Nein, er ist wirklich nicht für diese Welt geschaffen. Gleichgültig, wohin Henry Rollins seinen Blick, seine Aufmerksamkeit, seinen literarischen Focus richtet, außer Hass, Ekel und Isolation entdeckt der Kulturpessimist in diesem Leben wenig. In der Logik dieser Empfindungsweise liest sich auch die aktuelle deutschspachige Veröffentlichung “Solipsist” (Miranda-Verlag, Bremen, 2003) wie ein Manifest von Wut und Weltschmerz.
Programmatischer kann ein Buchtitel kaum sein: “In einem Wörterbuch entdeckte ich 1993 das Wort Solipsist. Solipsistisch zu sein bedeutet, das Ego und den Alptraum absoluter Selbstbezogenheit vollständig zu akzeptieren. Ich ließ mich darauf ein und es hat mich komplett verschlungen…”
Wer sich von diesem offenen Bekenntnis zur Egomanie nicht verschrecken lässt, den lädt Rollins ein, ihn auf einen Nightmare-Trip zu begleiten. Die Einblicke, die der 42jährige dabei in sein Innerstes gewährt, sind, oh Wunder, zappenduster. Auch wenn es schwer fällt, die Annäherung an Rollins’ Blut und Eiter spuckende Rasierklingenprosa als reines Lesevergnügen zu beschreiben, muss man den fragmentarisch angelegten Kurztexten doch eine gewisse Faszination zugestehen. Henry Rollins schreibt, wie er schreit: laut, energisch und emotional. Man kann sich den Kraftmeier bildhaft vorstellen: Die Schlagadern geschwollen, die Halsmuskeln gespannt, Finger dreschen mit der Dynamik von Vorschlaghämmern auf eine geschundene Tastatur ein…
Dass sich die Themen des Punkrock-Poeten wiederholen, stört bei der Lektüre wenig. Einsamkeit und Isolation, Abgrenzung und Verachtung, Resignation und Durchhaltewillen sind die Grundkonflikte, die Rollins mit seinen monströsen Kiefern zermalmt und zerkaut, um sie dann kurz zu verschlucken und schließlich der Menschheit in einem heißen, brodelnden Schwall wieder entgegenzuspeien: “Ich bin Veteran einer anderen Welt und du wirst das nie verstehen. Die Auszeichnungen, für die ich vorgeschlagen wurde, bestehen aus den Körperteilen derjenigen, die neben mir gefallen sind. Ich warf sie weg sobald ich sie erhielt. Deine Wörter sind sinnlos für mich, nutzlos gegen mich. Weil die Wahrheit ist, dass nichts Sinn macht. Überhaupt nichts.”
Was die 230 Seiten depressive Seek-and-Destroy-Literatur letztendlich erträglich macht, sind die zugegeben extrem leisen Zwischentöne. Wer genau hinhört, ahnt bisweilen, das sich unter all den Krusten aus Dreck, Sperma und Verbitterung doch noch so etwas wie die Sehnsucht nach einem anderen Leben verbirgt. Vielleicht sogar nach Liebe.
Die Rollins-Bücher sind auch in unserem Mailorder erhältlich!