Metallica – “Hardwired…To Self-Destruct”
Acht Jahre haben sich Metallica Zeit gelassen für ihre neue Platte. Wer in der Zwischenzeit dachte, dass sie sich in den Best-of-Tourzirkus der Altherren-Bands verabschieden, hat sich getäuscht. Dass “Hardwired…To Self-Destruct” ein derartiges Brett wird, konnte allerdings auch keiner ahnen. Schon der Opener und gleichzeitig Titeltrack fackelt nicht lange: Ehe der Hörer weiß wie ihm geschieht fliegt ihm schon Lars Ulrichs Schlagzeug um die Ohren, das Tempo ist dabei nicht einfach nur schnell, es drängelt geradezu. Das schlägt sich auch auf die satten Gitarren nieder, die mit James Hetfields unverwechselbarer Stimme durch das dreiminütige Riffgewitter um die Wette rasen. Das Highlight der Platte folgt anschließend: “Atlas, Rise!” vereint all das, was Metallica ausmacht. Die meterdicken Gitarrenwände, den dominanten Schlagzeugbeat, die virtuosen Soli und, was hier besonders auffällt, die Melodien. Ein Refrain der sich aus Hetfields garstigem Gesang und zweistimmigen Gitarrensirenen episch emporschraubt und schon beim zweiten Hören unfehlbar wiedererkannt wird. Thematisch handeln die Tracks verschiedene Felder ab. Versagensängste, blendender Ruhm, Kriege und innere und äußere Schlachtfelder tauchen ebenso in den Texten auf wie eine Hommage an Lemmy Kilmister im Song “Murder One”. Ein regelrechtes Thrash-Metal-Monster tischt die Band dem Hörer zum Aschied auf: “Spit Out The Bone” entfesselt Schlagzeug-Salven, derbe gezupften Bass und Gitarrenhagel und geht damit tatsächlich bis auf den Knochen. “Hardwired…” beweist: Die Zutaten für eine gute Metallica-Platte waren immer da. Es hat nur eine Weile gedauert die Stücke wieder so zusammenzusetzen, dass es knallt.
Album-Stream: Metallica – “Hardwired…To Self-Destruct”
Thee Oh Sees – “An Odd Entrances”
Hört man die ersten zwei Minuten des neuen Thee Oh Sees-Albums “An Odd Entrances”, dann denkt man an Jazz, Spacerock und weitestgehend experimentelle Musik – nicht jedoch an frickeligen Garagerock. Das Quartett spielt auf seinem neuesten Werk mit der Musik und sicherlich auch mit den Hörgewohnheiten vieler Fans. Wo das erst im August erschienene Vorgängeralbum “A Weird Exits” mit fuzzigen Gitarren, aggressiven Gesang und Noise-Einflüssen nach vorn prescht, macht der mittlerweile 17. Release der Kalifornier genau das Gegenteil: Die Musik lässt sich Zeit zur Entfaltung und wartet mit Streichereinlagen auf, erinnert stellenweise an die Musik der Beatles, zollt den Hardrock-Orgelklängen der 70er Tribut und klingt an ganz anderer Stelle nach dem Spätwerk von Miles Davis. Das eigentliche Kunstwerk dabei ist jedoch, dass das Quartett nicht viele Worte dafür benötigt. Der Großteil der 30-minütigen Soundcollage kommt ohne Gesang aus. Dieser wäre jedoch auch fehl am Platz, sonst ginge der Blick für die vielen Klangdetails und Soundschnipsel verloren.
Album-Stream: Thee Oh Sees – “An Odd Entrances”
Dungen – “Häxan”
Besonders brachial oder furios haben Dungen ihren filigranen Psychprog nie inszeniert, der unter dem Titel “Häxan” veröffentlichte Soundtrack zum Lotte Reinigers Animationsfilm “Die Abenteuer des Prinzen Achmed” von 1926 tastet sich aber besonders vorsichtig an der Hörer heran. Der Opener “Peri Banu vid sjön” wird hauchzart mit geschlossener HiHat eingezählt und auch im weiteren Verlauf nur durch minimale Synthie-Flächen und kaum merklich an- und abschwellenden Gitarren untermalt, das folgende “Jakten Genom Skogen” hingegen lässt dem Schlagzeug schon ein wenig mehr freien Lauf. Auf “Wak-Wak’s Portar” drehen die Schweden dann doch noch auf und lassen leicht dissonante 70s-Rock-Gitarren im Duell gegen Jethro-Tull-Gedächtnisflöten antreten. Ohnehin ist die Flöte neben Synthies und Gitarren wie auch auf den vergangenen Dungen-Alben der zentrale musikalische Baustein auf “Häxan”. Diesen bettet die Band mal in stampfenden Postrock, mal in schaurigen Ambient, mal in hypnotischen Psych, aber immer in komplexe Soundgebilde, die auch ohne die filmische Grundlage beim Hörer für farbenprächtiges Kopfkino sorgen dürften.
Album-Stream: Dungen – “Häxan”
Drakulas – “Raw Wave”
Sind wir wieder im Jahr 1978? Nein, doch das Debütalbum von Drakulas klingt wirklich so, als hätten sie sich mit den frühen Buzzcocks einen Proberaum geteilt. Das neue Bandprojekt von Rise Against-Gitarrist Zach Blair und Mitgliedern der Riverboat Gamblers ist so rumpelig und rotzig wie der frühe Punk aus Großbritannien, kommt aber aus Texas und wird gemacht von Männern, die in den späten 70ern noch nicht einmal in der High School waren. Die Platte klingt also alles andere als anachronistisch. Mit “Raw Wave” beschreibt der Albumtitel schon ganz treffend seinen Sound. Höhenlastige, angezerrte Gitarren legen sich über durchgehend schnelle und präzise Drumbeats, die mit etwas Surfrock-Ästhetik angehaucht eben nach rauem Wellengang klingen. Die genau so hektischen Vocals animieren zum Mitgröhlen, und vor allem Tracks wie “Neon Town” und “Sonny Tsu” entwickeln sich schon nach dem zweiten Hören zu anhaltenden Ohrwürmern. Drakulas’ Musik ist damit nicht nur was für Nostalgiker, sondern dürfte auch Fans von anderen schnellen und lauten Bands wie Wavves oder Cloud Nothings begeistern können.