The Afghan Whigs – “In Spades”
“Do The Beast” war 2014 nicht nur ein Album. Es war ein Statement von The Afghan Whigs, mit dem die Band um Frontmann Greg Dulli sich nach über 15 Jahren größenwahnsinnig gut zurückmeldete. Mit “In Spades” knüpfen sie an die Stärke des Vorgängers an: Bereits die erste Singleauskopplung “Demon In Profile” zeigt die Stärke der Afghan Whigs, Indie-Rock mit Soul intensiv zu mischen. Neben einem sanften Klavier bauen sich im Hintergrund immer mehr Instrumente auf und sorgen für ein orchestralen Ausbruch mit feinen Bläsern, wie die Afghan Whigs ihn wohl nicht viel schöner hätten gestalten können. Die zweite Single “Arabian Hights” kommt mit mehr Uptempo und schönen Gitarren-Solos daher, und “Copernicus” streift sogar den Metal. Die harten und dunklen Gitarren tragen den Song und unterstützen die erneut eher düsteren Texte von Dulli. “In Spades” lehrt dem Rock erneut den Soul auf meisterlichem Niveau.
Album-Stream: The Aghan Whigs – “In Spades”
Neo Noire – “Element”
Neo Noire legen auf ihrem Debütalbum einen Hang zur Schwere an den Tag. Mit fast schon doomiger Gewalt peitschen die Riffs die acht brodelnden Heavy-Rock-Flüsse von “Element” mit pragmatischer Kontinuität voran. Die unheilvoll hallenden Vocals fügen sich dabei sehr kongruent in die betörenden Soundwände ein und verleihen der Musik einen psychedelischen Einschlag. So wirkt das Album wie ein plakativer Kontrapunkt zum bisherigen Werk von Ex-Gurd-Gitarrist Thomas Baumgartner, das eher auf schnelle, rohe Gewalt aus war. Eine geglückte Kehrtwende: Mit ihren sphärischen Klangmonumenten stürmen die Songs von Neo Noire immer höher werdende atmosphärische Gipfel. Im elf Minuten langen “Infinite Secrets” bäumen sich Gitarren und Schlagzeug schließlich noch einmal brachial auf und beenden mit einem Paukenschlag eine Platte, die nicht als Ansammlung von Songs, sondern als Gesamtkunstwerk verstanden werden will.
Album-Stream: Neo Noire – “Element”
Slowdive – “Slowdive”
Slowdive haben auf ihrem gleichnamigen Album das Kunststück vollbracht, watteweichem Shoegaze klare Konturen zu verpassen und so ihren Sound nahezu perfekt ausbalanciert. 22 Jahre hat es gedauert, bis die Band aus Reading ihre vierte Platte veröffentlichte. Schon die Live-Reunion 2014 kündigte an, dass die Musiker einen neuen Zugang zur eigenen Musik gefunden haben. Von der Bühne ins Studio war der Weg dann ein kurzer. Exemplarisch dafür scheint auch der Opener “Slomo” sich in einem irrig hallenden Crescendo selbst zu suchen, bevor er mit einsetzendem Bass und flirrender Lead-Gitarre plötzlich auf beiden Beinen steht. Der Duett-Gesang von Neil Halstead und Rachel Goswell bettet sich so vollendet in den wattigen Sound ein, als wäre genau ausreichend Platz für dessen harmonierenden Klang gelassen worden. Nach diesen ersten knapp sieben Minuten lässt man sich bereitwillig fallen und davontragen von den Soundscapes der Band und erhebt sich nach den perlenden Klavierklängen des abschließenden “Falling Ashes” nur kurz, um die Repeattaste zu drücken und weiter zu träumen.
Album-Stream: Slowdive – “Slowdive”
Big Walnuts Yonder – “Big Walnuts Yonder”
Was kommt dabei heraus, wenn Mike Watt und Mitglieder von Wilco und Deerhoof eine Supergroup gründen und ihrer Band dazu noch den Namen Big Walnuts Yonder geben? Ein hochinteressantes Genre-Geschwülst, das mehr Fragen aufwirft, als es beantwortet. Das gleichnamige Album ist ein roher, experimenteller und live eingespielter Mix aus Noise, Free-Jazz und Art-Punk, das aber allzu oft Gefahr läuft, an seinem eigenen Kunstanspruch zu scheitern. Wunderbar vertrackte Rhythmen auf “All Against All” oder der rotzige Indie-Rock’n’Roll von “I Got Marty Feldman Eyes” zeigen sinnbildlich die Aberwitzigkeit dieses Werks, in positivem Sinne. Beim langen, atonalen Soundausbruch von “Flare Star Phantom” etwa stellt sich jedoch die essentielle Frage: “Ist das Kunst oder kann das weg?”. Dass BWY auch Progressivität toll mit Eingängigkeit verbinden können, zeigt beispielsweise “Pud” – die Frage, ob avantgardistisch gedachte Musik über alle Zweifel erhaben ist, überlassen sie dem Hörer und toben sich weiter aus.
Big Walnuts Yonder – “Big Walnuts Yonder”
Unsere aktuelle Platte der Woche, “Inter Alia” von At The Drive-In, und alle weiteren Neuerscheinungen der Woche, findet ihr in unserer Übersicht.