Schon bei einer Pressekonferenz am Nachmittag hatten die beteiligten Künstler noch einmal ihr Anliegen erklärt. “Wir sind Chemnitzer und wir werden immer noch Chemnitzer sein, wenn die Kameras weg sind”, sagte Felix Brummer von Kraftklub zu der persönlichen Motivation seiner Band, die das Konzert initiiert hatte. Auch Campino, Sänger der Toten Hosen, betonte, dass die Musik nur ein Mittel zum Zweck für eine größere Sache sei. “Ich weiß nicht, ob wir als Musiker hier sind. Wir sind als Mitbürger hier. Wir helfen mit dem, was wir können. Mit unseren Instrumenten und Texten”, so Campino.
Entsprechend hatten auch nicht die Musiker das erste Wort: Anna Spangenberg vom brandenburgischen Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit eröffnete um 17 Uhr das Programm mit einer Schweigeminute für den in der Nacht zum 26. August getöteten Daniel H., dessen Tod Rechtsextremisten zum Vorwand für gewalttätige Ausschreitungen genommen hatten – woraufhin die Musiker um Kraftklub das Konzert gegen rechte Hetze und Gewalt ins Leben gerufen hatten. Anschließend kamen die Chemnitzer Sozialarbeiterin Rola Saleh und Vertreter des “Bündnis Chemnitz Nazifrei” zu Wort.
Parallel hatten Organisationen wie “Kein Bock auf Nazis”, die “Hardcore Help Foundation” und die zivilen Seenotrettungsinitiativen “Sea-Watch” und “Lifeline” Stände an der Stadthalle Chemnitz aufgebaut, um über ihre Arbeit zu informieren. Während des Konzerts wurden außerdem Spenden gesammelt, die zur Hälfte an die Familie des getöteten Daniel H. und an sächsische Antirassismus-Initiativen gehen sollen.
Auch während der Konzerte setzten sich die politischen Aussagen und Aufrufe fort. “Wir kommen aus Mecklenburg-Vorpommern, wir kennen die Scheiße”, sagte Jan “Monchi” Gorkow von Feine Sahne Fischfilet dazu, dass Rechtsextremisten versuchen würden, den öffentlichen Raum für sich zu erobern. “Was hier passiert ist, ist kein Einzelfall. Freital, der NSU, all diese Sachen haben hier ihren Nährboden. […] Und wenn 2018 irgendwelche Politiker, die vorne in ihrem Parteibuch das Wort ‘christlich’ drin stehen haben, gleichzeitig kein Problem damit haben, wenn zigtausende Menschen im Mittelmeer verrecken, dann weiß man, was die Uhr geschlagen hat.”
Auch Kraftklub, die ihren Auftritt mit der Chemnitz-Hymne “Karl-Marx-Stadt” eröffnet hatten, bezogen erneut Position “gegen Rassismus, Faschismus, Fremdenfeindlichkeit und Homophobie” – und zeigten sich realistisch: “Es ist uns vollkommen klar, dass man mit einem Popkonzert an einem Montag nicht die Welt rettet”, so Sänger Felix Brummer. “Wir sind nicht so naiv, zu glauben, dass alle Probleme gelöst sind, weil ein paar Leute zusammentreffen und Musik spielen. […] Manchmal ist es einfach wichtig, dass man sich nicht so allein fühlt!”
Rapper Marteria sagte später, er erinnere sich noch gut an die rechtsextremen Ausschreitungen von 1992 in seiner Heimatstadt Rostock im Stadtteil Lichtenhagen, “ich saß mit meiner Mutter und meiner Schwester heulend im Wohnzimmer”, sagte er auf der Bühne.
Wiederholt gab es dabei Gastauftritte: Kraftklub holten sich für “Songs für Liam” Casper als Gastsänger auf die Bühne, der wiederum räumte bei seinem folgenden Auftritt zusammen mit Marteria Rapperin Nura von Sxtn Zeit ein, um ihr Cover des NDW-Hits “Ich will Spaß” unter dem Titel “Ich bin schwarz” zu performen. Beim Auftritt der Toten Hosen standen dann schließlich Rod Gonzalez von den Ärzten und Arnim Teutoburg-Weiß von den Beatsteaks auf der Bühne, um den Anti-Nazi-Klassiker “Schrei nach Liebe” zu spielen.
Kurz nach 21 Uhr klang die Show – in deren Pausen immer wieder beteiligte Musiker und Aktivisten interviewt worden waren – mit “You’ll Never Walk Alone” passend aus, die wegen des großen Andrangs vom Karl-Marx-Monument an die Johanniskirche verlegt worden war. Die Zuschauer hatten die politische Stimmung des Konzerts zwischendurch immer wieder mit “Alerta, Alerta, Antifascista!”- und “Nazis raus!”-Sprechchören aufgenommen. Die Polizei meldete keine nennenswerten Zwischenfälle, die Veranstaltung verlief friedlich. Gegendemos von der rechtspopulistischen Bewegung Pro Chemnitz und der ausländer- und islamfeindlichen Thügida hatten die Behörden wegen nicht verfügbarer Flächen verboten.
Zahlreiche öffentlich-rechtliche Sender hatten das Konzert live begleitet, im Internet war auch ein Video-Livestream zu sehen, den zu Spitzenzeiten mehr als 88.000 Zuschauer verfolgten. Unten findet ihr die Aufzeichnung des gesamten Konzerts.