allem aber klingt er hier etwas synthetischer und nach den 80ern – auf eine gute Art. Nach der “If You Have Ghost”-EP von 2013 wagen Ghost hier erneut erfolgreich den Seitenblick auf andere Sounds.
Album-Stream: Ghost – “Popestar” (EP)
Sauropod – “Roaring At The Storm”
So unbändige Freude zeigen sonst nur junge Hunde: Sauropods starkes Debütalbum lebt von seiner zügellosen Energie – aber auch von einem Stil-Mix, der so nicht unbedingt erwartet kommt: Einflüsse aus Powerpop und Rock’n’Roll entfalten sich auf einem Fundament aus Grunge und Garage Punk, Fidlar treffen auf Nirvana, die (International) Noise Conspiracy die Riot Grrrls. Sänger Jonas Royeng schrammt dabei immer mindestens nahe an hysterischem Gebrüll entlang, kann aber auch zarten Indie-Gesang, wenn nötig. Dass auf “Roaring At The Storm” sogar noch Ausflüge zu Industrial-Metal-Riffs und Bubblegum-Girlpunk drin sind, ist keine Schwäche, sondern eine stärke eines angenehm unaufgeräumten Debüts.
Album-Stream: Sauropod – “Roaring At The Storm”
Taking Back Sunday – “Tidal Wave”
Das neue Taking Back Sunday-Album überrascht direkt in den ersten Sekunden. Der Opener “Death Wolf” beginnt mit ruhigen Gitarren und einer Fläche aus Synthesizersounds. Kurz darauf bricht “Tidal Wave” aber auch schon über einem zusammen und saugt einen in einen Strudel aus US-amerikanisch geprägtem Emo- und Alternativ-Rock – der Albumtitel hat also auch eine gewisse symbolische Qualität. In 47 Minuten führen die fünf Musiker durch Indierockpassagen, die in “You Can’t Look Back” teilweise an Maximo Park erinnern, liefern mit “I Felt It Too” eine Powerballade und spielen in “Call Come Running” mit fuzzigen Gitarrenriffs, wie sie auch die Kings of Leon geschrieben haben könnten. Und schon allein das abschließende “I’ll Find A Way To Make It What You Want” schafft es mit seinen geloopten Gitarren, dem abwechselnd zerbrechlich wirkenden und dann wieder wütend anklagendem Gesang und einem Klavier, welches hin und wieder die Lautstärke durchbricht, den Ideenreichtum der Band zu beweisen. Erst das abschließende Meeresrauschen, welches erklingt, wenn die Flutwelle hinübergezogen ist, holt den Hörer zurück aus dem musikalischen Kosmos, den Taking Back Sunday mit diesem Album geschaffen haben.
Album-Stream: Taking Back Sunday – “Tidal Wave”
Unsere aktuelle Platte der Woche, “Stage Four” von Touché Amoré, und alle weiteren Neuerscheinungen der Woche findet ihr in unserer Übersicht.